Rettung Kapitel 9

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Sein Traum hatte ihn gefangen genommen und ließ ihn nicht mehr los. Die Zeit dehnte sich aus und auch seine Hoffnungslosigkeit und Einsamkeit wuchsen immer mehr, obwohl dies nicht möglich sein sollte. Alec konnte Magnus nicht finden. Er konnte niemanden finden. Er war alleine. 

Und doch wollte er nicht aufgeben.

Doch da war eine Wärme. Und da war auch eine Stimme. Eine Stimme, die zu ihm sprach. Aber das war ja nicht möglich, denn er war alleine.

Kannte er diese Stimme? Nun, entweder würde er nun endgültig verrückt werden oder sterben. Ihm war es im Moment einerlei. Er wollte nicht mehr alleine sein. In diesem Moment wollte er dieser Stimme über all hin folgen. Und wenn es in die Hölle ging, dann sei es drum.

'Alexander. Ich bin hier', sagte die Stimme. 'Alexander, bitte ', flehte die Stimme. 'Komm zu mir zurück, Alexander', lockte die Stimme. 

Endlich war es warm. 

Magnus hatte sich vor Alec gehockt und ihn an beiden Schultern gehalten. Leise sprach er auf ihn ein.

Magnus spürte, wie sich Alec in seinen Armen entspannte. Kein Schluchzen entrann mehr seiner Kehle. Schließlich öffnete Alec seine Augen und hob seinen Kopf. Magnus schob ihm vorsichtig die Kapuze aus dem Gesicht.

Alec sah ihn an: lange und ungläubig. So viele unterschiedliche Gefühle huschten über sein Gesicht und die tränenfeuchten Wangen. Alec lehnte seinen Kopf auf Magnus' Schulter. Magnus hielt ihn fest in seinen Armen. 

"Ich bin hier, Alexander", whisperte Magnus. "Ich bin hier bei dir." 

Wo dieses hier auch sein mochte, Alec wollte nirgendwo anders sein. 

Wärme und Entspannung hatte sich in seinem ganzen Körper ausgebreitet. Die Verzweiflung und die Einsamkeit waren einem Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit gewichen. Magnus' Duft nach Sandelholz umfing ihn völlig. 

Die Engel schienen doch Mitleid mit ihm zu haben und sandten ihm diese Vision, bevor er starb. 

Magnus sprach immer weiter beruhigende Dinge auf Alec ein. Alles, was ihm gerade in den Sinn kam. Auch um sich selbst Mut zuzusprechen und damit sein Herz nicht zerbräche.

Kaum hörbar flüsterte er:

„O ärgert Euch an meiner Unschuld nicht!
Die Liebe deute, was die Liebe spricht.
Ich meinte nur, mein Herz sei Eurem so verbunden,
Daß nur ein Herz in beiden wird gefunden.
Verkettet hat zwei Busen unser Schwur:
So wohnt in zweien eine Treue nur.
Erlaubet denn, daß ich mich zu Euch füge,
Denn, Herz, ich lüge nicht, wenn ich so liege."

(Lysander in Ein Sommernachtstraum – Shakespeare)

Magnus wusste nicht, wie lange sie hier saßen; Alec endlich in seinen Armen. 

Irgendwann fanden die anderen drei die beiden in der einsamen Gasse; eng umschlungen. Die Freunde sprachen kaum, nur flüsternd. 

Raphael half Magnus dabei, Alec in Magnus' Wohnung zu bringen. Zu zweit legten sie den schlafenden Alec in Magnus' großes Bett. Magnus brachte schweigend Raphael zur Tür, umarmte ihn und Raphael nickte ihm aufmunternd zu, als er die Wohnung verließ. 

Magnus stand nun in seinem Schlafzimmer, das spärlich durch die kleine Lampe auf dem Nachttisch beleuchtet wurde. Er konnte kaum glauben, was passiert war. Der Mann, den er so lange vermisst hatte, war hier, bei ihm. Doch er machte sich große Sorgen, wie es Alec gesundheitlich und seelisch ging. 

Er war sich unschlüssig, was er tun sollte. So stand er einen Moment tatenlos am Türrahmen. Dann entschied er sich, Alec die Schuhe und den Mantel auszuziehen. Dies würde wohl genügen, um schlafen zu können.

Vorsichtig machte er sich an sein Werk und deckte Alec mit der Bettdecke zu.

Er nahm sich selbst eine Decke aus dem Schrank und setzte sich in seinen Sessel, der am Fenster stand. Er blieb angezogen, denn er hatte nicht vor zu schlafen.

Nach kurzer Zeit wurde Alec's Schlaf wieder unruhig. Er stöhnte und flüsterte Magnus' Namen. So wie in der Gasse.

Magnus stand auf und setzte sich an die Bettkante, um Alec beruhigend über den Rücken zu streichen. Er spürte, wie Alec unter seiner Hand entspannte und schließlich ruhig weiterschlief.

Unschlüssig blieb er eine Weile so sitzen, doch dann entschied er sich, sich auf die andere Seite des Bettes zu legen. Er zog nur die Schuhe und seine Jacke aus und deckte sich mit der Extradecke zu. Einen Arm legte er auf Alec's Taille.

Wie würde Alec am Morgen reagieren? Was sollte er sagen? Ihm gingen so viele Gedanken durch den Kopf. Doch Alec's gleichmäßiges Atmen und seine Anwesenheit beruhigten auch Magnus und so schlief er erstaunlich schnell ein. 

Be all that you can be - except gayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt