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Beinahe hätte sie es sich noch anders überlegt. Es erforderte ihren gesamten Mut, am Freitagabend nicht zu kneifen. Dreimal würgte sie unterwegs ihren Wagen ab, bis sie ihn holprig auf dem von Wurzeln durchsetzten Randstreifen der engen Seitenstraße zum Stehen brachte. Der Proberaum befand sich in den Kellerräumen des städtischen Kulturzentrums. Das Gebäude war von zahlreichen alten Bäumen umsäumt, die sich im Laufe der Jahre die asphaltierten Flächen zurückeroberten. Der Zugang erfolgte über den großzügigen, fast schon park-ähnlich gestalteten, Hinterhof des Gebäudes.  Eigentlich mochte sie es hier, aber heute hatte sie keinen Blick für die Idylle. Sie fühlte sie sich gerade alles andere als wohl in ihrer Haut.

Mit zitternden Knien stieg sie die Stufen zu dem tiefer gelegenen Eingang hinunter, von dem aus man durch einen schmalen Gang direkt in die Kellerräume gelangte. Am Fuße der Treppe traf sie zwei junge Männer beim Rauchen an und fragte nach Julians Band.

„Ja, die sind jetzt dran." Die Termine hatten sich also tatsächlich nicht geändert. „Rechts den Gang runter und dann gerade durch bis zur letzten Tür auf der linken Seite. Du wirst aber nicht mehr viel hören können, die packen schon zusammen", rief einer der beiden ihr noch hinterher. Umso besser, dann kam sie ja genau richtig.

Ihr Herz schlug bis zum Hals, als sie den Proberaum betrat. Er sah müde aus, das bemerkte sie sofort mit einem Blick.

Julian war sichtlich überrascht, sie zu sehen, aber in seinen Augen blitzte für einen Moment echte Freude auf. Vielleicht war ja doch noch nicht alles verloren.

Sie grüßte in die Runde der vier Musiker, von denen sie außer Julian nur den Typen am Schlagzeug kannte, den Kumpel von Dennis. Dann wandte sie sich an Julian:

„Kann ich dich gleich mal kurz sprechen, wenn ihr hier fertig seid?"

Er nickte. „Okay, gib mir zwei Minuten. Setz dich doch solange." Er deutete auf eine Couch an der Wand. „Was anbieten kann ich dir leider nicht, Getränke sind gerade aus."

Sie blickte zu den Jungs herüber, die schweigend ihre Instrumente zusammenpackten und sie aus den Augenwinkeln interessiert musterten. Plötzlich überkam sie die Nervosität. In der beengten Atmosphäre des schallisolierten Kellerraums fühlte sie sich wie ein Eindringling.

„Ich kann auch draußen warten...", versuchte sie der Enge zu entfliehen. Aber Julian verabschiedete sich bereits von den anderen dreien und geleitete sie ins Freie.

„Also, was gibt es?" fragte er unverbindlich. Nun wirkte er irgendwie distanzierter, fast geschäftsmäßig. Als ob er sich gegen ein ihm bevorstehendes Übel wappnen würde. Sie fragte sich, ob sie sich die Freude, die sie in seinen Augen aufblitzen gesehen hatte, in Wahrheit nur eingebildet hatte.

„Ich wollte mit dir reden", begann sie. „Wollte wissen, wie es dir geht. Du hast ja so lange nichts von dir hören lassen, da haben wir uns Gedanken gemacht."

Sie merkte, dass sie es völlig falsch anging, aber seine zugeknöpfte Art brachte sie vollkommen aus dem Konzept. 

„Wer ist ‚wir'?", fragte er. Sein Tonfall brachte sie zum Frösteln. Unwillkürlich rieb sie die Hände über ihre Oberarme.

„Na, Max und ich." War das denn nicht offensichtlich?

„Also hat er dich geschickt?" Sein Blick wurde endgültig verschlossen.

„Nein, er weiß nicht, dass ich hier bin", versuchte sie ihn zu beruhigen. Sie zögerte. „Es war Lisas Idee", gab sie nach einigem Überlegen zu. Das behagte ihm allerdings scheinbar noch weniger.

„War ja klar, wessen auch sonst?", kommentierte er sarkastisch und nun sichtlich genervt. „Also ich versichere dir, es geht mir bestens und keiner braucht sich Sorgen zu machen. Reicht das?"

Liebe(r) ohne PlanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt