Kapitel 12

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Kapitel 12

Nach einer unangenehm-stillen Fahrt kommen wir an und steigen zügig aus. Vor mir sehe ich ein riesengroßes Haus, könnte man auch schon eine Villa nennen. Wow! Die Gegend sieht viel nobler und ruhiger aus als mein Viertel, wo es nur von Dealern wimmelt. 𝘋𝘶 𝘸𝘪𝘳𝘴𝘵 𝘯𝘪𝘦 𝘢𝘶𝘴 𝘥𝘪𝘦𝘴𝘦𝘮 𝘓𝘰𝘤𝘩 𝘳𝘢𝘶𝘴𝘬𝘰𝘮𝘮𝘦𝘯. Ich bin dort aufgewachsen und kenne es nicht anders, somit ist es nicht sonderlich schlimm für mich dort mein Leben zu führen. Ich betrachte die Umgebung, erblicke einen See und viel Grünes. In so einer Ambiente möchte ich irgendwann mit meinem Ehemann und meinen Kindern leben. Inshallah. Hier würde sich wirklich jeder wohlfühlen. Ein wahrhaftiges Traumhaus! Und hier soll eine Hausparty stattfinden? Sieht überhaupt nicht so aus. „Kommst du?" reißt Ferhat mich aus meiner Trance. Er ist schon ein paar Schritte voraus. „Mhm" quieke ich. Ein kleines schmunzeln bildet sich in seinem Gesicht und im nächsten Moment streckt er seine Hand nach mir aus. Wie? Ich soll seine Hand halten? Ich schaue runter: Adern zieren seine große, gepflegt und gebräunte Hand. Langsam ziehe ich meine Schultern etwas hoch, laufe vermutlich rot an weil ich mich etwas vor diesem Schritt schäme, dennoch erwidere ich seinen Griff. Ich schlucke fest als eine angenehme Wärme meine Finger umschlingt. Es fühlt sich so an als ob meine winzige Hand in seiner unter gehen würde. 𝘋𝘰𝘤𝘩 𝘦𝘴 𝘧𝘶̈𝘩𝘭𝘵 𝘴𝘪𝘤𝘩 𝘴𝘤𝘩𝘰̈𝘯 𝘢𝘯...𝘸𝘶𝘯𝘥𝘦𝘳𝘴𝘤𝘩𝘰̈𝘯. Ich fühle mich durch diese Geste sicherer und sie gibt mir schon viel mehr Selbstvertrauen. Auch auf meinem Mund ziert sich ein kleines Lächeln, es macht mich glücklich. Verrückt wie sich augenblicklich unsere Stimmung ändert. Kürzlich haben wir uns noch gestritten und inzwischen sind wir wieder harmonisch miteinander. Wir laufen auf das Riesen Traumhaus zu bevor Ferhat meine Hand loslässt und in der nächsten Sekunde die Klingel betätigt.

Mein Blick schweift zur Klingel...𝘔𝘦𝘳𝘢𝘭. Ich kenne diesen Nachnamen nicht. Was soll's, die Tür wird uns aufgemacht von- Momentmal, Ayla? Sofort rutscht mein Herz in die Hose. Sie fängt an zu strahlen als sie Ferhat sieht, doch dies hört ruckartig auf als ihre Blicke auf meine Treffen. Ihre hässlichen Edding-Augenbrauen zieht sie streng zusammen. Am liebsten würde ich ihre Schwarzen Extensions ausreißen. „Was macht sie denn hier?" presst sie vor allem das „sie" abwertend durch ihre übermalten Lippen und schaut Ferhat an. Wie kann eine Stimme in mir so ein Kotzreiz auslösen? „Rede nicht in dritter Person über mich, ich stehe vor deiner ekelerregenden Visage" ,melde ich mich nun auch mörderisch laut zu Wort. Ferhat spannt sich merklich an, als Ayla einen Schritt auf mich zu ansetzten scheint. Sie ist auf Stress hinaus, ist wahrscheinlich gängig bei so einem Assi-Weib. Der Hass ist ihr inzwischen ins Gesicht geschrieben. „Lass uns einfach rein Ayla" ,unterbricht Ferhat die angespannte Situation. „Sie kommt mit diesen asozialen Klamotten nicht rein." Asozial? Nur weil ich in Jogginghose, und nicht wie sie in einem Pinken Flittchen Kleid hier aufkreuze? Ferhat zieht nur seine Augenbrauen zusammen und sagt nichts. Er sagt einfach nichts! Es war schon zu Beginn klar, dass er mich nicht in Schutz nehmen wird. Ich bin sauer, enorm sauer! 𝘚𝘪𝘦 𝘪𝘴𝘵 𝘴𝘦𝘪𝘯𝘦 𝘍𝘳𝘦𝘶𝘯𝘥𝘪𝘯, 𝘯𝘢𝘵𝘶̈𝘳𝘭𝘪𝘤𝘩 𝘦𝘳𝘩𝘦𝘣𝘵 𝘦𝘳 𝘴𝘦𝘪𝘯𝘦 𝘚𝘵𝘪𝘮𝘮𝘦 𝘪𝘩𝘳 𝘨𝘦𝘨𝘦𝘯𝘶̈𝘣𝘦𝘳 𝘯𝘪𝘤𝘩𝘵. Ich möchte Leyla hier nur noch rausholen und sofort verschwinden. „Ayla" mahnt Ferhat und zieht sie hinein. Sie verdreht ihre Augen und atmet tief aus. Er versucht sie abzulenken und schon verkreuzt sie ihren Arm mit seinem. Beide verschwinden irgendwo zwischen der Menschenmenge. Kannte er von Anfang an ihre Adresse? Er sah nämlich nicht so überrascht aus, sie hier zu sehen. Ayla hat ihn also tatsächlich hier hin gerufen als sie mit ihm telefoniert hat und deshalb war sein Blick auch so skeptisch als ich die Adresse in sein Navi eingegeben habe. Ich betrete die Villa und schon dröhnt mir heute zum zweiten Mal die laute Musik und die Stimmen aller Menschen in den Ohren. Diesmal ist es nicht so schlimm wie auf der Uni-Party, da sich hier deutlich weniger Personen befinden. Ich versuche mich zu beherrschen aber muss trotzdem meine Augen leicht zusammenkneifen um mich auf die Umgebung konzentrieren zu können. Alles gibt mir ein erdrückendes Gefühl und Kopfschmerzen, doch da muss ich jetzt durch. Ich schaue mir die Menschen um mich herum an und bemerke wie jeder einzelne bekifft oder betrunken rumläuft. Ich halte Ausschau nach Leyla und hoffe einfach ihr geht es gut.

Abrupt aber dennoch sanft werde ich an meinem rechten Arm aus der Menge raus gezogen und blicke in strahlend Grüne Augen. Jîwan. „Suchst du Leyla?" fragt er mich behutsam. Mein Kopf dröhnt und ich kriege kein Wort raus. Ich nicke nur. Einfach nicken. Er schenkt mir ein dezentes Lächeln und zieht mich die Treppen hinauf. Dieses Haus ist riesig! Ich habe ja überhaupt keinen Überblick. Zum Glück halten sich hier oben keine Menschen auf. Wir laufen durch einen langen Flur der links und rechts viele Türen aufweisen lässt, doch bleiben an der letzten ganz hinten stehen. Er öffnet die Tür und schon sehe ich Leyla auf einem ungemein großen Bett liegen. Ihre Arme und Beine sind lang gestreckt. Augenblicklich steigt meine Sorge, als ich sehe wie schwer sie sich im Bett umwälzt. Auf Anhieb laufe ich hin und stütze mich neigend an dem Bett, über ihr Kopf ab. „Hey alles gut süße?" sie grinst nur vor sich hin und gibt ein benebeltes „mhm" inklusive einem Nicken von sich. Ihr wurde wirklich etwas untergemischt... so war sie sonst nie. „Ich weiß nicht was sie untergemischt bekommen hat, ich habe versucht so gut wie möglich auf sie aufzupassen aber irgendwie ist es mir dennoch nicht so ganz gelungen." ,erörtert Jîwan mir ehrlich. Ich glaube ihm und nicke verständnisvoll, damit er sich nicht allzu große Vorwürfe macht. Solche Situationen gehören in einem „Partyleben" dazu und können immer wieder geschehen. Seine Augen können auch nicht überall sein. „Nachdem sie mit dir telefoniert hatte und so emotional war, ist sie zusammengeklappt und bewegt sich hier seitdem nicht mehr raus." spricht er weiter. Also war er die Männliche Stimme am Ende des Telefonats. „Alles gut, ich bring sie einfach nach Hause. Danke dir Jîwan!" ich lächle ihn sanft an und blicke wieder zu Leyla. „Vielleicht sollte sie erstmal duschen gehen, ich wollte auf dich warten weil... naja, ich nichts überstürzen wollte." führt er nervös weiter. Ein Gentleman also. Ich kann mir ein kleines Kichern nicht verkneifen. Man merkt ihm an wie besorgt er ist. So sieht man ihn wirklich selten. „Hier gibt es ein sauberes Gästebad hat mir so ein Typ der hier wohnt Bescheid gegeben" Hier? Duschen? Nein. Ich bringe sie lieber nach Hause und dort kann sie dann ausgiebig duschen. Überraschend klopft es an der Tür. Wir drehen unsere Köpfe in die Richtung und im nächsten Moment öffnet sich diese schon.

Ein junger Mann - ungefähr in unserem Alter - betritt den Raum mit zwei Handtüchern, einen Jogginganzug, Tabletten und eine Wasserflasche in der Hand. Er ist groß, dünn und trägt einen leichten Oberlippenbart, seine Dunklen Haare sind frisch geschnitten und seine dunkelbraunen Augen fixieren meine. Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen um zu verstehen wer er ist und was er hier zu suchen hat. Aus seinen Augen kann ich nichts deuten. Sie zeigen leere und kühle. Jîwan läuft auf ihn zu „Hier die Sachen für das Mädchen. Alles Frisch gewaschen, die Unterwäsche ist komplett neu, hat meine Schwester extra für Notfälle ihrer Freundinnen gekauft. Das Bad ist direkt die nächste Tür links." lässt der Unbekannte uns wissen. „Danke" kommt nun Jîwan zu Wort. Der Typ nickt flüchtig und legt alles auf die Kante des Bettes. Schon verlässt er den Raum so schnell, wie er ihn auch betreten hat. „Wer war das?" komme ich schließlich auch mal zustande einen kurzen Satz zu bilden. „Keine Ahnung, ich weiß nur dass er hier wohnt." zuckt er ahnungslos mit seinen Schultern. Naja, unwichtig. Jîwan versucht Leyla vorsichtig aufrecht hinzusetzen und schenkt ihr anschließend in ein Glas, Wasser ein. Ich helfe ihm kurz bevor ich wieder zurücktrete und er Leyla tief in die Augen blickt um etwas aus ihnen zu Interpretieren, oder vielleicht doch um ihr etwas mit seinen Blicken zu signalisieren. Seine eine Hand liegt an ihrem Rücken, um ihre Position standzuhalten während die andere Hand Leyla langsam das Glas zum Mund reicht „Trink das ganz langsam".  Dieser Anblick der beiden gefällt mir. Er behandelt sie so lieblich, da wird mir schon beim Anblick warm ums Herz. Sie würden doch sicherlich ein tolles Paar ergeben! Nichtsdestotrotz schaue ich mir das Gästebad kurz an um sicher zu gehen, dass hier wirklich alles sauber ist - was auch zum Glück der Fall ist. Bei dem Thema Hygiene bin ich mega penibel!

Jîwan stützt Leyla langsam beim gehen in das ebenso große Badezimmer - wie alles andere hier auch - ab und setzt sie langsam auf die geschlossene Kloschüssel. Man merkt, dass Leyla allmählich zu sich kommt und schon wieder beständig sitzen und laufen kann. Sie legt ihre Hände auf ihre Blase und wackelt mit ihren Beinen „Ich muss pipi!" quengelt sie wie ein Kleinkind, während Jîwan versucht sein Lachen zu unterdrücken. Er flitzt aus dem Badezimmer, holt den Jogginganzug, die Unterwäsche und die zwei Handtücher und legt die Sachen auf eine kleine Kommode neben der Badewanne. „Na dann... geh ich mal." zögert er leicht beschämt und verlässt schon das Badezimmer. Wow, ich hab mit allem gerechnet aber nicht damit, dass ich Leyla auf einer Hausparty in einer Riesen Villa Baden muss.

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Hand aufs Herz - Jîwan und Leyla sind schon süß, seid ehrlich!

Wᴀʀᴜᴍ ɪᴍᴍᴇʀ ɪᴄʜ?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt