Kapitel 1

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„Und vergiss ja nicht, die Böden zu schrubben!"

 "Natürlich nicht."  

Als die Tür ins Schloss fiel, schmiss ich den schmutzigen Lappen in den Eimer voll Dreckwasser und wischte mir den Schweiß von der Stirn. Wie jeden Mittwoch putzte ich die Wohnung der alten Dame Hedwig. Und genau wie jedes Mal erinnerte sie mich daran, die Böden zu schrubben. Als würde ich das je vergessen, bei den ganzen Katzenhaaren, die überall verteilt waren.

Seufzend nahm ich den Eimer und ging in die Küche, um neues Wasser zu holen. Ich liebte die Möbel aus dunklem Holz mit hellen Akzenten. Sie verliehen dem Raum etwas Edles. Während das Wasser in den Eimer lief, schaute ich aus dem Fenster. Der Himmel war klar, so dass man in der Ferne das Zentrum unserer Stadt sehen konnte. Alruwea. Wie es da wohl aussah? Man sagte, je näher man dem Zentrum kam, desto prächtiger und schöner sollten die Häuser und deren Bewohner sein. Ich war nie näher am Zentrum Alruweas als hier. Von hier erkannte man nur die Vielzahl der Häuser, doch nicht deren Schönheit. Ein leises Schnurren unterbrach meine Tagträumerei. Erschrocken stellte ich das Wasser ab.

„Husch, weg hier, Gibbles. Du gehörst nicht in die Küche!"  

Der Kater machte keine Anstalten wegzugehen. Stattdessen presste er seinen schlanken, grauen Körper an meine Beine und schnurrte lauter. Unwillkürlich musste ich lächeln.  

„Na gut. Aber nur kurz."

Ich nahm ihn auf meinen Arm und streichelte ausgiebig sein weiches Fell.

„Du kennst die Regeln, kleiner Kerl. Keine Kater in der Küche."

Ich brachte ihn ins Wohnzimmer und schloss die Tür. Zurück in der Küche widmete ich mich wieder meiner liebsten Arbeit. Dem Schrubben des Bodens. Auf den Knien putzend, träumte ich sehnsüchtig von hübschen Kleidern und schönen Häusern.


Es dämmerte bereits, als ich nach Hause ging. Obwohl es mich näher zum Zentrum zog, musste ich leider weiter weg. Wir wohnten ganz am Rande der Stadt. Dort, wo alle Mittellosen lebten. Meine Mutter und ich bewohnten zusammen mit einer vierköpfigen Familie ein kleines Häuschen. Ich konnte von Glück reden, dass ich mein eigenes Zimmer hatte. Wir besaßen nicht viel, aber das, was wir hatten, reichte zum Leben.

„Ambra, da bist du ja."

Die Zwillinge Nadja und Esther kamen schon auf mich zu gerannt, gerade als ich durch die Haustür in die Wohnküche kam. 

„Langsam, Mädchen. Lasst Ambra doch erstmal ankommen."

Leila, die Mutter der Zwillinge, nahm mir meine Jacke ab. Ich setzte mich auf einen Stuhl und nahm die Mädchen auf meinen Schoß.

„Wo ist Mutter?"

Nadja kletterte von meinem Schoß und öffnete meinen Zopf. Mit ihren kleinen Fingern entwirrte sie die Knoten und schüttelte sie durch. Nun viel mein schwarzes Haar in sanften Wellen meinen Rücken herunter bis zur Taille.

"Sie holt noch schnell Brot beim Bäcker. Sollte bald zurück sein."

Ich zog Esther in eine Umarmung, gab Nadja einen Kuss auf ihr blondes Haar und ging ins Badezimmer. Ein schmutziges Gesicht blickte mir durch den Spiegel entgegen. Ich nahm einen Waschlappen und wusch mir die Flecken aus dem Gesicht. Anschließend steckte ich meine Haare hoch und huschte unter die Dusche. Genau zwei Minuten brauchte ich. Es gab zwar noch warmes Wasser, doch ich wollte nicht alles aufbrauchen. Mit einem Handtuch umhüllt, schlich ich in mein Zimmer. Außer dem Bett besaß ich einen kleinen Kleiderschrank, in dem ich meine wenigen Kleider und Habseligkeiten aufbewahrte. Ich zog ein einfaches Kleid und eine frische Baumwollunterhose heraus. Sauber und barfüßig ging ich zurück in die Küche.

„Mama!"

Da stand sie. Meine wunderschöne Mutter. Und schnitt jedem eine dicke Scheibe von dem Brot ab. Sie drehte sich um und lächelte mich an, was sie nur noch schöner machte.

„Ambra"

Ich küsste sie auf die Stirn und ließ mich in eine Umarmung ziehen. Das war es, was mir Kraft gab, durchzuhalten.

„Wie war dein Tag, mein Schatz?"

Grinsend schaute ich sie an.

„Wie jeder Mittwoch so ist", antwortete ich.

Ein leises Lachen entwich ihr.

„Und wie war deiner?"

Sie sah müde aus. Dunkle Augenringe. Blasse Haut. Ich streckte meine Hand aus, um an ihrer Stirn zu fühlen, doch sie wich aus.

„Ach, wie jeder Mittwoch so ist, Ambra."

Sie zwinkerte mir zu und machte sich weiter am Herd zu schaffen. Ich wollte etwas erwidern, als die Tür aufging und Leila's Mann Oskar nach Hause kam. Plötzlich war die Hölle los. Die Zwillinge rannten ihren Vater fast um und Leila schlang die Arme um seinen Hals. Ich beneidete die beiden um ihre offensichtliche Liebe.

„Kommt Mädchen. Euer Papa wird hungrig sein. Lasst ihn mal ankommen und helft mir den Tisch zu decken."

Meine Mutter verstand sich gut darin, den beiden als Paar einige Minuten für sich zu verschaffen. Nadja und Esther hörten direkt auf meine Mutter und nahmen Teller, Tassen und Besteck. Leila und Oskar verschwanden küssend in ihr Zimmer.

„Ambra, bitte verteil doch schon mal die Suppe auf den Tellern."

Die Erbin der MagiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt