Mitten in der Nacht schreckte Zara aus dem Schlaf. Panisch klammerte sie sich in ihre Decken, suchte mit den Händen nach etwas Vertrautem, fand Zamuel, der sich über sie gebeugt hatte und ließ die Finger rasch zurückschnellen.
Ihr Atem ging schnell. Sie spürte das gefürchtete Glühen ihrer Augen und merkte, wie es langsam wieder nachließ. Erleichtert ließ sie sich in ihre Kissen sinken. Es war nur ein Traum gewesen. Nur ein Traum...
„Alles in Ordnung?", fragte der Magier. „War Luvah da?"
Zara nickte so gut sie konnte. Bei der Erinnerung wurde ihr schlecht. „Sie ist wütend. Weil ich sie ausgesperrt habe mit dieser Droge."
Zamuels Gesicht war im fahlen Licht nur schwer zu sehen. Zara meinte, Erschrecken darin zu erkennen. Er hatte sie noch nie in diesem Zustand gesehen. „War es sehr schlimm?"
Zara hätte instinktiv nein gesagt – wie sie es immer tat, wenn sich jemand um sie sorgte. Doch in diesem Moment genoss sie das Gefühl, jemanden zu haben, der sie verstand, mit dem sie ihre Ängste teilen konnte. Zamuel war zu einem wirklich guten Freund geworden. Trotzdem fiel es Zara schwer, über das Geschehene zu sprechen. „Sie hat... Khámin..." Ein Schluchzen unterbrach sie.
Ein undeutbarer Ausdruck trat auf das Gesicht des Magiers. Wortlos nahm er Zara in den Arm, um ihr zu signalisieren, dass sie nicht weiterzusprechen brauchte. Sie lehnte sich an ihn und hoffte, dass sie nie wieder einzuschlafen brauchte. Die Erinnerung tobte in Zara wie ein zorniger Sturm. Das Bild seines Gesichtes wurde sie nicht los. Angst und Wut, während die Flammen an ihm leckten wie an einem trockenen Holzscheit.
Er hatte ihr die Schuld an seinem Tod gegeben. Weil sie nicht auf Luvah gehört hatte. Weil sie nicht getan hatte, was die Magierin von ihr verlangt hatte und damit ihrer aller Leben aufs Spiel gesetzt hatte.
Luvah wurde stärker. Irgendwann würde Zara sie nicht mehr unter Kontrolle halten können. Dann würde die Dame im Sternenkleid an die Macht gelangen und sich an allem rächen, was sich ihr zuvor in den Weg gestellt hatte.
Die Diebe würden brennen.
Und Zara würde tatenlos dabei zusehen müssen...
...
Mit in die Hüfte gestemmten Fäusten schaute Zara sich im Raum um. Er war karg, aber groß genug. Rhaeh hatte die alte Lagerhalle vorgeschlagen, die jetzt nicht mehr genutzt wurde, da sie zu weit von der großen Halle entfernt lag. Das bedeutete, dass die Frauen vor dem Training eine ganze Strecke zu laufen hatten, aber das war es Zara wert. Die dreißig Frauen, die sich zu dem heutigen Treffen zusammengefunden hatten, schienen außerdem entspannter durch die Entfernung, die zwischen ihnen und den Dieben lag. Die Wahrscheinlichkeit, entdeckt zu werden, war geringer.
Rhaeh hatte Zara vor dem Training geholfen, eine ganze Menge Lampen in das alte Lager zu schmuggeln. Das Licht erhellte den Raum unruhig und flackernd, doch ausreichend, um alles zu erkennen, was wichtig war. Zara war sehr zufrieden.
Sie saßen in einem Kreis, mit gradem Rücken, die Beine untergeschlagen, wie die Fajzzeh, wenn sie während einer langen Übungsphase entspannten. Zara hatte sich leicht vorgebeugt zu einer Teilnehmerin, die mit tränenerstickter Stimme von den Misshandlungen ihres Mannes erzählte. In der letzten Zeit waren mehrere Frauen mitten im Unterricht in Tränen ausgebrochen, weshalb Zara eine Beratungsrunde zu Beginn jeder Stunde eingeführt hatte. Jede Frau, die etwas auf dem Herzen hatte, konnte sich im Kollektiv Luft machen.
Die Frau, eine junge, zierliche, schniefte laut. „Im Unterricht kommt mir das immer so einfach vor. Alle machen dasselbe und man kann sich austauschen. Aber zuhause bei meinem Mann traue ich mich einfach nicht..." Viele Frauen nickten zustimmend. „Die ganze Motivation ist dann dahin..."
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Yuvial
FantasyZara konzentrierte sich auf den Horizont und auf die Dünen, die im Mondlicht fahl wirkten, beinahe weiß. Der Gedanke an ihre Mutter ließ das schlechte Gewissen wieder aufkommen. Sie stellte sich vor, wie sie in diesem Moment auf dem Diwan hockte, st...