In My Feelings

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Violet hatte also ihre depressive Teenager Phase, die jeder einmal in seinem Leben durchmachen musste. Bei mir war es schon längst keine Phase mehr, sondern ein Charakterzug. Schon seit dem ich vier war hatte ich diese Haltung.

Gerade saß sie neben mir und kritzelte Elfen in ihren Block, während alle anderen Schüler in Partnerarbeit an ihren Kunstprojekten arbeiteten. Sie sah so aus, als hätte sie genauso wenig Interesse wie ich an diesem scheiß Wettbewerb.

Ich wusste jetzt über sie, dass sie eigentlich keine Ziele hatte. Vielleicht wollte sie damals aufs College gehen und Krankenschwester werden. Doch jetzt war es ihr nicht wichtig, gute Noten zu schreiben und zielstrebig zu sein. Sie gab sich von außen vielleicht so - und vielleicht versuchte sie auch wirklich, sich zu interessieren. Aber eigentlich lag es auf der Hand. Sie hatte Sehnsucht nach dem Tod.

Was kein Wunder war. Sie wurde gemobbt, beraubt, hat ihre Nana verloren und hatte anscheinend keine Freunde oder Verwandten, die ihr nahe standen. Dazu kam auch noch ich, der sich über sie lustig machte und sie nicht gerade gut behandelte.

Aber das war eben nicht meine Art. Sie mit Samthandschuhen anzufassen, nur weil sie einen Streifen mitgemacht hatte. Mein Leben verlief selbst nicht besser und trotzdem badete ich nicht im Selbstmitleid. Ich erwartete auch nicht, dass man Rücksicht auf mich nahm oder besonders behandelte.

Heute musste ich unbedingt eine Mission erfüllen. Herausfinden, wer Violet das mit dem Fischeimer angetan hatte. Das dürfte auch absolut kein Problem sein. Ich musste nur ein wenig schauspielern.

Als es klingelte ging ich zu Tiffany's Spind und lehnte mich dagegen. Als sie auf mich zukam, hob sie eine Augenbraue. "Was gibts?", fragte sie.

"Hast du schon gehört, was gestern mit Glubschi passiert ist?", fragte ich.

Sie grinste hämisch und schob mich beiseite, um ihren Spind zu öffnen und ihre Bücher herein zu legen. "Ja. Das mit den Fischen?"

"Die Person, die auf diese geniale Idee gekommen ist, verdient einen Oscar", sagte ich ebenso grinsend.

"Oh", sagte sie zwinkernd. "Das war meine Idee." Sie klopfte sich selbst auf die Schulter und rollte geschmeichelt mit den Augen.

Gut zu wissen, Bitch.

"Eliah", begrüßte mich jemand mit monotoner Stimme.

Ich sah zur Seite und stellte fest, dass es Jeremy war.

"Wieder da, Troy?", fragte ich und zog einen Mundwinkel hinauf.

"Sehr witzig, Rex", sagte er und fuhr sich durch seine verschwitzte Matte. "Was suchst du bei Tiff?"

Ich wusste schon, wie ich es Tiffany heimzahlen konnte. Auf eine Weise, die doppelt Spaß machen würde.

Wieso ich es ihr überhaupt heimzahlen wollte? Mich interessierte das Highschool Drama einen Dreck, doch ein bisschen Gerechtigkeit musste hergestellt werden. Zudem konnte ich Tiffany nicht leiden. Violet war auch nicht mein Lieblingsmensch, aber das gestern hatte sie nicht verdient.

Isabelle würde mir auch wieder Essen kochen, wenn sie wüsste, dass ich Violet rächte.

Was wollte dieser Troy von mir? Ich stellte mich direkt gegenüber von ihm und war über einen Kopf größer als der Basketballprofi. Typen wie Jeremy waren für mich zerbrechliche Weiber. Nur Menschen mit einer Statur wie die von Terrence, hätten eine Chance gegen mich.

"Tiffany hat den geilste Arsch der Schule", sagte ich mit provokantem Grinsen. "Ich hab sie dir warm gehalten, Kumpel."

Sprachlos öffnete er seinen Mund. Er wurde rot vor Wut, traute sich aber nicht, das Wort gegen mich zu erheben. Er wusste, dass ich Weiber wie ihn zum Frühstück verputzte.

Ich konnte im Augenwinkel sehen, wie Tiffany sich das Lächeln verkniff. Sie genoss wohl die Aufmerksamkeit und dachte, dass hier wäre eine Art Konkurrenzkampf.

Wenn sie wüsste, was ich mit ihr vorhatte, würde ihr das Lächeln ganz schnell vergehen.

***

Violet

"Versprich mir, dass du wieder lebst. Dass du wieder sprichst und Freunde findest. Dass du wieder zu dir und deinen Träumen findest."

Ich bereute nichts mehr, als dieses Nicken, was ich ihr mit tränenüberströmten Gesicht gab. Alles wäre so viel einfacher, wenn ich nicht genickt hätte. Dann hätte ich noch den freien Willen über mein Leben gehabt.

Ich starrte auf die Elfen in meinem Block und fragte mich, welchen Gesichtsausdruck meine nächste haben sollte.

Ich entschied mich, ihre Augen geschlossen zu zeichnen.

Wieso beobachtete er mich immer? Hatte er nichts besseres zu tun? Anscheinend nicht. Wir hatten nämlich gerade Projektunterricht und er hatte ja entschieden, da nicht mit zu machen.

Ich erinnerte mich an meinen ersten Tag hier. Ich hatte es wirklich versucht. Ich hatte versucht, zu sprechen. Ich hatte ihn sogar gefragt, was wir als Projekt machen wollten.

Jedesmal, wenn ich sprach, bekam ich eine negative Reaktion von außen. Sie wollten nicht, dass ich sprach. Sie machten sich über mich lustig und verachteten mich.

Es war so, als würde mich meine Umwelt dazu zwingen, das Versprechen, was ich Nana gab, zu brechen und einfach zu gehen.

Vielleicht erledigte das irgendjemand anders bald für mich. Das Universum hatte keine tauben Ohren und hörte jeden meiner Wünsche. So unwahrscheinlich, dass mich jemand umbringen würde, war es nicht, bei all den Feinden die ich hier hatte. Vor allem bei Eliah's Kollegen.

Es war schwer, es mir einzugestehen, doch ich mochte ihn. Mehr, als mir lieb war. Er war einer der letzten, die ich mögen sollte, aber es hatte seine Gründe.

Redete ich mir jedenfalls ein.

Zum einen war er der erste, der mir wieder die Welt der Gefühle außerhalb von Trauer und Leere zeigte. Seit dem ich ihn kannte, war ich wieder wütend. Es tat gut, wieder zu spüren, wie sich so etwas anfühlte. Wut war eine nette Abwechslung.

Zum anderen schien er mich nicht zu bemitleiden. Er erlaubte es sich, scheiße zu mir zu sein, obwohl das was er über mich wusste, ihn zum Schweigen bringen sollte. Doch es schien ihm scheißegal. Was wohl bedeutete, dass ihn nichts mehr überraschte, da er selber viel durchgemacht hatte.

Seine braunen Augen lagen auf mir...
Vielleicht sollte ich zurück schauen und mich in ihnen verlieren. Vielleicht würde es mir leichter fallen zu gehen, wenn mein Herz gebrochen wird. Dafür muss ich mein Herz erst wieder für die Liebe öffnen.

Einer Sache konnte ich mir unweigerlich sicher sein: Bei Eliah würde ich sowas wie Liebe niemals finden. Er war viel zu kaputt, viel zu sehr mit sich und seinen Problemen beschäftigt, als dass er mehr als einen Fick für jemanden empfinden konnte. Und diese Gewissheit hatte etwas sicheres an sich. So sicher, wie der Tod gerade für mich war.

Selbst wenn er für Liebe Platz in seinem Leben gefunden hätte - ich würde niemals auch nur Ansatzweise für ihn in Frage kommen.

Aber ich würde ihn auch nicht wollen.

Ich wollte kein Glück mehr. Ich wollte, dass er mich würgte, bis das Leben aus mir wich. Der Gedanke fühlte sich so gut an.

Plötzlich hatte ich ein neues Ziel vor Augen. In mir regte sich das magische, glitzernde Gefühl der Hoffnung, wie ein kleines Feuer, was in meinem Herzen angezündet wurde. Wieder ein neues Gefühl, das ich schon Ewigkeiten nicht mehr geschmeckt hatte.

Mit allem was ich hatte, würde ich ihn dazu bringen, seine Hand an meine Kehle zu legen.

Catch me if you canWo Geschichten leben. Entdecke jetzt