Müde und erschöpft schreibe ich die letzten verschnörkelten Worte in den Bericht über die neuen offiziellen Änderungen im Haushaltsplan von Calia und lege dann seufzend die Feder zur Seite. Meine rechte Hand schmerzt und ich massiere sie ein paar Minuten lang mit der Linken. Ich habe nicht die Hände meines Vaters. Sie sind nicht so groß und knubbelig wie seine, nein, wenn ich seinen Worten glauben kann, dann habe ich die zierlichen, feingliedrigen Hände meiner Mutter. Aber wir beide haben die Hände eines Schreibers. Schwielen dort, wo die Feder aufliegt. Eine Narbe, wo man sich geschnitten hat – beim Anspitzen der Feder oder Zurechtschneiden der Papierbögen. Und die Flecken. Schwarze Tinte, blaue Tinte. Gerade jetzt, wo ich wieder ein Schriftstück beendet habe, sind meine Fingerkuppen tiefschwarz gefärbt. Es sind nicht die Hände einer feinen Dame, wie meine Schwestern sie besitzen. Es sind die Hände eines Menschen, der flüchtige Worte für immer auf ein Papier bannen kann.
Ich ziehe meinen Wollschal enger um die Schultern. Es ist kalt geworden in der Kammer meines Vaters. Im Kamin glimmt nur noch schwach der letzte Rest einer Glut. Es ist nicht selten, dass ich bis in die Nacht hineinarbeite, um die Aufträge zu schaffen, die mein Vater bekommt. Ich sitze oft in der Dunkelheit seines Zimmers, nur mit einer Kerze, die das Blatt Papier vor mir beleuchtet. Wüsste er, dass ich bis spät aufbleiben muss, würde er sich ohne Zweifel aufregen. Doch er hat einen festen Schlaf.
Ein leises Klopfen an der Tür reißt mich aus meinen Gedanken. Kurz darauf steckt Margot den Kopf in den Raum und meint leise: „Ich habe Ihnen einen Tee gemacht, Fräulein Martha." Ich lächele dankbar und winke sie herein. Sie stellt das Tablett auf den kleinen, überladenen Tisch neben dem Schreibpult, an dem ich sitze und knickst dann. „Danke, Margot", sage ich und schließe meine kalten Finger um die dampfende Tasse. Das Hausmädchen, dass man inzwischen aufgrund ihres Alters und ihres Arbeitsspektrums eigentlich gar nicht mehr als solches bezeichnen kann, knickst und entfernt sich Richtung Tür. Kurz bevor sie das Zimmer verlässt, dreht sie sich noch einmal zu mir um.
„Sie wissen, was ich davon halte, dass Sie so spät noch auf sind, Fräulein." Ich nicke seufzend. „Ich weiß, Margot. Aber mein Vater..." „Ihr Vater würde mir ein Donnerwetter halten, das sich gewaschen hat, wenn er wüsste, dass ich Nacht für Nacht zulasse, dass seine Tochter arbeitet und ich ihr nur Tee bringe, statt sie ins Bett zu schicken."
Ich nicke nur. Margot ist über die Jahre zu einer guten Freundin geworden. Sie war die Einzige, bei der ich mich immer darauf verlassen konnte, dass sie blieb. Ich war zwölf, als meine älteste Schwester Esther als Hofdame an den Hof ging. Das war vor acht Jahren. Esther war damals mit siebzehn die Herrin des Hauses gewesen, der frühe Tod meiner Mutter hatte sie dazu gemacht. Mein Vater, schon immer ein schwieriger und ungeselliger Mensch, hatte sie ziehen lassen und weiter sein Einsiedlerdasein gelebt. Ich liebe meinen Vater über alles. Esther hingegen war für mich immer eine sehr strenge, unnahbare Person gewesen. Vielleicht hatte ich ihr Fortgehen deshalb so gut verkraftet. Vor drei Jahren, als Esthers Hofdamen-Schwester ging, folgte meine ältere Schwester Henna ihr an den Hof. Henna hatte ich immer schon sehr geliebt. Sie war eine unbeschwerte, lebenslustige Frau und jeder musste sie gernhaben. Doch wann immer sie in den letzten drei Jahren kurz zu Besuch gekommen war, es war nie dasselbe gewesen wie früher. Sie strahlte auf einmal eine Zurückhaltung aus, die ich nicht von ihr kannte. Jeder ihrer Schritte wurde bewacht und begleitet. Und daran zerbrach die Beziehung zu meiner Schwester nach und nach.
Ich sehe wieder zu Margot. Sie ist mit ihren 33 Jahren wie eine Schwester, Freundin und Gouvernante zusammen. Angesichts des strengen Blickes, den sie mir zuwirft, muss ich unwillkürlich lächeln. „Ich gehe gleich ins Bett, Margot. Du kannst jetzt auch schlafen gehen." Sie knickst. „Ich nehme Sie beim Wort, Fräulein." Das Hausmädchen verlässt die Kammer und schließt die Holztür hinter sich.
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Die Hofdame
Historical FictionDas Königspaar von Calia ist tot. Der Kronprinz ist durch einen gerichtlichen Prozess seines Amtes enthoben. Sein jüngerer Bruder wartet darauf, die Regentschaft anzutreten. In dieser Situation wird Martha Griffel von ihren Schwestern an den königl...