16. Jaylin: Schön

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Okay, die Idee, mit ihm im selben Bett zu schlafen, bereute ich nun irgendwie.

Ich hatte ziemlich gut geschlafen, das schon, aber ich war aufgewacht, als ich einen Luftzug nah an mir gespürt hatte. Tja und dann durfte ich feststellen, dass Austins halber Oberkörper auf meinem lag und ich deshalb seinen Atem an meiner Brust spürte.

Er ließ mich bei sich pennen, deshalb wollte ich nicht unhöflich sein und ihn runterdrücken.

Außerdem fühlte es sich auch nicht mal schlecht an und solange er mich nicht wieder die Treppen runter trug, musste ich ohnehin hier liegen bleiben, also...

Irgendwann legte sich sein Bein auch noch über meine Hüfte, sodass ich es noch leicht spürte und er drückte seinen Rest an mich.

Er brauchte echt dringend einen Teddybär. Er war ja richtig unterkuschelt.

Ich schmunzelte grundlos.
Immer, wenn er mich berührte, vor allem jetzt, wo er es an so vielen Stellen Haut an Haut tat, spürte ich alles in mir kribbeln und eine wohlige Wärme, die sich ausbreitete.

Ich genoss es irgendwie, hier mit ihm zu liegen.
Bei Austin fühlte ich mich nicht behindert. Ich fühlte mich irgendwie so begehrenswert unter seinen Blicken und ehrlich gesagt war ich mir nicht sicher, ob das nun gut oder schlecht war. Zumal er der Ex meines Dads war.

Wie alt er wohl war? Also vom Aussehen her würde ich ihn auf so in meinem Alter schätzen, also um die 19 oder 20. Aber wenn er 2002, als er gestorben war schon 20 gewesen war, dann musste er jetzt 37 sein.

Faszinierend, dass sein Körper kein Stück gealtert war, selbst sein Geist wirkte noch so jung und sprunghaft, doch trotzdem irgendwie wie ein Fels in der Brandung.

Durch einen akuten Knall, schreckten Austin und ich auf, ich aus meinen Gedanken und er aus seinem Schlaf.

„Was zur Hölle?" Er sah fragend zur Tür und dann zu mir.

Ich zuckte nur mit den Schultern.

Einen Moment lag sahen wir uns einfach nur an, bis er die Augen aufriss, als er bemerkte, wie nahe wir uns waren.
„Scheiße, das tut mir leid!"
Er wollte von mir runter, aber irgendwie hatten wir uns in der Decke zusammen verheddert, sodass er erst den Knoten, der aus unseren Beinen und der Bettdecke bestand, lösen musste.
Er schien dabei total panisch und bekam es deshalb nicht hin.

„Schh, Austin, ganz ruhig" Ich entschied mich, ihn erstmal zu beruhigen, sonst wurde das hier nichts.
Dazu hielt ich seine Handgelenke fest und er sah mich unsicher an. „Ich wollte dir nicht zu nahe treten, oder, dass du dich unwohl fühlst, ich hab geschlafen, versprochen" Er sprach total schnell und panisch und seine Worte ließen mich ihn ungläubig ansehen.

„Ich weiß, Austin. Mach dir keinen Stress. Ich fühle mich ganz und gar nicht unwohl... Im Gegenteil."
Ich lächelte ihn aufmunternd an und er seufze erleichtert. „Zum Glück, ich dachte schon..."

Leicht lachte ich.
„Du musst mir übrigens noch sagen, wieso du mich toll findest", meinte ich hinweisend.

Er grinste und legte diesmal bewusst die Hand auf meine Brust.
„Gut, fangen wir mal mit dem Offensichtlichsten an", meinte er, sah mir in die Augen. „Ich finde dich toll und bewundernswert, weil du einfach wunderschön bist, Jaylin. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der zeitgleich so unfassbar süß, attraktiv und trotzdem wahnsinnig heiß aussieht wie du. Egal, welchen Gesichtsausdruck du drauf hast, welche Stimmung und von welcher Perspektive ich dich betrachte, ich finde nichts an dir auszusetzen. Weil du schön bist. So unglaublich"
Seine Hand strich von meiner Brust hoch zu meiner Wange und er strich lächelnd darüber.

Ich konnte seine Worte nicht fassen. Er schien das auch noch ernst zu meinen.
Ich wollte ihn so vieles fragen, aber ich wollte nicht reden, ich wollte nicht Gefahr laufen, seine Worte durch meine zu entwerten.
Selbst wenn, ich konnte gar nicht, denn sein Kopf kam meinem immer näher.

Schluckend sah ich von seinen Augen zu seinem Mund und wieder zurück.
Er hatte schöne Lippen für einen Mann. Er war schön für einen Mann. Das hier fühlte sich schön an, dafür, dass es mit einem Mann passierte.

Aber es sollte wohl nicht sein, denn kurz bevor sich auch unsere Lippen berührten, wurde die Tür zu Austins Zimmer aufgerissen und wir sahen gleichermaßen geschockt dahin.

„Wow" Boris hielt sich selbst die Augen zu. „Das ist echt eines der wenigen Dinge, die ich niemals von dir erwartet hätte, Austin. Ich meine: ernsthaft?!"

Austin rutschte von mir runter.
Das Problem mit dem Deckenknoten löste er, indem er die Decke mit den Krallen aufschnitt.

„Was willst du hier, Boris? Geh deinen Mann nerven" Er zog sich eine Hose an, die so auf dem Boden herum lag und Boris blinzelte vorsichtig zwischen seinen Fingern hervor.
Als er bemerkte, dass die Situation entschärft war, nahm er die Hand komplett weg und antwortete. „Silas hat sich geschnitten und Raphael will, dass du ihn heilst"

Austins Ton klang genervt. „Ja, ich komme gleich"

„Er blutet, Austin"

„Ich habe gesagt, ich komme gleich!" Dabei wurde er lauter und wir alle bemerkten, wie sehr er gerade unter Anspannung stand.

Boris wirkte so, als wolle er etwas sagen, doch er verkniff es sich und ging wieder. „Beeil dich!", rief er noch durch die geschlossene Tür.

Sobald von ihm nichts mehr zu hören war, seufzte Austin und hob meine Hose von gestern auf, ehe er sie mir über zog. Es wirkte unbeholfen, aber trotzdem machte er das ganz gut. Meine Hüfte hob er mit einem Ruck hoch, sodass die Hose meinen Hintern umschloss und ich sie zumachen konnte.

„Danke", murmelte ich leise.

Er gab mir noch ein frisches Shirt von sich und ich zog es an.

„Willst du mit runter? Ich kann dir auch ein Frühstück hochbringen" Er klang sofort anders als eben noch bei Boris. Keineswegs mehr angespannt oder genervt. Nun war alles an ihm irgendwie so fürsorglich und liebevoll...

Ich schüttelte den Kopf. „Ich würde gerne runter"

Austin nickte verstehend und hob mich wieder hoch, sowie gestern. Er war so stark. Ich bewunderte ihn.

„Kann ich dich was fragen?", murmelte ich leise.
Es störte mich, dass es nun irgendwie seltsam zwischen uns war. So nahe wir uns eben gewesen waren, so distanziert fühlte es sich jetzt an. Das wollte ich nicht.

Er seufzte. „Betrifft es die Situation von gerade?"

Ich nickte.

„Dann frag nicht. Es gibt nichts zu sagen. Ich wollte dich küssen, es ist was dazwischen gekommen und gut ist."

Wow. Er sprach das einfach so aus, als sei es nichts. Aber für mich war es was und es tat irgendwie weh, dass er das nicht so sah.

Ich nickte also nur und überspielte meine Enttäuschung, von der ich nicht so genau wusste, woher sie rührte.
Scheiße, natürlich wusste ich es, es war doch ganz einfach: Ich hasste mich und meinen Körper seit dem Unfall, aber bei Austin fühlte ich mich so wertvoll und alles fühlte sich gut an, was er an oder mit mir tat.

Ich war mir so sicher, ein Kuss von ihm wäre die reinste Erlösung für mich.

Only mortal (Boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt