Es war eine riskante Aktion.
Zara wusste das und sie war sich sicher, dass Zamuel es auch wusste. Khámin wurde nicht müde, es immer wieder zu betonen. Er hatte den Vorschlag sofort abgewiesen, als die beiden ihn erwähnt hatten, doch sie waren hartnäckig geblieben und hatten sich letztendlich durchgesetzt. Immerhin war es wichtig, etwas über Luvah zu erfahren und darüber, wie man ihren Geist aus Zara herausbekommen konnte. Möglichst, ohne die unschönen Nebenwirkungen, die die meisten Methoden beinhalteten. Sie brauchten einfach Recherchematerial.
Deshalb war es ungemein wichtig, dass sie in die Bibliothek einbrachen.
Dass Zara mitkommen wollte, hatte Khámin noch weniger gefallen, doch auch dagegen hatte er sich nicht zur Wehr setzen können. Zamuel hatte tief in seine Trickkiste gegriffen und eine Lösung gefunden. Eine Droge, die man verwendete, um feindlich gesinnte Magier daran zu hindern, Magie zu verwenden. Für ein paar Stunden sollte Luvahs Eindringen in ihren Geist unterdrückt werden. Sie mussten sparsam damit umgehen, denn viel hatte Zamuel nicht von dem Wundermittel. Zara würde jeden Moment genießen, den sie außerhalb der Höhle und geschützt vor Luvahs Übergriffen verbringen konnte.
So kam es, dass die drei sich mitten in der Nacht aus einem Gebüsch kämpften, das in einem weitestgehend verlassenen Teil der Stadt lag. Zara hatte erfahren, dass es eine Vielzahl von Aus- und Eingängen zum Untergrund gab. Oft waren sie versteckt in Kellern leerstehender Häuser, in stillgelegten Brunnen oder unter Falltüren, die so abgelegen waren, dass kein Mensch zufällig darüber stolpern würde. Häufig gehörten die zugehörigen Grundstücke Bewohnern des Untergrundes, sodass die Diebe sich unauffällig bewegen konnten. Abhängig von der Tageszeit gab es mehr oder weniger gefährliche Wege. Jeder war dazu angehalten, darauf zu achten, nicht gesehen zu werden, wenn er die kritischen Stellen passierte.
Zara zog sich Blätter und Äste von den schwarzen Sachen und genoss das Gefühl, frische Luft zu atmen. Khámin schloss die Falltür und kämpfte sich durch das Gebüsch auf die Straße. Zara konnte ihn leise fluchen hören. Er war nicht begeistert von dem Ausflug und nur mitgekommen, um aufzupassen, dass sie keinen Unfug bauten.
Außerdem konnte er lesen. Das würde ungemein hilfreich sein.
Sie schlichen über die zugewucherte Straße, deren Laternen zersplittert und unbrauchbar waren. Zara hatte nicht verstanden, wie die Magie funktionierte, die sie am Laufen hielt. Doch offenbar vermochte sie die gläsernen Gefäße nicht zum Leuchten bringen, wenn diese zersprungen waren.
Tatsächlich begegneten die drei keiner Menschenseele. Zara fühlte sich dennoch – oder gerade deshalb – unsicher und hielt sich möglichst dicht an den Gebäuden, wie Khámin es ihnen vormachte.
Eine Nebenstraße führte sie vor eine Mauer, deren großes Eisentor zum Glück nicht verschlossen war. Sie gelangten in einen Garten, der nicht ganz so prunkvoll hergerichtet war, wie der der Zékkra-Schule. Unter den Schatten der mächtigen Bäume fühlte sich Zara geradezu unsichtbar. Mit vorsichtigen Schritten näherten sie sich dem Gebäude in der Mitte der Anlage.
Die Bibliothek war schön, mindestens so groß wie die Schule, wenn auch weniger prunkvoll. Die Fassade war dunkel gehalten, doch die zahlreichen Fenster würden am Tage jede Menge Licht zu Lesen bereitstellen.
Zamuel wusste, wo der Hintereingang lag. Die Tür war gut gesichert, Khámin brauchte lange, um das Schloss zu knacken. Als sie eintraten, konnte Zara nur staunen. Bücher über Bücher reihten sich in langen Regalen bis zur hohen Decke. Alte, ledrige Rücken, meist in Braun oder mit dunkler Tinte gefärbt. Die meisten waren so dick, dass Zara sich nicht vorstellen konnte, mehrere davon auf einmal zu tragen. Und es waren so viele, dass sie nicht wusste, wie sie zwischen all den Themen und Fachbereichen etwas über Luvah finden sollten...
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Yuvial
FantasyZara konzentrierte sich auf den Horizont und auf die Dünen, die im Mondlicht fahl wirkten, beinahe weiß. Der Gedanke an ihre Mutter ließ das schlechte Gewissen wieder aufkommen. Sie stellte sich vor, wie sie in diesem Moment auf dem Diwan hockte, st...