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In dem Moment platzte Max zur Tür herein. Sie zuckte erschreckt zusammen. Sie hatte ihn nicht kommen hören.

Eilig tupfte sie sich die Augen trocken. Hatte er nicht eigentlich gesagt, dass er bei Julian übernachtete? Sie war sich sicher, sonst hätte sie sich den Wein nicht gegönnt. Was sollte er so von ihr denken? Ihre Vorbildfunktion war wohl gerade tief in den Keller gesunken! Und ihre Bodenständigkeit war gleich mit gewandert.

Allein die Tatsache, heulend vor dem Fernseher zu sitzen, war für sie schon ziemlich strange. Sie war nie nah am Wasser gebaut gewesen. Heulend und betrunken allein vor dem Fernseher zu sitzen, war aber definitiv noch eine Spur weiter daneben. Beschämt bemühte sie sich um Haltung.

Um die Peinlichkeit komplett zu machen: Ausgerechnet heute hatte Julian offenbar beschlossen, sein selbst auferlegtes Besuchsverbot zu unterbrechen. Ihr Herz machte einen Sprung, als sie seinen blonden Haarschopf hinter Max' dunklen Strähnen bemerkte. Aber wahrscheinlich hatten die beiden einfach nicht mit ihrer Anwesenheit gerechnet. Ursprünglich hatte sie ja mal geplant, den Abend mit Dennis zu verbringen. Ungewohnt zurückhaltend folgte Julian ihrem Bruder zögerlich und hielt den Blick betreten auf seine Fußspitzen gerichtet.

Mit drei schnellen Schritten war Max neben ihr und legte beschützend seinen Arm um ihre Schultern: „Schwesterherz, was ist passiert? Wir haben gehört, dass du mit Dennis Schluss hast. Ist es so schlimm?"

Seine Anteilnahme rührte sie, und sie musste sich beherrschen, angesichts der spontanen Fürsorge nicht erneut in Tränen auszubrechen. Sie verzog ihre Mundwinkel zu einem zaghaften Lächeln.

„Quatsch, ich heule doch nicht wegen Dennis. Der Film war nur gerade so traurig. Es ist alles okay, wirklich. Es geht mir gut.  Aber der Buschfunk ist echt mal wieder erstaunlich. Ich hätte nicht gedacht, dass sich das mit Dennis und mir so schnell herum spricht."

„Er war beim Konzert von Julians Band, und da hat er erwähnt, dass er mit dir Schluss gemacht hat." 

Ach ja. Dennis kannte den Schlagzeuger. Das war der Typ, den sie bei ihrem ersten Date getroffen hatten. Wegen dem sie es damals nicht rechtzeitig aus der Burgerbude geschafft hatten und Julian animiert hatten, den Tequila zu kippen.

Ich habe mit ihm Schluss gemacht", stellte sie trotzig richtig. Dass Männer aber auch immer die Tatsachen verdrehen mussten nur um sich selbst keine Blöße zu geben. Sie hätte ihn anders eingeschätzt, aber was wusste sie schon, wie Männer waren, wenn sie unter sich waren und über ihre Frauen herzogen. Verflossene kamen da nie gut weg. Da war so ein simples Fakten-Beschönigen als Frust-Kompensation wahrscheinlich noch harmlos. 

„Hast du etwa die ganze Flasche allein ausgetrunken?" mischte sich Julian unvermittelt ein. Es tat so gut, seine Stimme zu hören. Gegen ihren Willen sah sie auf. Ihre noch leicht verschleierten Augen trafen seinen Blick, der sie sofort gefangen nahm. Wie hatte sie dieses herausfordernde Funkeln in seinen Augen vermisst.

Sie war so froh, dass er endlich wieder mit ihr redete. An der Wahl seiner Worte würde er allerdings noch arbeiten müssen. Gemessen an der Tatsache, dass er bei ihrer letzten Begegnung ein Vielfaches mehr als sie getrunken hatte, fand sie seine Frage dann doch ein wenig unverschämt.

„Das war Wein, der hat nur zwölf Prozent, keine vierzig", gab sie bissig zurück. Okay, das war vielleicht nicht ganz fair, aber sie sah sich im Recht. Julian war wirklich nicht in der Position, ihren übermäßigen Alkoholkonsum anprangern zu dürfen.

„Ich hab' ja nur gefragt..." ruderte er entschuldigend zurück.

„Keine Sorge, Schwesterherz", griff Max schlichtend ein. „Wenn dir schlecht wird, wende dich vertrauensvoll an Julian, diesbezüglich hast du bei ihm ja noch was gut. Vielleicht fühlt er sich dann auch endlich besser, von wegen der ausgleichenden Gerechtigkeit. – Julian, jetzt setz dich, ihr beide habt zu reden. Ich bin dann weg!" Sein bestimmender Tonfall duldete keinen Widerspruch.

Liebe(r) ohne PlanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt