Kapitel 21

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„Zara?"

Eine Hand berührte sie an der Wange und zog sie sanft aus dem Schlaf. Verwirrt blinzelte Zara. Sie konnte sich nicht erinnern, schlecht geträumt zu haben. „Bin ich schlafgewandelt?"

Khámin schüttelte den Kopf. Er hatte die Verdeckung der Laternen abgenommen, die eifrig Licht im Raum verteilten. Seine Finger lagen warm an ihrem Gesicht, mit dem Daumen fuhr er die Linie ihres Kinnes nach.

Zara wollte sich bewegen, doch ihre Knochen fühlten sich an, als wären sie über Nacht zu schweren Metallstäben verhärtet, deren Gelenke jemand fest zusammengezurrt hatte. Sie ächzte und ließ den Kopf zurücksinken, versuchte, ein aufkommendes Schwindelgefühl zu vertreiben. An ihrem Arm ertastete sie einen engen Verband.

„Du hast so viel Blut verloren", erklärte Khámin. „Ich hatte Sorge, du würdest nicht mehr aufwachen..."

Er hatte sie im Schlaf verarztet? Dass sie das nicht bemerkt hatte, zeigte, wie unendlich müde sie gewesen sein musste. Jetzt, wo sie das wusste, spürte sie ähnliche Verbände an ihrer Schulter und Stirn.

„Danke", brachte sie hervor und betrachtete Khámins Gesicht. In seinem dunklen Blick hätte sie versinken können, doch ihr entgingen nicht sein blaues Auge und die Striemen aus dunklen Blutergüssen, die sich um seinen Hals wanden. Mit einem Schaudern erinnerte sie sich an die Wunden, die sie auf seinem Rücken gesehen hatte. „Was haben sie mit dir gemacht?" Zara wollte über die Schwellung an seinem Auge streichen, doch hielt sie sich zurück, um ihm nicht wehzutun.

Khámin wich ihrem Blick aus. „Sie wollten Einzelheiten über die Diebe, die ich ihnen nicht verraten habe. Wenn sie gewusst hätten, dass ich ihr Anführer bin..." Er lachte rau. „Es hätte schlimmer kommen können..."

„Apropos", wand Zara rasch ein. „Bitte wähle mich nicht wieder zu deiner Nachfolgerin. Das ist keine Aufgabe für mich." Zara handelte gerne selbstbestimmt und frei, doch als Anführerin blieb ihr kaum eine Möglichkeit dazu. Sie musste das Wohlergehen vieler Menschen ständig im Blick behalten und trug jede Menge Verantwortung. Dass sie nicht fähig war, diese zu tragen, hatte sie in der vergangenen Nacht bewiesen. Viele Leben für ein einziges aufs Spiel zu setzen, nur weil dieses ihr wichtiger war... Die Schuldgefühle drohten, wieder in ihr aufzusteigen.

Khámin nickte ernst.

Eine Weile verbrachten sie schweigend. Es kam Zara vor, als befänden sie sich im Auge eines Sturmes. Draußen tobte er und bald würde er sie einholen, doch im Moment war es still und ungefährlich. Es gab nur Khámin und sie – sonst niemanden. Zara beschloss, dieses Gefühl so lange zu genießen, wie sie konnte. Wer wusste schon, wann sich ihnen das nächste Mal so viel Zweisamkeit bot?

Mit viel Mühe schaffte sie es, sich aufzustemmen und den Dieb mit sanfter Strenge anzusehen. „Dreh dich um", verlangte sie. Khámin zögerte, tat aber wie geheißen. Der Anblick seines Rückens war erschreckend. Zara konnte nicht zählen, wie oft man ihn geschlagen haben musste. Unendlich vorsichtig fuhr sie über die geröteten Stellen. „Es entzündet sich", erklärte sie besorgt. „Gib mir dein Verbandszeug. Wo hast du es?"

Unter Khámins Anleitung fand Zara Mullbinden, saubere Tücher und einen Eimer frischen Wassers. Sie begann mit dem Säubern der Wunden. Khámin zuckte bei jeder Berührung. Sein Rücken sah aus wie ein einziges Schlachtfeld.

Zum Glück hatte Zara genug Verbandszeug, um die breite Fläche abzudecken. Es wirkte wie ein unförmiges Etwas um Khámins Körper, doch es hielt und würde die Wunden hoffentlich vor weiteren Infektionen schützen.

„Danke." Beide betrachteten den Eimer, dessen Inhalt sich hellrot verfärbt hatte. Noch immer müde und mit schlimmen Kopfschmerzen lehnte Zara sich an Khámins Schulter. Sie spürte, wie er den Mund zu einem Lächeln verzog. Vorsichtig, um unnötige Schmerzen zu vermeiden, neigte er den Kopf zu ihr herunter.

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