Kapitel 15

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15. Kapitel

Auch er schaut mich an. „Geht es dir gut?" In seinen Augen spiegelt sich Leere. Keine Gefühle, keine Emotionen, einfach nichts! Die ersten Sekunden halte ich seinem Blick stand, doch kurzerhand breche ich den leeren Blickkontakt ab und schaue beschämt in die leere Nacht. „Kannst du bitte einfach deine Zigarette ausdrücken oder mir aus dem Weg gehen?", schluchze ich. „Du kannst mir nichts vorschreiben, Kleines" und schon bläst er mir ins Gesicht. Dieser respektlose Kerl raubt mir den letzten Nerv. Es reicht! Mein Atem wird wieder schwer und ich fange an zu husten. Ich bin viel zu empfindlich, wenn es um Zigarettenrauch geht. Nicht nur, dass ich es hasse, mein Körper reagiert furchtbar darauf. „Fick... dich" rufe ich stoßweise bis sich mein Hals immer weiter zuschnürt.

Ich stehe gebeugt und starre auf den Boden, als ich sehe, wie die Zigarette auf den Boden fällt und er sie mit dem Fuß ausdrückt. Ich habe nicht damit gerechnet, dass er auch noch seine große Hand auf meinen Rücken legt und sanft darauf klopft.
„So ernst?" kommt es etwas distanziert von ihm. Seine andere Hand liegt auf meiner Taille und schiebt mich zu einer Bank. Er soll die Finger von mir lassen. Mein Herz rast vor Wut. Ich muss mich beruhigen und hasse es, angefasst zu werden. „Finger weg", maule ich. Meine Augen sind immer noch verschwommen von all den Tränen, die in jeder Sekunde fließen und sich wieder sammeln. Als wir uns setzen, nimmt er seine Hände von meinem Körper. „Um deine Frage zu beantworten... ja, es ist alles in Ordnung", sage ich flüchtig. „Sieht aber nicht so aus" antwortet er. Dann sieht es eben nicht so aus! Es interessiert ihn überhaupt nicht, wie es mir geht. Er kennt mich nicht und ich kenne ihn nicht. Wir sind zwei Fremde.
„Willst du mir sagen, warum du Panik hast?" Ist das so offensichtlich? „Sicherlich nicht" ,murre ich. „Man kann nicht ewig vor seinen Ängsten davonlaufen" Will er sich als Dichter oder Poet beweisen? Er sieht aus wie ein 0815 Rapper und klingt auch so. Er kann nicht wissen, ob ich vor meinen Ängsten davonlaufe oder nicht. So jemanden brauche ich jetzt nicht an meiner Seite. „Was beruhigt dich in solchen Situationen?", fragt er. Ich will nicht antworten. Das einzige, was mich beruhigt, ist Ruhe und trotz allem die Anwesenheit eines Menschen, der mir Schutz bieten kann. „Ich weiß es nicht", das ist die Unwahrheit. Er atmet tief aus. Ich glaube, er ist genervt. Natürlich ist man von jemandem wie mir genervt. Wenn ich auf meine Probleme angesprochen werde, vertraue ich sie niemandem an.

„Ich will sie nicht heiraten", teilt er mir nach einer langen Pause mit. Wovon redet er? Ich schaue ihn erwartungsvoll an. „Mein Vater sucht mir eine Frau, die ich nicht kenne, die ich aber heiraten werde." „Warum erzählst du mir das? Wir kennen uns doch kaum", hake ich nach. „Einer von uns beiden muss das Eis brechen", beantwortet er meine Frage. Er will, dass wir uns einander öffnen?
„Ich glaube, es gibt nichts zu brechen, wenn ich mich mir selbst nicht öffnen kann", gebe ich zu. Wir schauen uns in die Augen und er sucht etwas, das er anscheinend nicht finden kann. Ich glaube, ich muss diesen Moment unterbrechen.

„Ich muss wirklich nach Hause" Ich stehe auf und schaue auf mein Handy. Nein, nein, nein, das kann nicht sein. Mein Vater ist bestimmt schon zu Hause. Er steht auch auf und deutet mit dem Kopf auf ein Auto. Wahrscheinlich sein Auto. „Ich fahre dich" Auf keinen Fall fahre ich heute wieder mit einem Typen wie Ferhat. Apropos Ferhat, er ist noch nicht rausgekommen. Wahrscheinlich ist er noch mit dem ganzen Drama beschäftigt. „Nein danke, ich rufe mir ein Taxi" Ich schreibe Jîwan eine Nachricht, dass er Leyla nach Hause fahren soll. Er zieht sein Handy aus der vorderen Hosentasche und beginnt zu telefonieren. Er nennt die Adresse, an der wir uns gerade befinden und legt schnell wieder auf.
„Taxi kommt", sagt er. Nett von ihm...

Nach 10 Minuten steht der gelbe Wagen vor uns. In der Zwischenzeit haben wir kein Wort gewechselt. Er öffnet mir die Tür, bevor ich überhaupt dazu komme. Ich steige ein und schenke ihm ein schwaches Lächeln. Er zwinkert mir schmunzelnd zu und schließt die Tür. „War nett mit dir", was für ein Schleimer... Darauf antworte ich nicht. Zunächst wendet er sich dem Taxifahrer zu, wovon ich nicht viel mitbekomme, da ich auf mein Handy schaue. Keine verpassten Anrufe meiner Eltern, obwohl mein Vater längst zu Hause sein müsste. Die Stimme des Taxifahrers weckt mich und ich gebe ihm meine Adresse, nach der er gefragt hat. Wir fahren los und schon sehe ich den Unbekannten nur noch aus der Ferne.

Wᴀʀᴜᴍ ɪᴍᴍᴇʀ ɪᴄʜ?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt