Um halb sechs schälte Tony sich aus der Decke, in die er sich mit Ziva eingekuschelt hatte und verschwand im Bad. Dort duschte er sich schnell, half bei seinen widerspenstigen Haaren mit Gel nach und zog die neuen Kleider an, die er kurz zuvor mit Ziva gekauft hatte. Um zehn vor sechs war er mit allem fertig und steckte noch einmal seinen Kopf ins Schlafzimmer. Seine Freundin lag im Bett und las ein Buch. Als sie hörte, dass die Tür auf ging blickte sie jedoch von ihrer Lektüre auf.
,,Gehst du schon?"
,,Ja, ich bin eh schon zu spät dran. Aber spätestens um elf Uhr bin ich wieder da und wir machen uns noch einen schönen Abend. Einverstanden?" Ziva nickte.
,,Ich liebe dich Tony."
,,Ich dich auch." Schnell schlüpfte er aus der Wohnung und ging zu seinem Auto, um wenigstens noch halbwegs rechtzeitig bei seinem Klassentreffen anzukommen. Leider klappte das nicht so, wie er es sich vorgestellt hatte, da er den Veranstaltungsort erst um halb sieben erreichte. Vorsichtig öffnete er die Tür und lugte in den großen Raum. Wenn er sich nicht verzählt hatte waren 19 Leute anwesend. Wenn man bedachte, dass sie früher 23 in der Klasse waren, war die Zahl gar nicht mal so schlecht. Nach kurzem Überlegen betrat er den Raum schließlich ganz und schloss die Tür. Plötzlich kam eine blondhaarige Frau auf ihn zugestürzt.
,,Tony!!!!", krisch sie aufgeregt. ,,Ich dachte schon du tauchst gar nicht mehr auf."
,,Holly?"
,,Jep. Ich weiß, ich hab mich ein wenig verändert." Da musste Anthony ihr recht geben. Seine ehemals beste Freundin war nicht mehr das schüchterne Mädchen mit der Hornbrille. Sie trug jetzt Kontaktlinsen und die langen blonden Haare, die sie früher immer zu Zöpfen geflochten hatte, hingen ihr lose über die Schultern. Wenn er ehrlich war, sah sie ziemlich attraktiv aus. Stop Anthony. Du hast eine Freundin, die du über alles liebst, also lass solche Gedanken, ermahnte er sich selbst. Holly nahm Tony an der Hand und zog ihn zur Bar, wo weitere vier Männer aus seiner ehemaligen Schulklasse saßen. Einer der Vier stand auf und schlug Tony freundschaftlich auf die Schulter.
,,Anthony DiNozzo! Du lebst also auch noch. Hast aber nie was von dir hören lassen." Tony grinste gequält. Phil Jefferson. Er hatte ihn schon in der Schule nicht leiden können.
,,Hi Phil."
,,Du scheinst ja noch genauso beliebt bei den Frauen zu sein wie eh und je, was?" Damit spielte er auf Holly an, die sich an Tonys Arm geklammert hielt. Etwas unsanft schüttelte er sie ab und funkelte Phil an.
,,Komm Holly. Wir gehen woanders hin."
,,Ich würde mich gerne mit dir unterhalten, aber hier ist es so laut." Tony nickte resignierend. Plötzlich erhellte sich Hollys Gesicht.
,,Wir können ja zu mir aufs Hotelzimmer gehen. Das Hotel liegt direkt nebenan." Anthony wusste genau, was auf einem Hotelzimmer alles passieren konnte.
,,Ich glaube das ist keine gute Idee Holly."
,,Komm schon Tony. Nur zum Reden." Oh man. Sie war schon immer seine beste Freundin gewesen. Er konnte ihr einfach keinen Wunsch abschlagen.
,,Ok, aber nicht lange.", stimmte er schließlich zu. Zusammen verließen sie den Raum, während ihre bereits leicht angetrunkenen Klassenkameraden einige weniger freundlich Sprüche losließen. Da das Hotel wirklich nebenan lag waren sie schon nach zwei Minuten auf Hollys Zimmer angekommen. Die Blondhaarige drehte sich in der Mitte des Raumes um sich selbst und sagte:
,,Das ist mein Reich. Zumindest für einen Tag." Sie zeigte auf einen Stuhl und bat Tony sich zu setzen. Lächelnd nahm Holly ihm gegenüber Platz.
,,So, dann erzähl doch mal. Was hast du nach der Schule so getrieben?", fragte sie neugierig.
,,Ich war bei der Polizei in Baltimore. Inzwischen bin ich aber beim NCIS." Überrascht blickte seine ehemals beste Freundin ihn an. Das hatte sie nicht gedacht. Tony war nie besonders bodenständig gewesen.
,,Wow, ich dachte du machst erstmal eine Weltreise und hälst dich dann mit kleinen Jobs über Wasser." Tony musste unwillkürlich lächeln.
,,Ich glaube ich hab mich ein wenig verändert, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben." Da es ihm zu warm wurde zog er seine Jacke aus und hängte sie über den Stuhl.
,,Jetzt bist du dran. Was machst du beruflich?"
,,Ich arbeite als Anwältin in Los Angeles. Nicht gerade mein Traumberuf, aber so schlecht ist es gar nicht."
,,Du weißt, dass ich Anwälte nicht mag, oder?"
,,Ja, aber ich bin ja Anwältin.", meinte sie zwinkernd. Es war genau wie früher. Tony konnte mit ihr über alles reden, sie konnten zusammen lachen und er fühlte sich, als ob er mit einem guten Freund reden würde. Warum hatten sie sich bloß aus den Augen verloren?
,,Und wo wohnst du jetzt, Tony?", riss ihre Stimme ihn aus seinen Gedanken. Ja, wo wohnte er? Er hatte eine Wohnung, aber die letzte Woche hatte er ausschließlich bei Ziva verbracht und er war sich sicher, dass das auch die nächsten Wochen so weitergehen würde. Konnte er seine Wohnung als noch als sein zu Hause bezeichnen? Ja, kannst du DiNozzo. Schließlich bist du noch nicht bei Ziva eingezogen, erinnerte ihn die kleine Stimme in seinem Kopf.
,,Zwanzig Minuten Autofahrt von hier.", antwortete er schließlich.
,,Musstest du erst überlegen wo du wohnst?"
,,So in der Art." Tony lächelte leicht. ,,Wo ist denn die Toilette?" Holly wies auf eine Tür, die geschickt von einem großen Schrank verdeckt wurde.
,,Danke, bin gleich wieder da." Mit diesen Worten verschwand er im Badezimmer.