Kapitel 17 - Martha

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Seit einer gefühlten halben Stunde sitze ich auf einem kleinen Hocker an der Frisierkommode und lasse Bettina meine Haare verunstalten. Ein Blick in den Spiegel zeigt mir, dass sie Strähne für Strähne in kleine Löckchen gezwirbelt hat und an meinem Kopf feststeckt. Ich fühle mich ein kleines bisschen wie ein Pudel. Zugegebenermaßen – meine Zofe ist schlau. Sie hat mich im Halbschlaf hier platziert und meine Übermüdung dazu genutzt, mich von einer Frisur zu überzeugen, der ich sonst niemals zugestimmt hätte.

Zum wiederholten Mal muss ich gähnen. Der Ball war wirklich lang gewesen. Die Feier erstreckte sich bis in den Morgen und als ich dann endlich im Bett lag, konnte ich nicht schlafen. Zu viele Gedanken schossen mir durch den Kopf. War es richtig gewesen, sich mit Prinz Titus zu verbünden? Wie groß ist das Risiko, dass Eventus auf mich aufmerksam wird? Ist mein Geheimnis in Gefahr, das meines Vaters? Habe ich überhaupt die Macht und die Möglichkeiten, das Adelsregister zu beschaffen?

Tatsächlich fiel auch nach längeren Überlegungen die Entscheidung, Titus zu helfen. Auf dem Ball hatte ich aus meinem Bauchgefühl heraus Zusagen gemacht und mein Bauchgefühl erwies sich als richtig. Ich bin noch nie die einfachen Wege gegangen, die, welche die Gesellschaft vielleicht als richtig erachtet hätte. Aber meine Überzeugung, dass die Erkenntnisse, die ich erlange, zu irgendetwas gut sein müssen, hat mich stets darin bestärkt, meine eigenen Wege zu gehen. Ich kann nicht jahrelang in einem Palast leben, tagaus tagein den langweiligen Pflichten einer Hofdame nachgehen, während vor meinen Augen Unrecht geschieht. Wenn es etwas an meiner Stellung gibt, was mir Motivation sein könnte, sie auszuüben, dann ist es ehrenvolles Handeln und vorbildliche Moral. Und auch wenn ich nicht so sehr von mir selbst überzeugt bin, dass ich mir anmaße, beides in Fülle zu besitzen, so beginnt Moral bei mir mit den Entscheidungen, durch die ich Achtung vor mir selbst empfinden kann. Und das ist der Grund, warum ich etwas tun muss.

Die detaillierteren Fragen sind da allerdings ein ganzes Stück schwieriger zu beantworten. Wo kann Eventus das Register überall aufbewahren? Wie viele Räume bewohnt er? Wie komme ich in den Raum, in dem das Buch ist? Wie erreiche ich, dass er das Fehlen nicht bemerkt? Zu viele Fragen auf einmal nach einer zu kurzen Nacht. Ich seufze.

„Alles in Ordnung mit Ihnen, Marlene?" Bettina hält besorgt in ihrem Frisurenkunstwerk inne. „Aber natürlich", beruhige ich sie. „Ich hatte bloß nicht viel Schlaf." Meine Zofe lächelt. „Aber für die Anerkennung, die Sie bekommen haben, hat es sich doch gelohnt, oder nicht? Die Lakaien, die gestern die Getränke gereicht haben, erzählen heute Morgen in der Küche, wie viel Aufmerksamkeiten Sie genossen haben. Und ich bin mir sicher, dass auch Prinz Eventus Sie sehr schätzt, schließlich haben Sie schon viele Unterhaltungen mit ihm geführt." Ich nicke leicht. „Ja, natürlich hast du Recht."

Ich bin überrascht, worüber so alles geredet wird bei den Dienstboten. Dass sie bei einem Ball überhaupt noch den Überblick behalten können, um zu bemerken, wie gut ich mich eingliedere, oder dass Bettina weiß, dass ich mehrfach mit Prinz Eventus gesprochen habe und nicht nur das eine Mal, wo er hier gewesen ist. Und plötzlich kommt mir eine Idee. Wenn sie so viel über mich wissen, dann doch bestimmt noch mehr über Eventus. Wo er wohnt, wie er wohnt, wie gut welche Räumlichkeiten von ihm bewacht sind.

„Sag mal, Bettina", beginne ich vorsichtig und unsere Blicke treffen sich im Spiegel, als sie aufblickt. „Ja, Marlene?" Ich räuspere mich nervös. „Ich habe mich schon immer gefragt, wie die königliche Familie eigentlich so wohnt. Allein meine Räumlichkeiten sind ja schon groß und reich ausgestattet und dann hat Prinz Eventus noch das Studierzimmer, das er ganz allein nutzt. Wie viele Räume kann ein einzelner Mensch eigentlich nutzen?" Gut, zugegeben, meine Frage ist schon auffällig direkt gestellt. Aber zum Glück schöpft meine Zofe keinen Verdacht. Anscheinend liebt sie Klatsch und Tratsch, denn ihre Augen leuchten und die Informationen fangen an, nur so aus ihr herauszusprudeln.

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