Grober, körniger Sand erstreckte sich bis zum Horizont, bildete weitläufiges Land und Dünen. Das fahle Mondlicht ergoss sich in weißen Strahlen in die Mulden, die zwischen ihnen entstanden. Als sei die Stille Wüste keine Wüste, sondern ein Meer.
Als sei die Karawane keine Karawane, sondern ein Fischschwarm, der auf den Wellen der See dem neuen Morgen entgegenschwamm.
Als sei der Sand Gischt; als sei Zara keine Gefangene, sondern frei.
Doch noch war Zara nicht frei. Noch war sie auf dem Weg, folgte den unsichtbaren Spuren ihrer Großmütter und Urgroßmütter, geduldig auf eine Gelegenheit wartend, die sich als günstig erwies. Vielleicht bot bereits ihr nächstes Reiseziel eine Möglichkeit, doch vermutlich würde sie sie nicht ergreifen. Noch nicht. Noch war sie nicht weit genug fort und überhaupt musste sie zunächst den Ritt durch diese Wüste überleben.
Zara konzentrierte sich auf den Horizont weit vor ihr und darauf, nicht aus dem ungewohnten Sattel zu fallen. Oder zu erfrieren. Noch vor wenigen Tagen hatte sie nicht glauben können, dass es in der ausgedörrten Desa-Wüste derart kalt sein könne. Sie zog die dünne Reisejacke enger um den fröstelnden Körper. Die Uniform der Fajzzeh war ihr lieb und teuer, doch der dünne Stoff war für Sonnentemperaturen ausgelegt. Hätte sie doch, wie ihre Mutter ihr geraten hatte, etwas Wärmeres angezogen!
Der Gedanke an ihre Mutter ließ das schlechte Gewissen wieder aufkommen. Sie stellte sich vor, wie sie in diesem Moment auf dem Diwan hockte, stellte sich vor, dass sie an sie dachte.
Eine Mutter, die auf die Ankunft ihrer Tochter wartete, die von ihrer Dunashya, der ersten Reise, der längsten Reise und der letzten Reise wiederkehrte.
Vayena hatte viel für sie gewollt. Eine Ausbildung an einer guten Schule, die Heirat eines wohlhabenden Mannes und Kinder. Einen Antrag hatte sie bereits arrangiert. In wenigen Wochen sollte Zara vermählt werden.
Die junge Frau konzentrierte ihren Blick auf die Sandkörner, die von den Hufen der schwerfälligen Tiere aufgewirbelt wurden. Sanfter Wüstenwind erfasste sie und wehte sie fort. Sie waren frei, ließen sich von trockenen Briesen treiben und kamen an anderen Orten zum Liegen. Es war nichts zu hören; der trockene Sand verschluckte alle Geräusche. Die Stille Wüste verdiente ihren Namen zu Recht.
Zara wandte den Blick ab. Im schwachen Mondlicht waren die Reisenden bloß als schwarze Silhouetten erkennbar. Ruhelos trabten sie durch die Wüste, wie unstete Sandkörner.
Der Gedanke gefiel Zara. Sie umfasste die Riemen, die sie an ihrem Tier hielten, fester.
Zara würde nicht zurückkehren.
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Yuvial
FantasyZara konzentrierte sich auf den Horizont und auf die Dünen, die im Mondlicht fahl wirkten, beinahe weiß. Der Gedanke an ihre Mutter ließ das schlechte Gewissen wieder aufkommen. Sie stellte sich vor, wie sie in diesem Moment auf dem Diwan hockte, st...