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Das hartnäckige Klingeln des Festnetztelefons riss sie aus dem Schlaf. Einen Moment lauschte sie Julians gleichmäßigen Atemzügen und versuchte, das Geräusch im Hintergrund zu ignorieren. Es gelang ihr nicht. 

Widerwillig gab sie sich geschlagen. Der Anrufer gab ja doch keine Ruhe. Sie löste sich vorsichtig aus seinen Armen, schlug die Bettdecke zurück und fügte sich ihrem Schicksal. Der Helligkeit nach zu urteilen wurde es ohnehin bald Zeit zum Aufstehen. So sehr sie sich auch wünschte, dass diese Nacht niemals endete, sie musste der Realität ins Auge sehen.

Schlaftrunken stolperte sie ins Wohnzimmer und hob das Telefon von der Ladestation. "Schmidt", krächzte sie verhalten und räusperte sich verschlafen, während sie mit dem Mobilteil am Ohr in Richtung Küche wankte.  Augenblicklich brannte sich die besorgte Stimme von Frau Weyers wie Feuer in ihr Ohr:

„Sabrina, gut, dass ich dich erreiche. Sag mal, ist Julian bei euch? Du wolltest doch gestern noch mit ihm sprechen. Jetzt ist er die ganze Nacht nicht nach Hause gekommen, und sein Handy hat er auch ausgeschaltet. Das passt gar nicht zu ihm. Er ist sonst noch nie weggeblieben ohne mir wenigstens kurz Bescheid zu geben."

Sie fasste sich an den Kopf. Wie konnte sie so blöd sein? Das hatte sie völlig vergessen. Daran, dass Julian sich vielleicht zu Hause abmelden musste, hatte sie gestern keinen einzigen Gedanken verschwendet. Oder vielmehr war sie davon ausgegangen, dass seine Eltern ohnehin daran gewöhnt waren, dass er auswärts schlief.

Frau Weyers hatte am Vortag nichts von Max' und Julians vorübergehendem Freundschafts-Bruch gewusst. Daher hatte sie angenommen, dass er seinen Eltern gegenüber regelmäßig vorgegeben hatte, weiterhin wie früher üblich bei Max zu nächtigen, und sich so zu Hause gewisse Freiheiten verschafft hatte.

„Keine Panik, er ist hier", beeilte sie sich zu sagen. „Möchten Sie ihn sprechen? Ich glaube, er schläft noch, aber ich kann ihn wecken."

Das Blut war ihr in die Wangen geschossen und eine Hitzewelle stieg in ihr auf. Ihre Handflächen waren so feucht, dass ihr beinahe der Hörer aus den Fingern glitt. Fast hoffte sie, dass seine Mutter ihrem Vorschlag zustimmte und ihr damit Gelegenheit gab, das Gespräch an Julian weiterzureichen. Sie gönnte ihm zwar keineswegs die zu erwartende Standpauke, fühlte sich aber erneut und zum wiederholten Mal von seiner Mutter bei einem eigenen Vergehen ertappt und hätte viel darum gegeben, der Situation entfliehen zu können. Sie kämpfte auch so schon mehr als genug mit ihrem eigenen Gewissen.

Nur gut, dass Frau Weyers nur anrief und nicht gleich persönlich bei ihnen auf der Matte stand. Auf die Entfernung ging sie jetzt selbstverständlich davon aus, dass ihr Sohn in Max' Zimmer oder auf der Couch im Wohnzimmer schlief, anstatt in ihrem Bett. 

„Nein, schon gut. Er soll sich melden, wenn er wach ist. Was hat er denn zu den Drogen gesagt?"

Ja, was hatte er gesagt? Noch gar nichts, genau genommen. Irgendwie waren sie gestern ziemlich schnell vom Thema abgekommen.

Julian hatte zwar mehr oder weniger zugegeben, die Tabletten wissentlich mitgeführt zu haben, aber viel weitergehender hatte er sich nicht dazu geäußert. Das würde seine Mutter aber jetzt wohl kaum zufriedenstellen. Sie zermarterte sich verzweifelt das verschlafene Hirn nach einer adäquaten Antwort.

„Wir haben gestern noch nicht wirklich darüber gesprochen", gab sie schließlich zu.

Das war eine durchaus ehrliche Antwort, die sich nur deshalb wie eine Lüge anfühlte, weil sie seine Mutter über die wahren Gründe, die das Gespräch verhindert hatten, im Unklaren ließ. Frau Weyers dachte nun wahrscheinlich, dass sich die Gelegenheit, das Thema anzusprechen, für sie noch gar nicht ergeben hatte.

Liebe(r) ohne PlanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt