08 | Besonders

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Nach einiger Zeit hatte ich mich neben ihn gelegt. Als er die Augen aufschlug, erwischte er mich dabei, dass ich ihn angestarrt hatte. Ein Lächeln huschte über seine Lippen und er meinte: "Langsam wird es Zeit, dass ich gehe."

"Nein, du gehst mir nirgendwohin."

Er sah mich verdutzt an.

"Ja, du hast schon richtig gehört", ich versuchte ernst zu bleiben, sein Gesichtsausdruck war einmalig, "Wer auch immer dir das angetan hat, ist wahrscheinlich noch in der Stadt und du kannst dich ja nicht mal erinnern, wie du hier her gekommen bist, also bleibst du da."

"Ist das ein Befehl?", fragte er schmunzelnd.

"Kann man so sagen."

"Na dann kann ich nichts dagegen machen. Dein Wunsch ist mir Befehl, Prinzessin", er deutete eine Verbeugung an, so gut es eben ging, wenn man am Bauch lag.

Ein Kichern konnte ich mir nicht verkneifen.

Er war so ... ich wusste nicht, wie ich es beschreiben sollte. Er war besonders. Es gab kein einzelnes Wort dafür und tausende könnten ihn erst recht nicht beschreiben, denn er war mehr als das. Mehr als alles auf einmal und doch etwas ganz anderes.

Er lag am Bauch, mit dem Gesicht zu mir gedreht und ich saß im Schneidersitz daneben. Kein einziges Mal brach der Augenkontakt ab.

Er hatte so unfassbar schöne Augen. Unergründlich wie das Universum. Wenn ich sie ansah, war es, als würde ich geradewegs in die Unendlichkeit blicken.

Auch wenn Unendlichkeit für viele nicht fassbar war, ein leeres Wort, das bedeutete, dass etwas kein Ende hatte. Die meisten konnten sich darunter nicht wirklich etwas vorstellen, aber für mich war Unendlichkeit ein Blick in seine Augen.

Man sagte ja, die Augen waren die Türen zur Seele. Wenn das stimmte, war seine Seele ... undefinierbar. Das war das einzige Wort, das mir dazu einfiel. Zu ihm einfiel. Es beschrieb ihn voll und ganz. Es beschrieb, dass man ihn nicht beschreiben konnte.

Er war anders als alles, das ich bisher gesehen hatte.

Ich schwärmte vor mich hin und hatte gar nicht bemerkt, dass er meine Hand in seine genommen hatte.

Ich fühlte mich sicher.


POV KIMI

Dass sie besonders war, hatte ich schon gewusst, als ich sie das erste Mal gesehen hatte.

Nicht in dieser dunklen Gasse.

Sie war noch ganz klein gewesen, wahrscheinlich wusste sie es nicht einmal mehr.

Ihre Eltern waren neu in die Stadt gezogen und freundeten sich sofort mit meinen an. Es war so etwas, wie "Liebe auf den ersten Blick", nur eben in freundschaftlicher Hinsicht.

Sie ist herumgerannt wie ein überdrehtes Huhn und hat das ganze Café erforscht.

Unsere Eltern hatten stundenlang geredet, ohne auf das kleine Mädchen zu achten, das sich irgendwann einbildete, unbedingt auf die Straße zu laufen. Ich bekam Panik und wusste nicht, was ich machen sollte.

Einerseits durfte mich niemand sehen, aber andererseits konnte ich nicht einfach mein kleines Mädchen auf die Straße laufen lassen. Ich wollte die Tür zuhalten, doch in diesem Moment gingen ein paar Gäste hinaus, mit denen sie einfach durch die Tür schlüpfte.

Meine Gedanken rasten. Das einzige, was mir noch einfiel, war sie zu schnappen und wieder hineinzutragen. Auch wenn das die Gefahr bot, entdeckt zu werden. Als ich sie hoch hob, dachte ich schon, sie würde beginnen zu schreien. Sie konnte mich ja nicht sehen.

Doch sie sah mich.

Sie fragte: "Wie heißt du?", und irgendwie schaffte ich es, sie unbemerkt wieder ins Café zu tragen. Wir unterhielten uns noch eine Weile bis ihre Eltern anfingen, sie zu suchen.

Natürlich erzählte sie ihnen von mir, doch sie meinten einfach, ich wäre ein erfundener Freund, wie ihn kleine Kinder oft hatten.

Mit der Zeit wurde sie größer und vergaß mich. Ich vergaß sie jedoch nie.

Jeden Tag sah ich nach, wie es ihr ging. Ich fand heraus, dass ich mich für sie auch unsichtbar machen konnte. Jedoch nicht so, wie ich mich für andere Menschen unsichtbar machte. Bei ihr war das irgendwie anders.

Ich konnte mich nur für sie sichtbar machen.

Ich nahm ihre Hand. In ihrem Blick lag so viel.

Nach dem, was heute geschehen war wusste ich mehr denn je, dass ich sie beschützen musste. Ihr durfte nichts geschehen. Wenn sie ihr auch nur ein Haar krümmten ... ich konnte nicht garantieren, was ich dann machte.


POV LILITH

Irgendwann brach er den Augenkontakt ab, indem er die Augen schloss.

"Leg dich her", murmelte er.

Er ließ meine Hand los und ich legte mich neben ihn. Seit wir uns für den Film hingelegt hatten, hatte er sich nicht gerührt.

"Willst du noch immer wissen, wer mir das angetan hat?", fragte er sichtlich erschöpft.

"Ja ...", meinte ich unsicher.

"Ich kann dir nicht alles erzählen, aber sie sind mächtig. Sie sind gefährlich. Und wenn sie etwas wollen, dann bekommen sie es auch", begann er mit geschlossenen Augen zu erzählen. Ich sah, wie viel Überwindung es ihn kostete, mir das zu erzählen.

"Du redest jetzt aber nicht von der Mafia, oder?"

"Nein", völlig aus dem Konzept gebracht sah er mich an, "natürlich nicht. Was denkst du von mir?", und schon wurde seine Stimme wieder ernst, "Ich rede von etwas anderem. Sie sind nicht einfach nur böse. Sie sind das Böse."

Er schwieg.

Ich wartete, ob er noch etwas sagen würde, doch das war anscheinend alles gewesen. Jetzt wusste ich auch nicht viel mehr als vorher, aber er hatte sich mir anvertraut. Wenn auch nur ein bisschen.

KimiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt