22 | ~Bella~

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Verstört starre ich in ihr wunderschönes Gesicht.
Sie war perfekt.
Perfekte Haare, perfekte Klamotten, perfektes Make-Up und eine perfekte Ausstrahlung. Sie war schon Model für unter anderem Michael Kors, Chanel, Nike, Dolce&Gabbana und viele mehr. Zwar ist sie erst 21 Jahre, ist aber jetzt schon extrem erfolgreich.
Und jetzt steht sie vor mir, ihr rosa Mantel ist lässig über ihre Schultern geschwungen, ihre weiße Bluse sitzt perfekt, ihre karierte Hose mit seitlichem Zierband sah perfekt aus, ihre weiße Handtasche von Chanel und die dazu passenden weißen Absatzschuhe rundeten das Konzept perfekt ab.
Sie schrie förmlich nach Model und Marken. Ihre blonden schulterlangen Haare mit leichten Locken schmeichelten ihrem wunderschönen Gesicht.
Rote volle Lippen, rosa Wangen, perfekt gezupfte Augenbrauen, Augen so grün wie frisches Moos und ihre Nase war so perfekt gerade, dass ich hoffte, dass sie wenigstens da nachgeholfen hatte. Wie hätten Personen wie ich sonst überhaupt eine Chance in der Welt?
„Bell? Was tust du hier?", fragte James sie.
Oh... Sie schienen sich aber gut zu kennen, wenn sie schon bei 'Bell' waren. Warum verwunderte mich das nicht, dass eines der hübschesten Mädchen Londons, in James Penthaus platzt.
„Ähm... Tut mir leid J, ich wusste nicht, dass du Besuch hast.".
Ein wenig unbeholfen stand sie dort. „Äh... ich bin Bella", sie kam auf mich zu und reichte mir die Hand. Mit einem leicht verunsicherten Lächeln erwiderte ich ihren Handschlag. „Äh... S-Sophie", erwiderte ich. Sie lächelte schwach und sah dann wider zu James.
„Also... Bell ist meine Nichte.", erklärte mir James. Ist sie dafür nicht ein wenig zu alt?
„Naja so ganz stimmt das nicht...", fing sie an und bedachte James mit einen merkwürdigen Blick. „Er ist sowas wie mein Taufpate. Doch er hat es sich in den Kopf gesetzt, dass er mein Onkel ist.", sie schüttelt schmunzelnd den Kopf.
Ein Stein viel mir vom Herzen. Zwar sagte mir etwas, auch wenn es noch so klein war, dass sie mal mehr als das waren. Wäre das überhaupt Moralisch vertretbar? „Warst du nicht damals ein wenig zu jung?", fragte ich und schaute zu James. „Naja, ich war 8, als sie geboren wurde und als sie getauft wurde war ich 10. Der beste Freund meines Vaters fand es wohl sehr witzig.", er zuckt nur mit den Schultern. Also ist James 29 Jahre. Wow, wir sind 10 Jahre auseinander und mir macht das überhaupt nichts aus. Mir fällt auf, dass es das erste Mal ist, das ich etwas über James Familie erfahre. In den Moment wird mir klar, wie wenig wir eigentlich voneinander wissen. Wenn ich daran denke, dass er rausfindet, was mir damals zugestoßen ist, dreht sich mein Magen um.
Auf einmal legt sich eine bedrückende Stille über uns, bis sich James räuspert.
„Also, was wolltest du?", fragt er nun Bella. „Ja naja wollen wir äh... vielleicht kurz in dein Büro?", unauffällig schielt sie zu mir, aber ich merke es trotzdem. „Ich gehe mal auf die Toilette.", sage ich und sprinte los, bis mir auffällt, dass ich überhaupt keine Ahnung hab, wo die eigentlich ist. Als hätte James es gewusst, rief er mir noch „Oben links, erste Tür." zu. Ich laufe die schwarzen Treppen hoch und öffne die erste Tür links.
Vor mir erstreckte sich ein großes graues modernes Bad.
Vor einer Fensterfront steht eine frei stehende Badewanne. An der Wand rechts, ist eine riesige offene Dusche und an der Wand links, erstreckt sich ein großer Spiegel, der mir Wetter und Uhrzeit anzeigt. Zwei große Marmorwaschbecken runden das, natürlich auch perfekte Bad, ab. Ich befeuchte meine Wangen und meinen Nacken und atme noch mal kurz durch. Als ich die Tür ein wenig öffne, höre ich Stimmen von unten. „Wie soll denn das noch weitergehen James? Du musst diese Pflicht übernehmen, dein Vater besteht darauf.". James lacht spöttisch auf. „Ach, er will das, ja? Als ich so weit war, hat er mich weg geschickt, ich sollte studieren. Gut, hab ich. Mein Job macht mir Spaß Bell, aber du weißt, dass ich nichts dagegen hatte meinem Dad zu helfen, aber er wollte meine Hilfe nicht. 8 Jahre später schickt er dich, weil er jetzt plötzlich doch meine Hilfe will?". „James. Er wollte immer nur das Beste für dich und nach deiner Mam-". „Wag es nicht.", brüllt James jetzt fast.
„Sie als Ausrede für seine Fehler zu benutzen ist einfach nur erbärmlich. Er hat mir ganz klar ins Gesicht gesagt, dass er mich nicht braucht. Und wenn doch, soll er mir das bitte auch persönlich sagen. Außerdem...", er stockt. „Weiß ich nicht mal mehr, ob ich das überhaupt noch will.". „Es ist wegen ihr?", jetzt ist es Bella, die ihre Stimme erhebt.
„Sie ist doch auch nur eine von vielen. Sie bedeutet dir doch nichts. Wahrscheinlich hast du sie nur hier her gebracht, um sie flach zulegen, so wie die ganzen anderen vor ihr. Du weißt genau, dass es immer so gedacht war, dass wir heiraten.".
„Das reicht jetzt Bell! Du bist meine Nichte, nicht mehr und nicht weniger. Und ich verbiete dir, so über sie zu reden.".
„Ach komm James. Ich weiß ganz genau, dass du das zwischen uns auch so siehst und wir wissen beide, dass ich nie deine Nichte war, geschweige denn bin. Mag sein, dass du mein Taufpate bist, aber das war's. Und was das Mädchen angeht, gebe ich der Sache eine, maximal zwei Wochen. Hör auf dich gegen die Gefühle zu wehren, die du für mich hegst.".
„Herr Gott, wie oft soll ich noch sagen, dass ich nichts für dich empfinde. Geh jetzt bitte. Wir reden ein anders mal weiter. Und richte meinem Vater aus, wenn er was von mir will, soll er sich gefälligst selbst bei mir melden!", James stimme lässt keine Widerworte zu.
„Mach's gut James und noch viel Spaß mit deiner Puppe.".
Hat sie mich gerade Puppe genannt?! Ich höre noch wie die Türen vom Fahrstuhl aufglitten und sich wieder schließen.
James entließ so lautstark seine Luft, dass ich es bis oben hören konnte. Ich vernahm noch wie er gegen irgendwas trat und er danach „Fuck!", stöhnte. Zögernd ging ich die Treppen runter.
Was zum Teufel war das gerade? Was wollte sein Vater von ihm? Was ist mit seiner Mutter passiert?
Und noch viel wichtiger, was zum Teufel hatte Bella damit zu tun? Warum wollte sie ihn heiraten? Ein schmerzhafter Stich durchzog meine Brust. Was ist, wenn es stimmte und ich für James wirklich nur eine Puppe war.
Was soll ich jetzt bloß machen? Doch auf einmal klingelte mein Handy, als ich auf der letzten Stufe der Treppe ankam. James drehte sich ruckartig zu mir um. Ich zog mein Handy raus und stockte.

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