Stuart

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Die Zeit bis Weihnachten verging wie im Fluge. Remus war bald wieder völlig genesen und Rachel fing tatsächlich an, ihn in ihrem kleinen Fitness-Raum zu trainieren. Auch ließ sie ihn zusehen, wenn sie Dienstags mit ihrem Trainer Judo übte, was er ungemein spannend fand. Schon beim ersten mal wurde ihm schlagartig klar, dass sie tatsächlich absolut in der Lage war, sich zu verteidigen, wenn es darauf ankam. Ihr Trainer war unerbittlich und verlangte ihr alles ab, aber sie war ihm ebenbürtig und Remus konnte am Schluss nicht sagen, wer von beiden sich besser geschlagen hatte.

Das sie nach ihrer Woche Urlaub wieder arbeiten ging, war weniger schön, aber natürlich nötig. In der Zeit, in der er allein war, fühlte er sich einsam und konnte es kaum erwarten, dass sie am frühen Abend wieder nach Hause kam. Oft stand er in der Küche am Fenster, mit einem Tee in der Hand und wartete schon darauf, das sie mit ihrem Auto in der Einfahrt parkte, die Musik immer so laut, dass vermutlich alle Nachbarn ihr Heimkommen auch registrierten. Das war etwas an ihr, was er besonders mochte. Sie tat, was ihr gefiel und scherte sich nicht darum, was die anderen sagten. An den Tagen, an denen sie Zuhause arbeitete, saß er oft ebenfalls in ihrem Arbeitszimmer und lass ein Buch. Anfangs hatte er sie gefragt, ob es sie stören würde, doch sie meinte nur, dass sie seine Gesellschaft sehr mochte. Die Abende verbrachten sie meist gemeinsam auf der Couch, mal mit einem guten Film, aber auch ganz oft einfach nur, um zu reden. Das festigte ihre Freundschaft jeden Tag mehr. Ganz ungezwungen sprach sie mit ihm über alles, was ihr durch den Kopf ging. Und Remus stellte fest, dass es ihm anders herum genauso ging. Es war merkwürdig, aber es kam ihm vor, als würden sie sich schon ewig kennen und wären so etwas wie Seelenverwandte. Immer wieder brachte sie ihn mit ihrer unbekümmerten Art zum Lachen, auch eine Eigenschaft, die er besonders liebte, denn eigentlich hatte er im Leben nie viel zu Lachen gehabt. Mit ihr war das anders. Sie strahlte so eine Lebensfreude aus, dass es einfach ansteckend war. Zwar war sie manchmal auch ziemlich impulsiv, aber sogar das mochte er irgendwie.

Allerdings waren da auch die Momente, in denen er zu spüren meinte, das auch sie ihn vielleicht mehr mochte als sie zugab. Manchmal, wenn sie dachte, er merke es nicht, schien sie ihn zu beobachten. Eines abends war es vorgekommen, dass ihr, während eines recht emotionalen Filmes, plötzlich Tränen über die Wange liefen und ehe Remus sich versah, hatte sie sich eng an ihn gekuschelt und ihren Kopf an seine Schulter gelehnt. Das waren die Augenblicke, in denen es ihm besonders schwer fiel, seinen Gefühlen nicht einfach nachzugeben. Doch alles in allem hielt er sich recht gut, wie er fand, auch wenn es ihn von Tag zu Tag mehr Kraft kostete. Ewig würde er das nicht durchhalten, da war er sicher. Nur was dann?

...

Schneller als ihm lieb war, kam dann der erste Weihnachtstag und damit stand der Besuch bei Rachels Eltern an. Etwas nervös stand Remus im Badezimmer und fuhr sich mit der Hand über den gestutzten Bart. Tatsächlich hatte Rachel noch einen alten Langhaarschneider ihres Bruders aufgetrieben und auch wenn es ein paar Tage gedauert hatte, mittlerweile konnte er ganz gut damit umgehen. Heute jedenfalls war er mit dem Ergebnis zufrieden. Langsam knöpfte er sich das schwarze Hemd zu, welches Rachel aus ihrem unerschöpflichen Vorrat an Klamotten für ihn herausgefischt hatte. Dazu trug er eine blaue Jeanshose. Offensichtlich waren ihr Bruder und Jack früher oft hier zu Besuch gewesen, denn der Kleiderschrank im Gästezimmer war zum bersten gefüllt mit Klamotten der beiden, die sie bei ihrem Umzug nach Amerika kurzerhand hier gelassen hatten. Stuarts Kleidung war ihm viel zu groß, aber Jack und er schienen ungefähr die gleiche Statur zu haben, denn seine Sachen passten ihm wie angegossen.

Unten im Wohnzimmer wartete Rachel schon auf ihn. Als er zur Tür herein kam, sah sie ihn an und zog anerkennend eine Augenbraue nach oben.

„Wow, du siehst toll aus."

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