.IV. 19 Jahre zuvor

2.7K 227 13
                                    

Darvin betrat den Toilettenraum und fand Jeremy vor, der einfach nur auf dem Boden saß und die Wand anstarrte.

Er sah übel zugerichtet aus und auch so, als hätte er ein paar kleine Tränen vergossen.

Darvin konnte sich schon vorstellen, was da wohl vorgefallen war.

Er ging seufzend zu Jeremy und kniete sich vor ihn.

Die beiden hatten eigentlich nicht wirklich viel miteinander zu tun, bis auf das, dass sie in dieselbe Klasse gingen und ins Schwimmteam der Schule.

Darvin war so ziemlich der einzige der Jungs, der Jer nicht mied, aber er suchte auch den Kontakt nicht zu ihm. Bis jetzt.

„Hei" Vorsichtig legte er die Hand auf Jeremys Knie, der aus seiner Starre aufzuwachen schien.

Verwirrt blinzelte er, als er Darvin ansah.

„Alles okay?"

Dumme Frage, Darvin, es war nicht alles okay. Das sah man doch.

Jeremy aber nickte nur stumm und ließ sich von Darvin auf die Beine ziehen.

„Waren das Elijah und seine Jungs?"

Jeremy schüttelte den Kopf. „Elijah hat nichts gemacht. Er hat sie sogar aufgehalten."

Das konnte Darvin sich denken. Elijah tat zwar immer so auf großer böser Wolf, doch ganz ganz ganz ganz tief in seinem Inneren steckte ein lieber Junge, den er aber nur den wenigsten zeigte.

„Ein bisschen spät", stellte Darvin fest, als er die Platzwunde am Jochbein von Jeremy betrachtete.

Er sah in den Spiegel und seufzte schwer.

Ein so hübscher Junge konnte durch ein paar Schläge und Tränen richtig entstellt werden.

Er versuchte wenigstens seine Haare zu richten und Darvin sah ihm dabei zu.

„Vielleicht solltest du die nächste Zeit in meiner Nähe bleiben, damit ich auf dich aufpassen kann", schlug Darvin vor.

Jeremys Blick war überrascht. „Wieso? Keine Angst, dass ich dich anstecke?"

Darvin musste leicht lachen und sah sich um. Die Türen der Toiletten waren alle offen, also waren sie allein hier drin. Das ließ Raum für vertrauliche Gespräche.

„Nein, Jeremy, habe ich nicht. Bin nämlich schon infiziert" Dabei musste er leicht grinsen.

Zuerst stand Jer auf dem Schlauch, aber dann wurden seine Augen ganz groß und er sah Darvin überrascht an.

„Und wieso macht dich keiner fertig? Also nicht, dass ich es dir wünschen würde, aber..."

„Weil es keiner weiß, ganz einfach. Im Gegensatz zu dir küsse ich nämlich keine Männer in der Öffentlichkeit und oute mich auch nicht. Ich verstecke zwar nicht, was ich fühle, aber ich reibe es auch keinem unter die Nase. So ist es am einfachsten."

„Das wollte ich auch versuchen", murmelte Jer.

Darvin seufzte schwer und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Dafür ist es jetzt schon zu spät, Kleiner. Die haben dich schon auf dem Kicker. Aber Elijah hört ganz gut auf mich, also komm einfach zu mir, wenn er mal wieder hinter dir her ist, okay?"

Er nickte. „Danke. Und danke wegen letztens im Klassenzimmer, als du ihm gesagt hast, dass er mich in Ruhe lassen soll. Das war echt nett"

Darvin nickte lächelnd. „Das war nicht nett, sondern nötig. Und jetzt wasch dir das Gesicht und reiß dich zusammen, wir wollen doch nicht, dass diese homophoben Arschlöcher ihr Ziel erreichen, mh?"

Jer nickte und tat es.
Als er sich das Gesicht abtupfte, zuckte er vor Schmerz zusammen, warf das Papier dann wütend in den Mülleimer und sah sich erneut im Spiegel an.
„Die sind doch nur neidisch", stellte er dann fest. „Weil ich so hübsch bin und die kein Typ mit der Kneifzange anfassen würde"

Er reckte das Kinn, was Darvin zum Lachen brachte. „Das denke ich mir jedes Mal, wenn sie nur ein schlechtes Wort über dich verlieren."

Jeremy war aufgemuntert und so konnte er zum erstem Mal an diesem Schultag einen Kurs besuchen, während Darvin zurückblieb und seiner ursprünglich geplanten Tätigkeit auf der Toilette nachkam.

Als Jeremy das Klassenzimmer betrat, erhielt er erstmal überraschte, aber auch höhnische Blicke, er musste sich eine Standpauke anhören, ehe er sich zu Helen setzen konnte, die ihn sofort besorgt musterte.

„Scheiße, bist du deshalb gestern nicht nachhause gekommen?", zischte sie ihm zu, in Bezug auf sein verunstaltetes Gesicht.

Er schüttelte den Kopf. „Ich war die Nacht über bei Colben. Aber Elijahs Jungs haben mitbekommen, wie er mich vorhin geküsst hat und naja, du siehst es ja selbst"

Helen knurrte wütend. „Na warte, den mach ich fertig"

Sie wollte mitten im Unterricht aufstehen und auf Elijah losstürmen, aber ihr Bruder hielt sie fest. „Mach mal halb lang. Elijah kann dich einfach wegschnipsen wie eine Fliege, okay? Ich will nicht, dass du dich da einmischst."

Helens Temperament war nicht einfach zu zügeln, doch ihrem Bruder zu Liebe gab sie sich Mühe und nickte schnaubend wie ein Ochse.

„Aber ich werde Alina sagen, dass ihr Freund ein Arschloch ist", murmelt sie noch.

Ach ja, die liebe Alina. Was sah sie bloß in Elijah? Vermutlich wollte sie einfach nur die Berühmtheit, die er als Captain der Schwimmmannschaft innehatte.

Jeremy jedenfalls konnte sich nicht vorstellen, wie man jemanden wie Elijah oder einen seiner Gorillas lieben konnte.

Aber er merkte auch nie, dass sein Herz in Elijahs Anwesenheit nicht so schnell schlug, weil er Angst vor Elijah hatte, sondern aus einem anderen Grund.

Only mortal (Boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt