Auf die Schnelle fiel Zara nur eine Person ein, die sie nach merkwürdigen Phänomenen magischen Ursprungs fragen konnte. Zamuel bewohnte ein Zimmer unweit von ihrem eigenen. Es war zu groß, das hatte er ihr gegenüber einmal erwähnt, und viel zu luxuriös eingerichtet.
Mit raschen Schritten betrat Zara den unbeleuchteten Gang. Es war schon spät, vielleicht schlief Zamuel bereits. Dennoch klopfte Zara lautstark an die Tür. Irgendwo in ihrem Unterbewusstsein tat es ihr Leid, ihn zu wecken, doch in dieser Situation konnte sie einfach nicht warten...
Zu Zaras Erstaunen erhielt sie sofort eine Antwort. Sie trat ein und nahm den parfümierten Geruch wahr, den die ehemaligen Gemächer des Adels üblicherweise verströmten. Das Zimmer war fast so riesig wie ihr eigenes, eine Wand war komplett von überdimensionalen Bücherregalen eingenommen, an einer anderen stand ein riesiges Bett. Mitten im Raum waren zwei gepolsterte Sessel um einen niedrigen Tisch drapiert – daran saßen Zamuel und Meridea. Beide schauten Zara erwartungsvoll an – Zamuel freundlich, Meridea eher ungeduldig.
In Zaras aufgewühltem Gemüt überschlugen sich die Fragen, doch was aus ihr herauskam, war ein schlecht artikuliertes: „Störe ich?"
Meridea erhob sich seufzend. „Ich wollte sowieso gerade gehen. Wir sitzen schon viel zu lange hier..." Ihr letztes Wort ging in einem halb unterdrückten Gähnen unter. „Treffen wir uns morgen zur selben Zeit im Lagerraum?"
„Das wird das Beste sein", nickte Zamuel und stand ebenfalls auf, aus einer reinen Höflichkeits-Gebärde heraus. „Und mach dir keinen Kopf, Meridea", ergänzte er, „Worauf du keinen Einfluss hast, kannst du nunmal nicht ändern."
„Vermutlich hast du Recht." Mit verkniffener Miene drückte Meridea sich an Zara vorbei. „Bis morgen", murmelte sie und verließ das Zimmer.
Zara sah ihr nach. „Was ist denn passiert?", fragte sie, während sie sich zum Sessel hinüber begab, auf dem Meridea gerade noch gesessen hatte.
Zamuel seufzte und ließ sich in seinem Sitz zurücksinken. „Zum Einen", erklärte er, „ein Zauberbann im Vorratslager, dessen Sinn wir nicht identifizieren können. Seit zwei Tagen rätseln wir daran – ohne Fortschritt." Zamuel griff nach einer Tasse Tee und nahm einen tiefen Schluck, ehe er weitersprach. „Außerdem macht sich Meridea Sorgen, weil sie mit uns in den Palast gekommen ist. Die Zékkra stehen noch immer in Verbindung zu ihr. Früher oder später werden sie sich fragen, wo sie ist. Wenn sie misstrauisch werden, verliert Meridea die vertrauensvolle Basis, die sie zu ihnen aufgebaut hat."
Richtig, erinnerte Zara sich, Meridea ist eine Spionin der Diebe in der Magierschule. Solange sie hier festsitzt, helfen den Dieben ihre Kontakte nicht im Geringsten.
Zara ärgerte sich, dass sie daran nicht gedacht hatte, als Meridea sich mit den anderen Frauen zum Kämpfen angeboten hatte. Alle hatten sie sich bloß vorgestellt, zu gewinnen oder zu verlieren – was danach geschah, daran hatten sie nur wenige Gedanken verschwendet, wie Zara sich eingestehen musste.
Zamuel stellte seine Tasse auf dem Tisch ab und sah sie an. „Was kann ich für dich tun? Möchtest du einen Tee?"
Zara verneinte. Sie setzte sich und endlich kehrten ihre Gedanken zurück zu den Ereignissen im Kerker. Unbewusst begann Zara, ihre Hände zu kneten.
„Zamuel, kann es sein, dass..." Sie suchte nach den richtigen Worten. „Wenn Luvah jetzt... in mir ist – in ihrer eigenen, menschlichen Form – kann es dann sein, dass sie dann irgendwie ihre Kräfte auf mich... überträgt?"
Zamuel hob die Augenbrauen. „Ich denke...", doch dann unterbrach er sich selbst und legte den Kopf schief. „Vielleicht", antwortete er nach kurzem Überlegen. Wieder nahm er einen Schluck von seinem Tee. „Es gibt Magierinnen, an denen beobachtet wurde, dass ihre Kräfte sich verstärkten, während sie ein Kind erwarteten. Das Phänomen geht auf eine Theorie zurück, die besagt, dass es eine magische Verbindung zwischen Mutter und Kind gäbe. Eine Ader quasi, die mehr Raum zur Verfügung stellt. Du kannst dir das wie einen zweiten Speicher vorstellen, einen kleineren Körper, dem energetischer Vorrat hinzugefügt oder entnommen werden kann."
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Yuvial
FantasyZara konzentrierte sich auf den Horizont und auf die Dünen, die im Mondlicht fahl wirkten, beinahe weiß. Der Gedanke an ihre Mutter ließ das schlechte Gewissen wieder aufkommen. Sie stellte sich vor, wie sie in diesem Moment auf dem Diwan hockte, st...