Zamuel war ein blonder, blutjunger Mann. Er konnte nicht viel älter sein als Zara selbst. Seine Statur wirkte schmächtig im Vergleich zu den Muskelprotzen, die sonst im Untergrund ihr Unwesen trieben. Er hätte wie ein ungefährlicher Junge gewirkt, wäre da nicht diese auffällig blasse Haut gewesen und die unheimlich wissenden Augen...
Khámin hatte erzählt, dass er einige Jahre an der Schule der Zékkra zum Magier ausgebildet worden war. Das hatte ihn für Zara von Anfang an unsympathisch gemacht.
Er saß in einem einfachen Sessel in einer Ecke des Raumes und bot Zara den Platz gegenüber an. Zara schaute sich aufmerksam um, bevor sie sich setzte. Zamuels Zimmer besaß außer den beiden Sesseln ein vollgestopftes Bücherregal, einen Schrank mit vielen kleinen Schubladen, einen ordentlichen Arbeitstisch und ein schmales Bett. Ein merkwürdiger Geruch hing über allem, den Zara nicht zuordnen konnte. Auf eine gewisse Weise war es gemütlich, wenn sie sich auch niemals hätte vorstellen können, hier zu wohnen.
Der Sessel, der ihr angeboten wurde, war weicher, als er aussah. Beinahe drohte Zara, darin zu versinken.
Zamuel war unbeholfen, vielleicht sogar nervös. Zara hatte ihn nicht häufig sprechen gehört, doch im Beisammensein der Sechs hatte er mehr Selbstbewusstsein gezeigt als jetzt. Nun wirkte er wie der Junge, den sie zu Beginn in ihm gesehen hatte.
„Du wolltest mir ein paar Fragen stellen", brachte Zara das Gespräch in Gang. „Zu dem, was passiert ist." Sie zwang sich zu einem Lächeln.
Zamuel fand endlich seine Worte. Seine ruhige Stimme stand im Kontrast zu seiner angespannten Art. „Meridea hat mir schon einiges erzählt, aber alles hat sie nicht beobachten können." Er bettete seine Hände im Schoß. „Du wurdest von einem Zauber getroffen, der eigentlich für sie bestimmt war. Warum die Magie ihre Bahn gewechselt hat, ist uns nicht klar. Das weiße Licht deutet auf die Zékkra hin, oder unter Umständen auf die Velehan..." Eine weitere Magierschule. Zara hatte von ihr gehört. „Darüber weißt du nichts Genaueres, oder?"
Zara schüttelte den Kopf. „Ich habe nur die Männer gesehen, die mich verfolgten. Weder weiß ich, wer sie waren, noch, warum sie hinter mir her sind."
Zamuel nickte. „Der Zauber, den sie ursprünglich Meridea auferlegen wollten, ist irregeleitet worden. Du hast von den magischen Übergriffen gehört? Frauen, die im wahrsten Sinne des Wortes ausgebrannt auf der Straße gefunden wurden?" Zara nickte unsicher. Der Händler, den sie getötet hatte – ihr lief noch immer ein Schauder über den Rücken bei dem Gedanken – hatte davon gesprochen. Zamuel holte tief Luft, bevor er weitersprach. „Eigentlich müsstest du tot sein."
Zara verzog das Gesicht. „Ich fühle mich ziemlich lebendig", gab sie überflüssigerweise zurück.
Der Magier lachte. Er hatte ein schönes Lachen, offen und freundlich. „Das sehe ich." Seine Augen funkelten. „Aber du hast dich verändert. Zumindest hat Khá davon gesprochen." Neugierig beugte er sich vor. „Erzählst du mir, was genau sich verändert hat?"
„Alles", antwortete Zara trocken. Dann erzählte sie ihm vom Wandel ihres Aussehens bis hin zu dem Glühen ihrer Augen, wenn sie Magie wirkte. An der Stelle unterbrach Zamuel sie.
„Du hast keine magische Ausbildung genossen." Er legte den Kopf schief. „Wie kann es sein, dass du nach der Verwandlung Magie wirken kannst?"
Die Frage konnte Zara ihm nun wirklich nicht beantworten. Stattdessen erzählte sie, wie ihr in der Schule der Zékkra eine unhörbare Stimme den Weg gewiesen hatte. Wie es sich angefühlt hatte, von ihr geleitet zu werden – als befände sich eine zusätzliche Person in ihrem Kopf. Als kontrolliere sie einen Teil ihres Geistes.
Während des Sprechens musste Zara ein Schaudern unterdrücken. Im Nachhinein hörte es sich sogar noch erschreckender an, als in dem Moment, in dem sie unter Adrenalin gestanden und Sorge um ihr Überleben gehabt hatte.
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Yuvial
FantasyZara konzentrierte sich auf den Horizont und auf die Dünen, die im Mondlicht fahl wirkten, beinahe weiß. Der Gedanke an ihre Mutter ließ das schlechte Gewissen wieder aufkommen. Sie stellte sich vor, wie sie in diesem Moment auf dem Diwan hockte, st...