Kapitel 8

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"Wenn ich ins Zentrum von Alruwea gehe, wäre es nicht sehr gefährlich, wenn ich im Haus der Medicus unterkommen würde?"

Immerhin würden dort auch meine Großeltern - wie komisch diese Wort klang - leben. Ich würde die Eltern meiner Mutter sehen. Würden sie nicht eine gewisse Ähnlichkeit erkennen?

"Schon möglich. Aber wichtiger ist es erstmal deine Kräfte unter Kontrolle zu bringen. Dir darf kein Fehler passieren, sonst..."

Sie musste nicht aussprechen, was für Folgen das hätte. Das war mir durchaus bewusst. Wenn auch nur jemand von meinem Geheimnis erfuhr, würde man mich umbringen. Schlimmer noch. Zuerst würden sie mich foltern, um an Informationen zu kommen - als ob ich die hätte - und wenn ich dann nicht mehr von Nutzen war, ja, dann würden sie mich töten.

"Und wie wollen wir das anstellen? Ich will ja nicht unhöflich sein, aber du bist keine Magi."

Lachend sah meine Mutter mich an.

"Touché. Aber mein Schatz," sie strich mir eine Strähne hinters Ohr, "dein Vater wäre nicht dein Vater gewesen, wenn er nicht an so eine Situation gedacht hätte. Als wir merkten, dass ich schwanger war, herrschte bereits Krieg zwischen den Häusern. Wir mussten auf das Schlimmste gefasst sein. Er erklärte mir, dass deine Kräfte sich irgendwann zeigen würden. Bei den meisten Magi trat dies kurz vor ihrem 21. Geburtstag auf."

Vielsagend schaute sie mich an. Genau wie bei mir.

"Die ersten Tage kommt die Kraft durch starke Emotionen zum Vorschein - wie bei dir. Deswegen bat ich dich immer wieder dich zu beruhigen. Was wir nun tun müssen - eher du - ist trainieren. Du musst deine Kräfte so kontrollieren, dass sie nicht mehr von deinen Emotionen gesteuert werden, sondern von dir."

Die Last, die sich auf meine Schultern lud, wurde immer schwerer. Ich hatte das Gefühl zu ersticken.

"Ich habe es probiert. Ehrlich. Nachdem ich die Lichtkugeln erschaffen hatte, da hab ich es wirklich versucht, aber..."

"Ambra, wann, bei allen Gründern, hast du Lichtkugeln erschaffen?"

Nun lag es wohl an mir einiges zu erklären. Also begann ich bei den Lichtkugeln und erzählte von meiner kleinen Schwebeaktion. Als ich geendet hatte, starrte mich meine Mutter stirnrunzelnd an.

"Und vergiss nicht das heiße Wasser."

"Welches heiße Wasser?"

"Als Oskar sich am Tee verbrannte. Seine Tasse hatte da schon lange nicht mehr gedampft und als ich bei mir nippte, war mein Tee kalt."

Ich hatte - ohne es zu merken - Wasser erhitzt. Fassungslos starrte ich auf meine Hände. Ich versuchte mich zu entspannen.

"Lass uns bei den Lichtkugeln anfangen. Versuch es."

Im Schneidersitz setzte ich mich meiner Mutter gegenüber und dachte an die Stille und die Ruhe, die ich gefühlt hatte, als ich die Lichtkugeln erzeugt hatte. Ich konzentrierte mich auf jede Faser meines Körpers, versuchte jedes Kribbeln, jedes noch so kleine Zeichen von Magie in meine Hände zu lenken. Ich stellte mir die kleinen leuchtenden Kugeln vor. Langsam kroch eine leichte Wärme durch meinen Körper und in meine Hände. Aufgeregt öffnete ich die Augen - nichts.

"So ein Mist!"

Ich schlug mir mit den Händen auf die Oberschenkel.

"Ambra."

"Ich hatte es fast. Und dann öffne ich meine Augen und nichts ist da. Das ist zwecklos! Ich kann das nicht."

Sanft sah mich meine Mutter an.

"Willst du so schnell aufgeben?"

Wie gerne würde ich ja sagen, doch etwas in mir wollte diese Kraft, diese Magie, die mir geschenkt wurde, erkunden. Wollte wissen, wie man damit umgehen konnte. Wenn ich das lernen würde, könnte ich vielleicht etwas bewegen. Etwas verändern.


Mein Kopf fühlte sich schwer an, so als ob jemand ihn mit Steinen befüllt hätte. Ich war müde und erschöpft. Fast die ganze Nacht hatten wir geübt. Am Ende hatten meine Finger Funken gesprüht, aber das war es auch schon gewesen. Dazu kam dieser Druck. Die Angst davor, einen Fehler zu machen und enttarnt zu werden, wenn ich im Zentrum war. Niemand war dort, der mir helfen würde. ich war auf mich allein gestellt und unfähig meine Magie zu beherrschen. ich stand auf und machte mir einen schwarzen Tee. Meine Mutter arbeitete heute in einem "Krankenhaus" - wenn man es überhaupt so nennen konnte. Oskar war wieder am Stadtrand und half Häuser bauen. Leila und die Zwillinge waren auf dem Markt einkaufen. Ich war also noch eine Weile allein.

Nachdem ich den Tee hinuntergekippt hatte, ging ich ins Badezimmer. Eine kalte Dusche würde mir gut tun. Als ich unter dem kalten Strahl aus Wasser stand, erinnerte ich mich an meine unbewusste Zauberei mit dem Tee. Tief einatmend schloss ich die Augen und stellte mir vor, wie schön es wäre, wenn das Wasser ein wenig wärmer wäre. Es tat sich nichts. Ich presste meine Augen zusammen und dachte noch fester daran, doch es half nichts. Ich lehnte meinen Kopf gegen die Wand. Wie sollte ich das ohne meinen Vater nur lernen? Alleine würde ich es nie schaffen. Mutter war keine Magi. Noch nie in meinem ganzen Leben hatte ich mir meinen Vater so sehr herbei gewünscht. Erschrocken trat ich aus dem Wasserstrahl und starrte ihn an. Vorsichtig hielt ich meine Hand darunter und musste sie sofort wieder wegziehen. Das Wasser war heiß.

Die Erbin der MagiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt