22. Austin: Vergangenheit

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Ja okay, ich war nervös.

Aber man wurde nicht alle Tage von dem Vater des Jungen eingeladen, dem man die Heilung verweigert hatte, um zu „reden".

Wahrscheinlich wollte er mich entweder zusammenschlagen lassen oder mich bestechen, es doch zu versuchen.

Wenn sich Jay noch immer so sicher war, wie am Anfang, dann würde ich es tun. Boris hatte schon irgendwie Recht, es war ja nicht mein Leben, also auch nicht meine Entscheidung. Und wenn ich helfen konnte, wieso sollte ich es dann nicht tun? Den Konsequenzen war sich Jay nach unseren Streit mit Sicherheit bewusst, das hieß, es lag nicht mehr in meiner Verantwortung...

Die Haustür, vor der ich stand, öffnete sich und Jays hübscher Vater stand mir gegenüber. „Danke fürs Kommen" Er ließ mich eintreten.

„Danke für die Einladung", erwiderte ich.

Wir standen uns gegenüber, nachdem er die Tür geschlossen hatte und sahen uns an, bis es so richtig unangenehm und peinlich wurde. Er räusperte sich und sah als erster weg.

„Also... Du erinnerst dich an echt nichts von vor deinem Tod oder?"

Ich schüttelte den Kopf. „Woher wissen sie das?"

Er seufzte und winkte mich mit sich. „Komm erstmal rein."

Ich folgte ihm in den offenen Ess-, Koch- und Wohnbereich. Er setzte sich aufs Sofa und deutete mir, ebenfalls Platz zu nehmen.

„Ich würde dir ja was zu trinken anbieten, aber Blut habe ich keins da"

„Schon gut, ich bin auf dem Weg hierher einer Jungfrau begegnet und hab sie ausgetrunken. Guter Snack für zwischendurch."

Ich lachte leicht, doch er verstand den Witz nicht. Im Gegenteil er sah so aus, als wolle er sofort wegrennen. Dadurch wurde mein Lachen stärker. „Heilige Wiedergeburt, das war ein Witz. Als ob ich einfach mal schnell über irgend wen herfallen würde. So dumm bin ich nicht"

Er wirkte erleichtert und atmete tief aus, ehe er schmunzelte. „Stimmt. Was sollst du denn mit der Leiche machen?"

„Das ist ein Punkt", meinte ich. „Zudem leben die meisten Menschen, die man auf der Straße so anfallen könnte, total ungesund und wenn ich das Blut von denen trinke, vergifte ich mich nur selbst. Deshalb ist das von der Blutspende die sichere Variante. Und außerdem trinke ich eh nicht so viel Menschenblut."

„Ehm okay"

Für mich war es selbstverständlich darüber zu sprechen, ich meine, Blut war mein Leben, doch für ihn nicht, das sah man ihm an.

Ich schmunzelte darüber und über die leichte Röte auf seinen Wangen.

Süß war er schon, ich konnte mein altes Ich verstehen, dafür, dass es an ihm Gefallen gefunden hatte.

„Also wieso sollte ich herkommen?", fragte ich, um das Gespräch von vorhin wieder aufzugreifen.

Er seufzte. „Es gibt ein bisschen was, das ich mit dir besprechen wollte. Also erstens, hör bitte auf, mich zu siezen, das ist total seltsam. Ich bin Jeremy."

Ich nickte verstehend. „Okay, Jeremy"

Als ich seinen Namen sagte, lächelte er mich an und wirkte schon zufriedener.

„Zweitens wäre da die Sache mit Jaylin. Ich weiß von eurem Problem, dass du ihm die Heilung verweigert hast"

Als ich seufzte, unterbrach er sich selbst und hörte mir neugierig zu. „Hör zu, ich weiß, du bist sein Vater und willst, dass er wieder laufen kann und ich wünsche mir das ja selbst für ihn, aber ich könnte ihn umbringen oder noch mehr zerstören, als schon kaputt ist. Er hatte jetzt seine Bedenkzeit und wenn er es immer noch unbedingt will, dann werde ich es versuchen...."

„Nein", unterbrach er mich. „Ich wollte dich bitten, es nicht zu tun."

Mein Blick war verwirrt, so auch ich.

„Schau mal, Eli... ähm Austin. Jay ist noch so jung. Er versteht nicht, dass das Leben nicht nur aus Party und Sex besteht. Dass es so viel mehr gibt als Dinge, die er mit seinen Beinen machen kann. Ich weiß, dass es schwer für ihn ist. Es war das größte für ihn, sein Sportstudium zu machen, wir waren auch sehr stolz auf ihn, weil er sich das alles sehr hart erarbeitet hat. Er war ein Sportler Zeit seines Lebens. Noch dazu Lea, mit der er 4 Jahre zusammen war und all seine Freunde, die er seit der Grundschule hatte. Er hat all das verloren und natürlich will er es zurück. Aber er kann auch so einen Beruf finden, der ihm Spaß macht, eine Frau bekommen, die ihn wirklich liebt und Freunde, die ihn verdienen. Dafür muss er nicht sein Leben aufs Spiel setzen. Also bitte versuche nicht, ihn zu heilen, wenn dabei die Chance besteht, dass du ihm schadest. Ich habe lieber einen Sohn mit gelähmten Beinen als einen toten"

Ich nickte verstehend. „Natürlich. Er wird mit der Zeit schon registrieren, dass das Leben ihm noch genug bietet auch ohne die Funktion seiner Beine. Und er hat ja einen tollen Vater, der ihn unterstützt"

Jeremy lächelte wieder bei meinen Worten, die Sorge wich ihm aus dem Gesicht. „Du konntest schon immer charmant sein, wenn du wolltest"

Das machte mich irgendwie unsicher. Vor ein paar Wochen hatte er mich nicht mal ansehen wollen und jetzt saßen wir hier und er schwärmte von früher.
Was hatte das zu bedeuten?

„Kann ich dich was fragen?", wagte ich einen Versuch.

Er nickte. „Klar"

Also tat ich es. „Wie war mein früheres Ich so?"

Er legte den Kopf leicht schief. „Interessiert es dich nicht mehr, wie du gestorben bist?"

Ich nickte. „Doch, natürlich. Aber ich... Keine Ahnung, einerseits ist es mir schon wichtig, das zu wissen, aber anderseits... Es macht mir auch irgendwie Angst. Ich meine, ein Freund von mir lebt seit schon 800 Jahren. Ich kannte ihn 10 Jahre lang nur als Miesepeter, er war immer todunglücklich, weil er einer der wenigen Vampire ist, der sich an sein Menschenleben erinnert. Erst sein jetziger Freund hat bei ihm so einen Schalter umgelegt. Ich will nicht, dass ich mich von so einer Grausamkeit trüben lasse, weißt du?"

Er nickte. „Das verstehe ich natürlich. Was genau dir passiert ist, kann ich dir eh nicht sagen. Ich weiß nur, dass wir auf dem Abschlussball waren, zusammen, als Paar wohlgemerkt, dass davon sehr viele nicht begeistert waren, und dass du plötzlich weg warst. Ich war total wütend auf dich, weil ich dachte, du hättest mich da alleine gelassen und wollte dir eine fette Ansage machen, aber das nächste, was ich von dir gehört habe, war, dass du im Krankenhaus liegst. Du lagst 2 Jahre im Koma, bis dein Hirntod eingetreten ist. Das ist alles, was ich dir dazu sagen kann. Und ich denke, mehr willst du auch gar nicht wissen"

Ich schluckte und nickte. „Danke"

Ich atmete tief durch. „Erzählst du mir auch was von... uns?"

Ihm kam ein Lächeln auf die Lippen, während er mich aus seinen blauen Augen ansah. Die hatte Jaylin eindeutig von ihm.

„Es gibt Leute, die würden Bücher über unsere Geschichte schreiben", lachte er. „Also du warst der große böse Badboy und ich war der brave, ruhige Junge. Du hast mich nie sonderlich leiden können, aber nach meinem Outing hast du es mir so richtig schwer gemacht. Du und deine Freunde hattet einfach euren Spaß daran, mir das Leben schwer zu machen. Ich hab damals gar nicht bemerkt, dass du mir nur so viel Aufmerksamkeit geschenkt hast, weil du über beide Ohren in mich verknallst warst"

Dabei zwinkerte er mir zu und grinste, doch ich erkannte genau die rote Verfärbung auf seinen Wangen. „Naja, ich hatte da was mit so einem Typen und du warst ziemlich eifersüchtig, obwohl du immer behauptet hast, du fändest es einfach nur ekelhaft. Ich weiß nicht genau, wo der Wendepunkt war, der zu unserer Beziehung geführt hat. Ich denke, es war der Moment in der Umkleide beim Schwimmen..."

Only mortal (Boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt