2. Kapitel

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Der Junge kam mir mit seinem dreckigen Mund immer näher, aber ich drehte meinen Kopf noch grade im richtigen Moment weg, denn sonst hätten seine Lippen meine getroffen. Ich wollte einfach nur noch hier weg und riss mich vom festen Griff des deutlich älteren Koreaners weg. Meine Beine rannten wie von alleine ins andere Abteil zurück und ich konnte nur noch ein dumpfes »Komm zurück!« durch den Lärm des Zuges und dem Rauschen in meinen Ohren hören. Erschöpft kam ich an meinem Koffer an und hievet diesen von der Gepäckablage runter. Mein Atem ging unkontrolliert schnell, was einerseits an dem kleinen Sprint lag, den ich grade hingelegt hatte und andererseits an der Panik, die mir dieser Verrückte eingejagt hatte. Die Räder meines Koffers rollten laut über den Pflasterstein, der nur etwas matschigen Schnee auf sich liegen hatte. »Sejong-daero 168...« murmelte ich leise vor mich hin und suchte Straße und Hausnummer meines Bruders. Er wohnte so ziemlich zentral in Seoul und hatte eine sehr teure Wohnung, um die ihn viele andere beneideten. Ich kam also an seiner Tür an und klingelte leicht nervös, weil wir uns über ein Jahr nicht mehr gesehen haben und es irgendwie meine Schuld war. Die letzten Semesterferien hatte ich keine Zeit, weil ich zu vieles nachholen musste und ihm nichtmal Bescheid sagte, dass ich nicht komme. Ob er sauer auf mich war? Die Tür öffnete sich und meine Gedanken verflogen. Vor ihr stand allerdings nicht mein Bruder, sondern ein anderer halbnackter Typ der sie mir direkt wieder geschockt vor der Nase zuschlug. Hallo?! Was war das denn?! War ich hier falsch...? Waren meine Gedanken zu diesem unhöflichem Empfang. Ich hörte ein leises Gespräch zwischen ein paar Jungs im Flur und war erleichtert als mir ein bekleideter anderer Junge die Tür öffnete. »Guten Tag, was kann ich für Sie tun...?« fragte er zögerlich und wackelte nervös mit einem Fuß umher, wobei er die Finger nicht still halten konnte und am Schloss der Tür rumspielte. War er irgendwie hyperaktiv? »Schönen Guten Tag... Wissen sie vielleicht ob hier in der Nähe ein gewisser Kim Gunhak wohnt? Oder könnten sie mir vielleicht verraten ob hier in der Nähe eine Straße namens Sejong-daero ist...?« Der Junge sieht mich nur geschockt an und sieht nach hinten ins Wohnzimmer, wo sich ein paar Jungs versammelt hatten. »Warte kurz hier...« nuschelt er und geht in dieses Zimmer. Ich sah mich etwas im Flur um, so lange er dies tat und entdeckte ein Paar Schuhe mit einem verklebten Fleck auf der Oberseite. Direkt wurde mir etwas übel und ich wollte schon gehen, aber da kam der bekleidete Junge wieder und bat mich leise rein. Ich wollte nicht unhöflich sein, deswegen trat ich in den großen Flur ein und legte meine Jacke samt Schuhen und Tasche ab. »Tee...? Kaffe...? Saft...?« fragte der Fremde mich gastfreundlich und führte mich in die Küche. »E-Ein Wasser bitte...« krächzte ich mit meiner rauen Stimme von der kalten, trockenen Luft draußen. Er reichte mir ein Glas Mineralwasser und brachte mich dann zu seinen Freunden ins Wohnzimmer, welches sehr gemütlich eingerichtet war. Unter den vielen Jungs erkannte ich auch meinen Bruder, dem ich mich direkt in die Arme warf, weil ich ihn total vermisst hatte. Er nahm mich warmherzig in diese auf und gab mir einen kleinen Kuss auf den Kopf. Wow. Er war so freundlich zu mir, obwohl ich ihn das letzte mal versetzt hatte? Einen so gutherzigen Menschen gab es nicht ein zweites mal auf dieser Welt! »Oppa... Ich hab dich vermisst...« schnurrte ich leise und kuschelte mich auf seinen Schoß, wobei ich die anderen Jungs einfach ignorierte. »Ich dich auch Kleines...« antwortete er leicht lächelnd und ging mir durch die leicht zerzausten Haare von der langen Zugfahrt. »Ich dachte du lebst alleine...?« fragte ich ihn leicht verlegen, weil ich mich eigentlich auf ein paar Ausflüge und Gespräche mit meinem Bruder alleine gefreut hatte. »Ich wohne mit ein paar meiner besten Freunde zusammen... Und... Weißt du ... Es ist auch nicht einfach eine WG...« stammelte er nervös und spielte mit meinen Haaren leicht rum. »Es ist mehr wie... Naja... Du weißt ja, dass ich damals schon immer Talent für Musik hatte und... Das rappen mir auch sehr lag... Es ist... Wir sind in ein-« Eine laute wütende Stimme unterbricht ihn. »Du hast nicht gesagt das deine Schwester kommt?!« Bei der Stimme lief mir ein unangenehmer Schauer über den Rücken, wie ich ihn vorhin im Zug spürte und alles an mir war erstarrt. Den Blick auf die Treppe gerichtet, sah ich den Perversen aus dem Zug runter kommen und sich auf die Couch werfen. Anscheinend hatte er mich noch nicht entdeckt, weswegen ich mich noch kleiner in den Armen von Leedo machte, der mich verwirrt von oben herab musterte. »Wo ist sie eige-« wollte der Fremde aus dem Zug grade ansetzen als er mich auf Leedos Armen entdeckte und geschockt die Augen weit aufriss. »Das ist deine Schwester?!« Alles im Raum war stumm und die Blicke, die wir uns zuwarfen waren vielsagend. Trauer. Verwirrung. Angst. Aber vor allem Hass, der in den Augen von mir und Seoho lag.

One of us (Oneus FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt