Kapitel 6

1.1K 26 0
                                    

Kapitel 6

,,Ja?" , nehme ich den Anruf an. ,,Kommst du raus?" fragt er mich. Ich schaue auf die Uhr und sehe, dass die Zeit relativ schnell vergangen ist. Mittlerweile haben wir schon 22 Uhr und als ich zuletzt auf die Uhr geschaut habe, war es 19 Uhr. ,,Meine Eltern werden mich nicht lassen Ferhat" spreche ich die Wahrheit aus. ,,Sag, du brauchst etwas frische Luft und kommst auch schnell wieder" versucht er mich zu überreden. ,,Ich habe eigentlich keine Lust auf dich", haue ich raus, da ich jetzt wirklich nicht raus möchte und vor allem nicht mit dem Jungen der mich seit Wochen ignoriert, nur weil er anscheinend eine Freundin hat. Es bleibt still an der Leitung. ,,Okay wie du magst, wenn du es dir doch anders überlegst, dann gib mir Bescheid, ich bin sofort da" kommt es verständlich, aber auch etwas enttäuscht von ihm. Ich nicke, obwohl er es nicht sehen kann und es stauen sich erneut Tränen in meinen Augen auf. Vielleicht bin ich emotional, weil er jetzt etwas enttäuscht wirkt und ich seine Bitte abgelehnt habe, obwohl er immer der Mensch war, der mir ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hat. Ich war ebenfalls immer für ihn da, aber vielleicht geht es ihm diesmal wirklich nicht gut und ich bin so kalt, dass ich ihm dieses eine mal die Bitte abschlage. Zudem bin ich absolut nicht nett und sage ihm, dass ich keine Lust auf ihn habe. Wieso verletze ich Menschen mit meinen Worten, die mich selber so sehr verletzen würden? Ich verstehe mich selbst nicht. Wer bin ich überhaupt? Ich fürchte, mich zu kennen, und kann mich doch nicht ignorieren. Der Mensch ist ein dunkles Wesen. Er weiß nicht, woher er kommt, noch wohin er geht, er weiß wenig von der Welt und am wenigsten von sich selber. ,,Bist du noch da?" fragt er nach. Ich bin wohl schon wieder in meinen Gedanken versunken. ,,Mhm", bringe ich nur knapp von mir, weil ansonsten meine Stimme, wenn ich einen ganzen Satz ausspreche, brechen würde. Mir bleibt der Gedanke, dass es ihm eventuell nicht gut geht im Kopf. ,,Ferhat?" setze ich an und zum Glück hat sich meine Stimme nur leise, aber nicht zerbrechlich angehört. ,,Geht es dir eigentlich gut?" beende ich meine Frage, auch wenn diese jetzt etwas unerwartet kam. ,,Mir geht es gut, aber ich weiß, dass es dir nicht gut geht. Wieso bricht deine Stimme, wenn du sprichst?" beantwortet er meine Frage und stellt gleichzeitig eine weitere Frage auf. Mist, ich dachte, man merkt mir nicht das Emotionale in der Stimme an. Es kehrt wieder stille an der Leitung ein. ,,Hör auf zu schweigen, es bringt dich nicht weiter, wenn du alles in dich hineinfrisst", spricht er ruhig. Er hat recht. ,,I-ich" möchte ich gerade anfangen, doch ich breche plötzlich aus. Ich fange an zu weinen und das nicht recht leise. Ich stecke meinen Kopf in meinen Kissen und versuche so meine Laute abzudämmen. ,,Hey Sheila alles wird gut. Was liegt dir auf dem Herzen?" kommt es etwas besorgt von ihm. Ich antworte nicht und weine einfach nur weiter. Es würde nur Müll aus meinem Mund kommen, egal was ich jetzt sagen würde. ,,Sheila, bitte wein' nicht, du kannst mit mir sprechen" setzt er weiter an. ,,I-ich möchte nicht F-Ferhat, gute Nacht" sind meine letzten Worte bevor ich auflege. Obwohl ich doch nur weiter am Schalter geblieben bin, weil ich Ferhat helfen wollte und auch für ihn in schlechten Zeiten da zu sein, bin ich, wie jedes Mal die schlechte und lege einfach auf. Es war einfach nur ein Reflex, da ich kein Wort aus meinem Mund brachte, ohne direkt anzufangen zu heulen. Schon wieder denke ich über meine Fehler im Leben nach, doch sehe nichts Positives. Wieso? Ich müsste froh darüber sein, dass ich so ein Leben führe, denn es gibt unendlich mehr Menschen, die nicht einmal ansatzweise das haben, was ich habe. Ich muss endlich aufhören, ständig über mein Leben nachzudenken. Shah Rukh Khan sagt nicht umsonst ,,Lebe und denke nicht an Morgen" dieser Mann ist so weise und all seine Zitate und Sprüche sind mir seit meiner Kindheit im Kopf geblieben. Man ist verloren, wenn man zu viel Zeit bekommt, an sich zu denken. Mein Handy leuchtet paar mal hinter einander auf. Ich nehme es mir zur Hand und lese die Nachrichten durch, die ich von Ferhat stammen. ,,Sheila, ich wollte mich eigentlich nur entschuldigen für all diese Umstände, die ich ohne einen Grund angerichtet habe. Ich will nicht dass unsere Freundschaft wegen Kleinigkeiten zerbricht." ,,Ich akzeptiere es auch, dass du jetzt nicht reden willst und es tut mir auch echt leid, falls ich dich um diese Uhrzeit gestört habe. Bedenke das ich immer für dich da bin!" ,,Es tut mir nochmal leid"Ich lasse diese Nachrichten auf gelesen, weil ich keine Ahnung habe, was ich darauf antworten könnte. Ich find' es toll wie er sich entschuldigt für sein Verhalten und ich kann es ihm auch nicht mehr übel nehmen. Ich tue das, was er von mir wollte, schlafen gehen. Es wäre jetzt das beste für mich. Ich stelle meinen Wecker für morgen an und schalte den Flugmodus ebenfalls an, bevor ich mein Handy zur Seite lege und meine Augen schließe, mit leeren Gedanken. Bevor wieder irgendwelche Gedanken auftauchen, bete ich zu Gott, danke ihm für alles was ich habe und bitte ihn nur um meinen Seelenfrieden. Jedes Mal, nachdem ich bete, kann ich anschließend in Ruhe schlafen. Ich fühle mich danach frei und gleichzeitig beschützt. Nichts dringt mehr in meine Gedanken.

Wᴀʀᴜᴍ ɪᴍᴍᴇʀ ɪᴄʜ?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt