Kapitel 9

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Das Training verlief nicht gut. Außer dem heißen Wasser vor zwei Tagen brachte ich nichts zustande. So sehr ich mich auch anstrengte, die Magie wollte sich nicht zeigen. Da ich die letzte Woche nutzen sollte, um meine Kräfte zu kontrollieren, übernahmen Leila und meine Mutter meine Jobs. Nun saß ich im Schneidersitz und mit geschlossenen Augen in meinem Zimmer und trainierte. Meine Handflächen zeigten nach oben und ich versuchte mich fallen zu lassen. Die Kraft in mir zu spüren, sie zu halten und zu lenken. Lichtkugeln, dachte ich. Ich möchte nur Lichtkugeln erschaffen. Ich öffnete ein Auge, doch es hatte sich nichts geändert. Frustriert ließ ich mich nach hinten fallen. Vom ganzen Üben war ich so erschöpft, dass ich im Stehen hätte einschlafen können. Eine kurze Pause könnte nicht schaden. In fünf Tagen würde jemand, ein Diener Alruweas, kommen und mich mitnehmen. Was würde mich erwarten. Ich war Zwiegespalten. Einerseits gefiel mir der Gedanken daran, dass ein lang ersehnter Traum in Erfüllung gehen würde. Andererseits war ich enttäuscht. Von den Gründerfamilien, die meinen Vater auf dem Gewissen hatten. Von meinen - alleine dieses Wort zu denken war verrückt - Großeltern. Mein Herz klopfte laut. Verräter. Ein winzig kleiner Teil von mir fand es aufregend die Eltern meiner Mutter zu sehen. Mit ihnen zu sprechen. Und doch. Was sie meiner Mutter angetan hatten, war unverzeihlich. Ich musste meine Gefühle in den Griff bekommen. Niemand durfte mein Geheimnis erfahren. Entschlossen wollte ich aufstehen und fiel auf mein Bett. Ich blinzelte verwundert. Vor ein paar Sekunden noch, war ich in der Luft gewesen.

Ich hatte das Abendessen schon fertig, als alle wieder zu Hause waren. Um etwas Abwechslung auf unsere Teller zu bekommen, hatte ich die Kartoffeln, die noch von meinem Geburtstag übrig waren, gebraten.
„Das sieht lecker aus, mein Schatz."
Das Lächeln meiner Mutter erreichte ihre Augen nicht. Sie sah müde und fertig aus. Das viele arbeiten tat ihr nicht gut. Ich müsste noch härter trainieren, denn ich wollte die Belohnung haben. Ich wollte die Gründerfamilien von mir überzeugen. Dann würde es meiner Mutter besser gehen.

„Mir kam eine Idee."
Meine Mutter saß am Rand meines Bettes. Ich hatte wieder meine übliche Position auf dem Bett eingenommen, nur mit geöffneten Augen.
„Hm", gab ich ihr als Zeichen, dass ich zuhörte.
„Ich möchte, dass du den Ring deines Vaters während dem Training trägst."
Meine Konzentration war hinüber.
„Was?"
„Ach Ambra, du hast mich schon verstanden."
Meine Mutter drückte sich mit Daumen und Zeigefinger den Nasenrücken.
„Soll ich dir etwas gegen deine Kopfschmerzen herstellen?"
„Ambra, nein. Ich bin eine Medicus und kann das alleine! Du sollst verdammt nochmal deine Magie beherrschen!"
Noch nie in meinem Leben hatte sie mich so angefahren. Schockiert saß ich da und schaute sie an.
Seufzend stand sie auf und lief in meinem Zimmer auf und ab.
„Es tut mir leid. Ich bin nur so..."
„...angespannt?", versuchte ich ihr zu helfen.
Sie atmete tief ein, bevor sie antwortete.
„Ja. Aber jetzt zieh bitte den Ring an und versuch es dann nochmal."
Nickend stand ich auf und holte den Ring. Als ich wieder im Schneidersitz auf meinem Bett saß, steckte ich ihn mir langsam an den Finger.
Ein Kribbeln durchfuhr meinen Körper. Es war wie ein Stromschlag und ich hatte das Gefühl, mir würden die Haare zu Berge stehen. Meine Mutter keuchte und trat einen Schritt zurück. Ich spürte eine Energie in mir, die ich noch zuvor gespürt hatte. Ich fühlte mich stark.
„Probier was", flüsterte meine Mutter mir zu.
Ich atmete ein und dachte: „Schwebe."
Sofort spürte ich einen Ruck durch meinen Körper und ich befand mich mitten in der Luft. Ich ignorierte meine Mutter und hob meine Handflächen nach oben. Ich stellte mir die Lichtkugeln vor und sie erschienen. Zuerst waren sie so klein wie Golfbälle, doch ich ließ sie wachsen und stoppte erst, als sie die Größe eines Fußballs erreichten. Mit einer Handbewegung ließ ich sie verschwinden und sank zurück auf mein Bett.
Zitternd saß ich da und starrte erst meine Hände und dann meine Mutter an. Mir war schwindlig. Die Kraft schien mich zu überwältigen.
„Wahnsinn", flüsterte ich und wurde ohnmächtig.

Die Erbin der MagiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt