1. Aller Anfang ist weiß

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Dunkelheit.

Wo war ich?

Verschwommene Formen flickerten vor meinen Augen.
Ich hörte eine Stimme, die hastig etwas rief... (ein Versprechen?), sah kurz ein leuchtendes, helles Blau - dann übernahm die Dunkelheit wieder alles andere.

Was war passiert?

Das Wissen entglitt mir als ich danach suchte und rann durch die Löcher in meinen Erinnerungen wie Wasser.

Alles was ich fand war Kälte.

Bewusstsein kam nur langsam zu mir, aber diese Kälte spürte ich noch bevor ich völlig wach war. Sie schien mit eisigen Fängen in meine Haut zu beißen, ein Dämon der mich verfolgte...

Nicht gerade ein angenehmes Gefühl, das kann ich dir sagen.

Schlagartig wurde mir klar, dass ich keinen blassen Schimmer hatte, wo ich mich gerade befand.
Hastig, aber mit einiger Anstrengung schlug ich die Augen auf um den nächstbesten Menschen zu fragen was hier los war. Doch statt einer Person grüßte mich nur ein Windstoß, der mir eine dicke Ladung Schneeflocken direkt ins Gesicht schleuderte. Reflexartig schloss ich meine Augen wieder und wischte schnell die halb geschmolzene Masse weg. Ich schauderte als mir daraufhin noch kälter wurde. 

Warte mal.
Wieso war hier Schnee?

Ruckartig setzte ich mich auf.
Vorsichtig öffnete ich meine Augen wieder, nur einen Spalt breit dieses Mal, und wartete auf noch mehr böse Überraschungen. Als zu meiner Erleichterung nichts schlimmeres passierte, stützte ich mich auf den nachgiebiegen Untergrund und zwang meinen protestierenden Körper auf zwei Beine. Ängstlich und doch neugierig betrachtete ich meine Umgebung - und sah nur Schnee, Schnee so weit das Auge reichte.

Wo war ich?
Wo waren die Menschen?

Alles was ich sehen konnte war das blendende Weiß in meinem Umfeld...
Und davon auch nicht sehr viel, denn dicht fallenden Schneeflocken ließen mich nur knappe zwei Meter weit sehen.

Meine Hoffnung schwand als ich meine Situation betrachtete:
Es war kein Mensch in Sicht und nicht einmal der Himmel erkennbar hinter dichten grauen Wolken. Auch war mir so kalt dass inzwischen mein ganzer Körper zitterte. Ich war allein, völlig allein, und obendrein ohne den geringsten Schimmer, wie ich hierher gekommen war.

Als hätte man einen Schalter umgelegt, wandelten sich bei diesem Gedanken meine Verwirrung zur wütenden Hysterie um.
Hier war ich vor meiner mysteriösen Ohnmacht ganz bestimmt nicht gewesen! Ich war ehrlich empört.
Ich könnte mich zwar nicht erinnern wo ich kurz vorher gewesen war, aber ich ich lebte in einer Stadt, in einer Region ohne Berge oder Hügel. Es war Sommer, verdammt noch mal, da schneite es nicht!
Hatte man mich in die Berge oder gar Arktis gebracht?
Nein... ich war doch nicht so lange bewusstlos gewesen! Meine innere Uhr beharrte schließlich darauf, dass ich nicht mehr als ein paar Stunden 'geschlafen' hatte. Außerdem wäre es doch unmöglich mich so weit weg zu schaffen, ohne dass ich zwischendurch auch nur einmal aufgewacht wäre! Und überhaupt, wieso sollte man mich hierher bringen, ohne mir auch nur warme Kleidung zu geben?
Ich war mittlerweile schon halb durchgefroren, denn mein T-Shirt und kurze Hose konnten nicht viel vor der Kälte bewahren.

Wollte mich jemand umbringen?
Die Idee machte mir Angst. Kurz übernahm Panik meine Entrüstung - dann fand ich die logischen Ungereimtheiten und meine Wut kehrte zurück. Wenn mir jemand wirklich schaden wollte, hätte derjenige sich ganz bestimmt nicht die Mühe gemacht mich unversehrt irgendwo außer Landes zu schaffen! Außerdem konnte ich erst seit ein paar Minuten hier sein, sonst wäre ich schon längst erfroren.

Warte...

Das hieße doch das noch jemand hier in der Nähe sein musste!
Vielleicht... wartete sogar jemand auf mich?
Ja genau... das hier war bestimmt nur ein Missverständnis an das ich mich nur nicht erinnern konnte!
Der verzweifelte Gedanke gab mir genug Kraft um mit meiner heiseren Stimme ein krächzendes "Hallo?" in den tobenden Sturm zu senden.
Hoffnungsvoll wartete ich auf eine Antwort - aber nichts passierte. Angestrengt starrte ich das Schneetreiben vor mir, als würde es meine Rettung nur verstecken und sie herausrücken wenn ich es lange genug mit starren Blicken durchlöcherte.
Wie ihr euch vorstellen könnt funktionierte es nicht sehr gut.

Bevor ich aber noch etwas anderes probieren konnte, verschwamm mein Blickfeld und ich stolperte nach vorne. Mit Entsetzen stellte ich fest, dass ich meine Beine kaum noch fühlen konnte. OK, nicht gut, gar nicht gut.
So gerne ich auch auf eventuelle Hilfe gewartet hätte, wusste ich doch dass ich in nicht allzu kurzer Zeit erfrieren würde.
Ich brauchte Wärme. Schnell. Angetrieben von meiner Angst fing ich an zu laufen, was sogar etwas half, aber nicht viel. Meine nutzlosen, halb gefrorenen Beine erstarrten manchmal während eines Schrittes, aber ich brachte sie jedes Mal irgendwie weiter.
Ok, ok.
Meine Gedanken rasten.
Wieso war ich hier?
Wo war 'hier'? Gab es hier irgendwo einen Unterschlupf?
Wie viel Zeit hatte ich noch bis ich erfror?
Es jagte mir Schauer über den Rücken als ich an meinen immer wahrscheinlicher werdenden Tod dachte, obwohl ich mir nicht sicher sein konnte ob es doch nur der eiskalte Wind war.
Ich war vielleicht kein Experte, aber ich wusste sehr wohl was zu lange Kälte dem menschlichen Körper antat. Mir würden zuerst die Zehen und Finger abfrieren... würden sie blau oder rot werden? Oder schwarz? ...Darüber sollte ich lieber nicht zu genau nachdenken.

Ein besonders schlimmer Zitter-Anfall brachte meinen Geist schließlich zurück zur Wirklichkeit.
Der Schnee hatte mittlerweile meine Kleidung vollkommen durchnässt, sodass mich ihr Gewicht zusätzlich verlangsamte, und ich kämpfte um jeden mühseligen Schritt durch die knietiefe Schneeschicht. Immer wieder stolperte ich dabei über seltsam glatte Kanten, schaffte es aber, nicht zu stürzen.

Wenn ich nicht langsam irgendwo einen Unterschlupf fand war ich so gut wie begraben. Und zwar unter einer gut zwei Meter dicken Schneeschicht.

Also beobachtete ich den Schneewirbel um mich herum. Ich suchte nach irgendeinem Anzeichen von Licht, Menschen oder einfach nur einer Behausung. Irgendetwas.

Während ich so meinen Pfad durch die immer höher werdenden weißen Hügel schlug, schien das Universum zu beschließen dass meine Situation noch nicht aussichtslos genug war. Wie um mich zu verspotten wurde der Wind noch stärker, und Taubheit kroch noch höher in meinen Gliedern. Ich fluchte unterdrückt als ich einen Arm vor mein Gesicht halten musste um es vor einem besonders eisigen Windstoß zu schützen. Die Schneeflocken jagten jetzt mit stetig wachsender Geschwindigkeit an mir vorbei und stachen wie Nadel wenn sie auf meine Haut trafen. Wenn das vorher kein Schneesturm gewesen war, dann war es jetzt definitiv einer. Noch schlimmer konnte es nicht werden!

...Und das war der Moment in dem alles vom steilen Hang direkt in die Tiefe stürzte. Wortwörtlich.
Ein Schritt zu viel und plötzlich gab es keinen Boden mehr. Panik schoss wie Feuer durch meine Adern während meine verzweifelnden Gedanken zu einem abrupten Halt kamen. Ruckartig sackte ich ab, versuchte mich festzuhalten, bekam aber nur nachgiebigen Schnee zu fassen. Immer weiter rutschte ich ab! Mit einem letzten verzweifelten Aufschrei griff ich nach der Kante - und erreichte sie nicht.
Das letzte was ich von der Oberwelt sah war wirbelndes, einsames, eiskaltes Weiß.

Verkehrte Welt (Minecraft ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt