37. Silas: Erfüllung

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Ich hauchte Raphael einen leichten Kuss zwischen die Schulterblätter und hörte ihn daraufhin verschlafen grummeln.

Grinsend rollte ich mich von ihm runter und wollte aufstehen, aber er hielt mich fest. „Wo willst du hin?", murmelte er im Halbschlaf.

„Ich muss aufs Klo, Raphi. Ich komme gleich wieder"

Mit diesem Versprechen erleichterte ich mich kurz, ehe ich zu meinem Verlobten zurückkam und mich wie vorhin auf seinen Rücken zurücklegte.

Er gab einen zufriedenen Laut von sich und zog meine Arme zu sich, um den Kopf drauf zu legen. Ich schmiegte mich lächelnd an ihn. Unsere Gedanken waren seit unser Zeremonie so stark miteinander verbunden, dass wir uns sogar die Träume teilen konnten, wenn wir nicht darauf achteten, unsere Gedanken voneinander fernzuhalten und so konnte ich einfach die Augen schließen und mit ihm träumen, obwohl ich gar nicht mehr wirklich schlief.

♥️

Ein paar Stunden später waren wir mal wieder im Vampirreich. Händchenhaltend liefen wir durch den Palast. Früher war das als noch richtig eindrucksvoll für mich gewesen, doch nun hielt ich es nur noch für protzig und übertrieben.

Benedikt hatte uns zu sich gerufen, weil er über irgendetwas reden wollte. Vielleicht die Hochzeit oder die Krönung, mal sehen, was denn diesmal los war.

Als wir im Thronsaal ankamen, trafen wir auf ihn und seine Frau Victoria. Sie begrüßten uns beide wie immer sehr herzlich, fragten, ob bei uns alles gut war und wie es uns ging, ehe sie zum Punkt kamen.

„Könnt ihr mir sagen, was mit Charlie los ist? Er ist richtig unkonzentriert zurzeit und so schlecht drauf wie zuletzt vor 5 Jahren"

Daher wehte also der Wind...

„Er und Boris sind getrennt", meinte Raphael.

Seine Mum schlug sich die Hand auf den Mund. „Getrennt?", hauchte sie.

Mich verwirrte das. „Ja, sowas kommt schon mal vor. Boris kriegt sich bestimmt wieder ein"

„Das will ich mal hoffen" Benedikt sah mich streng an, als sei ich für Boris' Spinnereien verantwortlich.

„Was ist denn das Problem?", wollte Raphi wissen, während sein Daumen beruhigend über meinen strich.

Ich wusste ja, dass Benedikt prinzipiell nichts gegen mich oder meine Beziehung zu seinem Ziehsohn hatte, doch manchmal kam schon eine gewisse Abneigung seinerseits mir beziehungsweise meiner Familie und Abstammung gegenüber durch.

Benedikt seufzte schwer und fuhr sich überanstrengt über das Gesicht. „Ich habe Charlie von Anfang an geraten, er soll sich nicht auf den Jägerjungen einlassen", murmelte er.

„Hei, was soll denn das jetzt?", beschwerte ich mich.

Das hatte grade noch gefehlt. Er wusste genau, dass mein Cousin Boris hieß und dass wir mehr waren als unser Blut. Eigentlich war unser Verhältnis überraschend gut, deshalb wunderte mich diese Aussage jetzt.

Der König seufzte schwer. „Silas, sei mir nicht böse, aber die Beziehung von Charlie und Boris ist einfach gefährlich. Durch die Blutzeremonie hat Charlie sich an Boris gebunden. Er ist fortan auf sein Blut angewiesen. Zwar bleibt das Blut eines Gefährten im Körper, aber ihr habt Jägerblut und sobald dieses von uns aufgenommen wird und wir die Kraft daraus ziehen, ist es wieder so gut wie abgebaut. Da die Gefährten aber normalerweise das Blut des anderen in sich behalten, muss Charlie immer wieder neues Blut von Boris bekommen, weil er sonst verhungert, egal wie viel Blut er von anderen zu sich nimmt. Ich fand es nicht gut, dass Charlie sich so von Boris abhängig gemacht hat, denn, wenn Boris ihm kein Blut mehr geben kann, weil er in ca. 80 Jahren tot ist, dann wird auch Charlie sterben, nur viel qualvoller als nötig. Doch jetzt, wenn sie getrennt sind, und Boris Charlie kein Blut mehr gibt, dann wird es höchstens ein paar Monate dauern, bis Charlie verhungert ist."

Wieso hatte man uns sowas nicht vorher gesagt? Verdammt! Ich konnte ausrasten, wirklich, aber eigentlich hatte ich einfach nur Angst.

Meine Hand schloss sich enger um Raphaels. „Falls ich vor Raphael sterben sollte, heißt das dann, er muss da auch sterben?" fragte ich.

Sein Dad nickte. „Aber bei euch ist es anders. Er ist auch zum Teil Mensch. Ich weiß es zwar nicht mit Sicherheit, aber es besteht eine Wahrscheinlichkeit, dass er mit dir altert. Charlie hat sein unendliches Leben für Boris aufgegeben ohne es ihm zu sagen. Und jetzt sowas"

Benedikt und Charlie kannten sich schon seit vielen Jahrhunderten und waren in all der Zeit enge Verbündete gewesen. Kein Wunder, dass Benedikt sich solche Sorgen um ihn machte.

„Ich will, dass du mit Boris redest, Silas. Ich weiß, er ist stur, aber wenn du an seine Liebe zu Charlie appellierst, erlangt er vielleicht noch Einsicht, bevor Charlie ablebt."

Ich nickte. „Ich kümmerte mich darum", versprach ich.

Benedikt lächelte mich an, auch mit ein bisschen Stolz.

Wir unterhielten uns noch etwas mit Raphels Eltern über wenige brisante Themen, die Hochzeit zum Beispiel, ehe wir wieder gingen.

Beim Schlendern über die Waldgrenze des Vampir- und Menschenreichs, hielt ich Raphael kurz auf, um ihn zu küssen.
Das wollte ich schon den ganzen Vormittag machen, hatte es mir aber aufgrund der missgünstigen Blicke seiner Gefolgschaft erspart.

Er war zwar verwirrt, von meinen Kussattacken, doch stieg mit ein, während seine Hände zu meinen Hintern wanderten. „Wir könnten uns einen ruhigen Busch suchen", raunte er mir verführerisch zu und knabberte an meinem Ohr.

Das war auch ein Grund, weshalb ich ihn nicht hatte küssen wollen, wo es alle mitbekamen. Selbst nach 5 Jahren nutzte Raphael noch jede Gelegenheit, mir auch nur irgendwie nahe zu kommen und ich hielt es für nicht hilfreich bei meinem Vorhaben, mir bei seinem Volk Sympathiepunkte zu holen, wenn wir vor ihren Augen rummachten und er mir an den Arsch grabschte...

Trotzdem freute es mich, dass er so scharf auf mich war, und kicherte leicht. „Das wird nicht passieren, Raphi."

„Du weißt, dass ich dich einfach dazu zwingen kann" Er ließ mein Ohr und meinen Hals in Ruhe und sah mich herausfordernd an.

Ich verschränkte meine Hände in seinem Nacken. „Das würdest du aber niemals tun, weil ich dir sonst die Gedanken verdrehen würde, mein Schatz. Ich könnte dafür sorgen, dass du dich für eine Frau hältst oder nackt durch die Stadt rennen willst. Ich kann dir den Verstand nehmen", hauchte ich ihm zu.

Naja, eigentlich wusste ich nicht, ob das bei ihm klappte, denn ich hatte es noch nie versucht, aber wenn er meinte, mich bedrohen zu müssen, dann schoss ich natürlich zurück.

„Ich kann dich trotzdem alles machen lassen, was ich will. Ich muss es nur sagen", ging das Spielchen weiter.

Er ließ seine Augen rot aufleuchten, aber ohne mich zu beeinflussen.
Nach langem Training hatten wir unsere Kräfte ganz gut unter Kontrolle, aber, was genau wir konnten und trainiert hatten, wussten nur wir.

Erfüll mir einen Wunsch", bat ich flüsternd, während ich in seine Augen hochschielte.

Er hatte mir mal erzählt, dass er mich für unwiderstehlich hielt, wenn ich ihn so ansah und deshalb nutzte ich das, um ihn ein bisschen zu beeinflussen, eine Kraft von ihm zu nutzen, der er nicht ganz vertraute.

Da ich aber toll, süß, wunderschön und verführerisch war, erlag mein Verlobter meinem Trick und hauchte: „Alles, was du willst"

Da musste ich nicht lange überlegen.

„Küss mich"

Raphael lächelte, sah mich liebevoll an und küsste mich mit demselben Gefühl.

Ich war glücklich bei ihm und vor allem darüber, dass endlich mal alles so in etwa gut war.
Aber leider war das hier noch nicht das Ende, denn so wäre es zumindest glücklich gewesen.

Only mortal (Boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt