17 | Verwirrung

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POV LILITH

"Lilith!", hörte ich jemanden schreien. Kimi? War er doch gekommen?

Ich drehte mich um und schon sah ich ihn. Ohne es zu merken rannte ich das letzte Stück auf ihn zu und blieb erst kurz vor ihm stehen. Er sah erschöpft und müde aus. Seine Haare standen in alle Richtungen ab, als wäre er gerade erst aufgestanden, was einfach nur niedlich aussah.

"Lilith ...", keuchte er. Fix und fertig vom rennen.

Ich sah ihn abwartend an.

"Lilith, ich ..."

"... ich weiß nicht, was ich sagen soll", lachte er schließlich unsicher, als er wieder zu Atem gekommen war.

Weil ich auch nicht wusste, was ich sagen sollte, sah ich ihn weiter einfach nur an.

Für einen Moment schien es, als würde die Welt stehen bleiben. Ich sah in seine Augen und es gab nichts anderes mehr als ihn und mich.

Er sah mir direkt in die Augen und ich bemerkte nur, dass er anscheinend etwas gesagt hatte, denn er sah mich abwartend an.

"Was?", fragte ich verwirrt.

"Ich habe eine Freundin."

Was?

POV KIMI

Was tat ich da nur? Sie hatte mich anscheinend nicht verstanden, weshalb sie verwirrt "was" fragte. Musste ich es wirklich noch einmal aussprechen? Was war ich nur für ein Idiot?

"Ich habe eine Freundin."

Idiot, Idiot, Idiot.

Ja, es stimmte zwar. Genau genommen hatte ich eine Freundin, aber das auch nur, weil wir nie Schluss gemacht hatten. Sie musste jetzt doch schon mindestens fünfzig Jahre alt und verheiratet sein.

"War das alles?"

Sie wirkte völlig aufgewühlt.

"... ja"

"Ok", mehr sagte sie nicht und ging.

Wahrscheinlich hatte ich ihr jetzt das Herz gebrochen, aber das war immer noch besser, als wenn sie meinetwegen in ihre Hände fallen würde. Das könnte ich mir nie verzeihen.

POV LILITH

Seine Antwort wollte ich gar nicht mehr hören und als er das unumgängliche dann tatsächlich aussprach, verschwamm die Welt vor meinen Augen. Bevor er meine Tränen sehen konnte, drehte ich mich um und ging. Am liebsten wäre ich gerannt, aber ich wollte es nicht so aussehen lassen, als würde es mir wirklich so viel ausmachen.

Er hatte eine Freundin. Eine Freundin.

Wie lange schon? Hatte er sich deshalb nicht mehr bei mir blicken lassen? Oder war ich ihm immer schon egal gewesen? Vielleicht hatte ich mir das zwischen uns auch nur eingebildet. Genaugenommen wusste ich nichts über ihn. Aber er kam mir doch so vertraut vor.

Sobald ich außerhalb seines Blickfeldes war, begann ich zu rennen.

Erst kurz vor der Haustür kam ich zum stehen. Ich kramte in meiner Jackentasche nach dem Schlüssel, doch ich fand ihn nicht. Ich durchsuchte jede Tasche, doch er war weg. Einfach weg. Mein Handy hatte ich in meinem Zimmer liegen lassen und meine Eltern würden vor dem Abend sicher nicht nach Hause kommen.

Das einzige, was mir einfiel, was ich tun konnte, war, meiner besten Freundin Mila einen Überraschungsbesuch abzustatten. Deshalb stand ich jetzt völlig verheult vor ihrer Tür.

Ich klingelte und kurz darauf öffnete sie. Sie starrte mich überrascht an.

"Lilith, was ist passiert?"

Wir gingen ohne, dass ich auch nur ein Wort gesagt hätte, in ihr Zimmer. Erst als ich auf ihrem Bett saß, brachte ich heraus: "Er hat eine Freundin."

"Was? Wer?"

"Er."

"Der, der ich glaube, um den es geht?"

"Genau der."

"Wann hast du ihn getroffen?"

"Gerade jetzt im Park. Ein Freund von ihm hat mir gesagt, dass er mir etwas wichtiges sagen will. Wir haben uns so lange nicht gesehen und dann taucht er plötzlich auf um mir das zu sagen? Da hätte er doch gleich weg bleiben können."

"Vergiss ihn. Du hast etwas Besseres verdient."

Als ob das so einfach wäre.

"Das geht nicht", schluchzte ich.

Da fiel mir etwas ein. Ich griff an meine Kette mit dem Drachenanhänger. Ich konnte mir zwar nicht erklären, wie das möglich sein sollte, aber ich musste Gewissheit haben. Er musste dort sein. Wenn nicht, das schwor ich mir, würde ich nie wieder auch nur an ihn denken.

"Ich muss weg. Ich erklär's dir später."

Ich stand auf und rannte zur Tür hinaus.

"Was ist los? Wo willst du hin?", schrie Mila mir noch nach, doch ich hatte keine Zeit zu vergeuden. Das würde sie schon noch früh genug erfahren.

Das Café war nicht weit entfernt. Innerhalb weniger Minuten hatte ich es erreicht und deshalb viele empörte Blicke von Passanten kassiert, die ich zur Seite geschoben oder fast umgerannt hatte.

Außer Atem riss ich die Tür auf und erntete genervte Blicke von gestressten Kaffee trinkenden Geschäftsmännern in Anzug und Krawatte. Ich rannte weiter. Dorthin, wo ich ihn das zweite Mal getroffen hatte.

Kurz bevor ich den Vorhang erreichte, der den Raum in zwei Teile teilte, verlangsamte ich meinen Schritt und blieb stehen.

Er musste einfach da sein.

Ich hob meine Hand, um den Vorhang zur Seite zu schieben, als ich ein Schluchzen hörte.

"Du verstehst das nicht."

"Aber du hast doch gesagt, sie ist die Richtige?"

"Ich darf sie nicht gefähren."

"Wir können doch auf sie aufpassen. Wie damals."

"Weißt du nicht mehr was dann passiert ist? Du warst nicht bei ihnen. Du weißt nicht, wie grausam sie sind."

"Aber ..."

"Nein!"

Der Vorhang wackelte und ich drückte mich gegen die Wand. Er wurde beiseite geschoben und da stand er. Kimi. Er bemerkte mich nicht und ging schnurstracks Richtung Ausgang. Wenige Minuten später folgte sein Freund ihm.

Über wen hatten sie geredet und vor wem wollten sie sie beschützen?

Ich hatte zwar eine vage Vorahnung, doch ich wollte nicht wahrhaben, was das bedeuten könnte. Für mich bedeuten könnte.

KimiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt