Teil 027: Das Ritual

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Der Montag verspricht, ein heißer Tag zu werden, und Annika schlüpft schnell in ihr blassgelbes kurzes Sommerkleid, bevor sie mit Derek zum Bus rennt. Sie werden sich den ganzen Tag in der Uni nicht sehen können und haben den Morgen entsprechend leidenschaftlich begonnen. Nun sitzen sie händchenhaltend und brötchenkauend nebeneinander und fahren in die Stadt, verabreden sich für den Nachmittag, um gemeinsam Annikas Eingangsuntersuchung hinter sich zu bringen und verabschieden sich mit einem letzten, sehnsuchtsvollen Kuss.

Annikas Tag vergeht recht zügig zwischen Praktikum, Seminaren und Träumereien von Derek, mit dem sie ab und zu heimlich unter dem Tisch Nachrichten schreibt, und bald ist die letzte Veranstaltung heran. Im Vorlesungssaal ist es angenehm kühl und sie nimmt erleichtert ihren Stammplatz ein. In Gedanken schüttelt sie noch den Kopf über den Typen, der ihr draußen hinterhergepfiffen hat. Wirklich? Das ist ihr vorher noch nie passiert. Dann redet der Dozent auch schon drauflos und sie  lässt den Pfeifer erstmal Pfeifer sein. Nach ein paar Minuten merkt sie, dass sie das Meiste schon aus der Schule kennt, ist ja auch noch die Grundlagenvorlesung, und schweift gedanklich allmählich wieder ab... Derek... das vergangene Wochenende... Sie konnten einfach nicht die Hände voneinander lassen. Es war, als wäre etwas in ihr erwacht, das nur darauf gewartet hatte, endlich loslegen zu können. Jedes Mal, wenn Derek sie genommen hatte, ging es leichter und fühlte sich noch besser an als die Male davor. Und nachdem sie dann schwitzend, grinsend und erschöpft wieder etwas zu Atem gekommen waren, ging es ab in den See, einfach so, nackt wie sie waren... bis sie knutschend auf ihren Handtüchern lagen und dann doch lieber wieder hineingingen, als auf der Wiese zu vögeln. Selig lächelnd träumt sie vor sich hin, bis sie neben sich ein leichtes Schmatzen hört. Grinsend beobachtet sie aus dem Augenwinkel, wie sich neben ihr ein Pärchen küsst. Hm, sogar ziemlich heftig und die Hände sind auch schon unter die Klamotten gewandert. Wie schön, dass auch andere sich so lieben wie Derek und ich, dass sie nicht die Finger voneinander lassen können. Wenn Derek nur hier wäre... Sie schickt ihm ein Kuss-Smiley.

Der Dozent hüstelt irritiert, wann immer er die beiden Turteltauben ansieht, aber offenbar ist es ihm so peinlich, dass er gleich wieder weg sieht. Annika wünscht ihm von Herzen, dass er auch jemanden hat, den er liebt. Mit den Beiden neben sich kann sie sich jedenfalls auch nicht mehr konzentrieren und tagträumt von ihrem Liebsten und was sie alles jetzt mit ihm tun könnte.

Der Typ von neulich sitzt auch wieder rechts vor ihr. Sag mal, spielt der schon wieder an sich rum? Sieht ganz so aus. Warum kommt der überhaupt in die Vorlesung, wenn er sich dann doch nur einen runterholt? Wobei... ich sollte lieber ruhig sein, ich höre auch nicht mehr zu, seit ich Derek kenne... und scharf bin ich auch schon wieder, grinst sie in sich hinein, als Derek zurückfragt: „Wohin? 😏"

Schließlich ist die Vorlesung aus und nachdem sich die beiden neben ihr entwirrt haben, kann sie ihren Platz auch verlassen. Auf der Treppe wird sie plötzlich gerufen. "Ähm, Du... Du bist Annika, richtig?" Sie nickt ihrem Kommilitonen zu, der sich nervös durch seinen braunen Kurzhaarschnitt fährt und seine Tasche an den Bauch presst. Tobi heißt er, wenn sie sich nicht irrt. Sitzt meistens links vor ihr. "Du bist gut in dem ganzen Mathe-Kram, oder?" Sie nickt wieder. Er leckt sich nervös die Lippen. "Also, ähm, meinst Du, naja, wir könnten mal zusammen lernen oder so?" bringt er heraus. Es erinnert sie dermaßen an sich selbst, wie sie vor Derek saß und ihn gefragt hat, ob sie nun zusammen wären, dass sie sich zusammenreißen muss, um nicht loszulachen. Dass ihre Augen grüne Funken sprühen, kann sie aber nicht verhindern, als sie sich leicht vorbeugt und schnurrt: "Wirklich nur lernen, Tobi?" Seine Augen springen kurz zum Ausschnitt des Kleides, der gefährlich locker fällt. Er schluckt hart und presst seine Tasche noch fester an sich. "Ähm, also, wir können auch mal zusammen essen gehen?", quiekt er förmlich und sofort tut er ihr leid. Er sieht ganz niedlich aus und wenn sie nicht Derek hätte, dann wäre sie bestimmt mit ihm ausgegangen. "Ach Tobi", murmelt sie leise und schlägt die Augen nieder, "das tut mir so leid, aber aus dem Date wird nichts, ich bin vergeben. Ich hätte das nicht fragen sollen... Willst Du trotzdem, dass ich Dir mit Mathe helfe?" Vorsichtig blickt sie ihm in die Augen. Er sieht enttäuscht aus, aber auch etwas erleichtert, irgendwie. "Hab ich mir schon gedacht... Hätt' ich wohl schneller checken sollen, wie hübsch Du bist. Naja, ähm, fragen kostet nichts, oder?", versucht er, den peinlichen Moment zu überspielen. „Aber ich denke, ich könnte Deine Hilfe wirklich brauchen... Also: Freunde?", fragt er und hält ihr die Hand hin. Grinsend schlägt sie ein: "Freunde! Und Du hilfst mir mit Latein." Auf dem Weg nach draußen tauschen sie Telefonnummern und verabreden sich für später in der Woche zum Lernen.

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