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Ich steige hinter Paddy die Stufen der Veranda hinauf. Darauf steht ein Tisch mit zwei Stühlen mit Ausblick auf den Hof. Er sperrt die Tür auf und lässt mich anschließend an ihm vorbei ins Haus gehen.

"Einen eigenen Schlüssel besorgen wir dir natürlich auch  noch. Das war nur alles etwas spontan, weshalb ich nicht so viel vorbereiten konnte."

"Ist kein Problem. Das ihr mich überhaupt nehmen wollt ist schon genug." 

Ich lächele ihn an, was er freundlich erwidert und dann die Tür hinter sich schließt. Ich stehe in einem kleinen Gang, an dessen Ende eine Treppe nach oben führt. Links von mir geht es in eine helle Küche, die direkt an das Esszimmer anschließt. Dahinter befindet sich ein großes, gemütlich eingerichtetes Wohnzimmer. Auf der anderen Seite des Flurs gibt es ein kleines Arbeitszimmer, die Hälfte gehört Joelle und die andere, welche mehr oder weniger ein Studio ist, ist Paddys. Daneben ist noch ein Gästezimmer mit kleinem Bad, das laut meinem Vater nicht selten benutzt wird. 

Ich sehe mich neugierig um und folge ihm schließlich in dem wunderschönen Haus die Treppe in das obere Stockwerk. 

"Also hier ist noch ein Bad für uns, ein weiteres Gästezimmer, falls mal mehr als einer meiner Geschwister zu Besuch kommen sollte, was bei Familienfeiern regelmäßig passiert, und auf der anderen Seite ist das Schlafzimmer von Joelle und mir und ... auch deines."

Am Ende des Ganges stößt er eine Tür auf und ich trete in den hellen, einladenden Raum ein. Er ist recht groß, die Wände weiß gestrichen und hat eine Dachschräge. Auf den Hof hinaus befindet sich ein Fenster, welches nach außen gelegt ist, sodass davor eine hölzerne Bank mit eingelassen ist. Auf dem Boden in der Mitte des sonst leeren Raumes liegt eine Matratze, zwei Kissen und eine Bettdecke fein säuberlich zurecht gezogen. 

"Wir dachten, du solltest dir die Möbel selber aussuchen. Wir werden morgen in ein paar Möbelhäuser fahren und diese Nacht kannst du ja auf der Matratze schlafen." 

"Dankeschön!"

"Wofür?"

"Alles." Ich lächle ihn dankbar an und er grinst fröhlich zurück. 

"Na dann. Ich bring dir deine Koffer hoch, dann kannst du dich soweit einrichten wie es möglich ist und ich ausruhen. Und denk dir schon mal was aus, wie du dein Zimmer einrichten willst!", sagt er und ich nicke nur. 

"Es ist außerdem schon ziemlich spät. Pizza oder chinesisches Essen?", fragt er mich glücklich.

Ich entscheide mich für Pizza und wenige Sekunden später ist Paddy aus meinem Türrahmen auch schon verschwunden.

Als er die Tür hinter sich schließt überkommt mich plötzlich eine Müdigkeit, die Anstrengungen des Tages und ich lasse mich erschöpft auf die, nun viel zu gemütliche, Matratze fallen. Ich überprüfe mein Handy. Eine neue Nachricht habe ich von Maya, sie fragt, ob ich denn gut angekommen sei und wie es mir gefallen würde. Ich antworte ihr kurz und öffne danach eine Nachricht von Angi. 

Sie entschuldigt sich gefühlt tausend Mal, spricht mir dann ihr Beileid aus, was ich gerade irgendwie nicht gebrauchen kann. Darauf folgen so gut wie alle Informationen über Mamas Beerdigung und auch wenn ich am Anfang sauer war, dass sie mich nicht mit einbezogen hatte, muss ich zugeben, dass ich es nicht besser hätte machen können und ich mit dem Ergebnis tatsächlich zufrieden bin. Ich bedanke mich kurz bei ihr für die ganze Mühe und verspreche, dass wir am Dienstag, also am Tag der Beerdigung uns noch ausführlich unterhalten werden und, dass ich eine Grabrede vorbereiten werde. 

Zu guter Letzt tippe ich auf eine wütende Nachricht von Kimberly. Da ich die letzten Tage nicht da war, musste sie alle Hausaufgaben selber machen und konnte auch in der Bioarbeit nicht von mir abschreiben, sodass sie spicken musste und erwischt wurde. Geschieht ihr recht! Jedenfalls sei ich eine super schlechte Freundin und blablabla. Ohne den Rest zu lesen schließe ich den Chat und beschließe sie für die nächste Zeit einfach mal zu ignorieren. Meine Mutter hat recht, ich darf das nicht einfach immer alles mit mir machen lassen!

"Jessica? Das Essen ist hier!", höre ich Paddy von unten rufen und eilig stecke ich mein Handy weg und gehe die Treppe zu ihm hinunter. Auf dem Küchentisch vor ihm stapeln sich zwei Pizzakartons, welche verführerisch durch das Haus duften. 

"Also ich habe Margaritha und Salami. Welche möchtest du?"

"Margaritha!", entscheide ich mich schnell für meine Lieblingssorte. Ich setze mich ihm gegenüber und er reicht mir die Schachtel über den Tisch. Ich bedanke mich kurz und ich merke erst jetzt, wie hungrig ich eigentlich bin. Wir schweigen während dem Essen, nur der Radio dudelt im Hintergrund. 

"Du, Paddy?", frage ich vorsichtig. 

"Ja?" Er hält inne und sieht mich an.

"Am Dienstag ist die Beerdigung von Mama und ich müsste auch nochmal zu mir nach Hause, damit ich ein paar Dinge mitnehmen kann."

"Darf ich mitkommen? Ich habe deine Mutter ewig nicht gesehen, möchte mich aber trotzdem von ihr verabschieden." Ich nicke und sehe auf das letzte Stück meiner Pizza. 

"Genau das wollte ich doch fragen."

"Natürlich komme ich mit. Magst du das Stück noch?", ändert er schnell das Thema und deutet auf mein verwahrlostes Stück Pizza. 

"Nein, du kannst es gerne haben." Ich schiebe den Karton etwas in seine Richtung und er beugt sich über den Tisch, um sich das letzte Stück zu nehmen.

"Am Montag müssen wir übrigens mal zu deiner neuen Schule. Das Jugendamt hat mir zwar geholfen das meiste schon heute morgen zu klären, aber trotzdem kommst du nicht drum herum dich mal dem Direktor vorzustellen.", sagt Paddy zwischen zwei Bissen. 

"Aber das hat ja noch bis in ein paar Tagen Zeit. Morgen kümmern wir uns erstmal um dein Zimmer und dann genießen wir das Wochenende gemeinsam, ja?"

"Gerne." Ein bisschen Ablenkung kann ich zur Zeit tatsächlich gut gebrauchen. Ich merke, wie meine Augen schon wieder feucht werden, blinzele die Tränen aber erfolgreich weg. Bis Paddy zu Ende gegessen hat, warte ich noch und helfe ihm dann den Tisch abzuräumen. 

"Willst du heut noch duschen?", fragt er mich. 

"Ja, hatte ich schon vor."

"Dann geh doch jetzt gleich. Ich gehe nämlich auch noch später.", bittet er mich. Ich folge seinem Vorschlag und begebe mich nach oben ins Bad. Etwas besseres hatte ich gerade eben sowieso nicht vor.

Bigger Life || Michael Patrick Kelly | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt