Am nächsten Morgen falle ich mit einem dumpfen Geräusch vom Sofa. Stöhnend richte ich mich auf und reibe mir die Schläfen. Die Nacht war eindeutig zu kurz. Roxana muss schon länger wach sein, da sie nicht mehr in ihrem Bett liegt. Müde reibe ich mir die Augen und schlurfe ins Esszimmer. Am Tisch sitzen nur Roxana, Tabitha und Bobby. Die drei lachen herzhaft miteinander. Ein weiterer Junge sitzt am Tisch, mit dem Rücken mir zugewandt. „Oh hey!", begrüßt mich Tabitha. Ich habe das Gefühl, dass sie sich mir gegenüber langsam öffnet. „Hey", sage ich. Der Junge dreht sich zu mir. „Was machst du hier?", fragt Angus im strengen Ton, als würde es ihn stören, dass ich hier bin. „Netterweise hat Roxana mich zum übernachten eingeladen, da gestern Abend ein Sturm aufgezogen ist", sage ich etwas verwirrt, da ich diese Reaktion nicht erwartet habe. „Du solltest jetzt gehen", fordert er mich auf. Ich richte mich auf, drücke meine Schultern nach hinten durch und sehe ihm fest in die Augen. „Das darf ich doch selbst entscheiden. Außer Tabitha oder Roxana fordern mich dazu auf", entgegne ich fest. „Sie sollte bleiben", sagt Roxana und fängt sich einen bösen Blick von Angus ein. „Wir sollten das noch diskutieren", sagt er. „Während ihr das macht, gehe ich auf die Toilette", sage ich und machen ich aus dem Staub.Da ich mir sicher bin, in der Nähe von Roxana's Zimmer ein Badezimmer gesehen zu haben, schlendere ich die Treppe hinauf. Ich gehe einen langen holzvertäfelten Gang entlang, doch alles sieht gleich aus. Durch eine Wendeltreppe gelange ich in ein weiteres Stockwerk, was allerdings genau so wie das darunter aussieht. Vor mir erstreckt sich erneut ein langer Flur. Unzählige Türen säumend den Gang und machen es mir unmöglich mich zurecht zu finden. Ich gehe um einige Ecken, nur um festzustellen, dass ich nicht weiß wo ich mich gerade befinde. Eine Tür zu meiner Rechten geht auf. Unweigerlich zucke ich zusammen und suche nach einem Versteck um nicht erwischt zu werden. „Was machst du hier?", fragt Rieke misstrauisch. Mein Herz hämmert wie wild. „Ich suche eigentlich eine Toilette, aber ich habe mich verlaufen und weiß nicht wo ich gerade bin", sage ich mit zittriger Stimme. „Du drehst um und gehst den Gang entlang. Dann zwei mal nach links um die Ecke. Da solltest du zu deiner rechten eine Wendeltreppe sehen. An dieser gehst du vorbei und die vierte Tür hinter dieser Treppe ist ein Badezimmer", erklärt sie mir und verschwindet in einem anderen Zimmer. Verwirrt bleibe ich noch einen Moment stehen, dann wende ich mich ab und gehe den Weg, den Rieke mir beschrieben hat. Als ich wieder ins Esszimmer komme ist Angus immer noch da. „Warum bist du hier?", frage ich ihn, als er den Blick auf mich haftet. „Das gleiche möchte ich dich fragen", entgegnet er. „ich habe aber zuerst gefragt", sage ich etwas eingeschnappt. „Ich besuche meine Freunde", sagt er knapp und fügt hinzu: „Und du?" „Ich suche nach meinem Vater", kläre ich ihn auf. Er sieht mich verärgert an. „Du solltest jetzt gehen", sagt er wütend. Fragend sehe ich zu Roxana und Tabitha. „Wollen wir noch Nummern austauschen?", wechselt Roxana das Thema. Ich nicke und ziehe mein Handy aus meiner Hosentasche. Sie diktiert mir ihre Handynummer und ich speichere sie ein. „Ich geh dann mal", sage ich, nicht ohne Angus mit einem vernichtenden Blick anzusehen. Ich gehe schnellen Schrittes aus der Wohngemeinschaft und schwinge mich auf mein Fahrrad. Den ganzen Heimweg lang, denke ich über das Treffen nach. Warum verhielt sich Angus so seltsam? Ich bin so in Gedanken versunken, dass ich fast mit jemanden zusammen gestoßen wäre. „Pass doch auf", schnauzt dieser mich an. „Entschuldigung", murmle ich, radle aber weiter. Daheim angekommen stelle ich das Fahrrad in den Eingang und schleppe mich die Treppe in den ersten Stock hoch. Der Knopf des Anrufbeantworters leuchtet rot auf. Es ist eine Nachricht von Astrid. Ohne zu zögern rufe ich sie zurück. „Willkommen unter den Lebenden", begrüßt sie mich. Bei diesen Worten muss ich lachen. „Ich freu mich auch", sage ich lachend. „Hast du Lust vorbei zu kommen?", frage ich. „Klar. Gib mir eine viertel Stunde", entgegnet sie begeistert. Damit ist unser Gespräch beendet.
Fünfzehn Minuten später klopft es an der Tür. Ich lasse Astrid in die Wohnung. „Willst du einen Kaffe oder ähnliches?", frage ich sie. „Ein Kaffe wäre jetzt genau das Richtige", sagt sie, während sie ihre Jacke und Schuhe auszieht. Ich verschwinde in der Küche und starte die Maschine. Astrid schlendert hinter mir her. Die Milch erwärme ich in einer kleinen Kanne auf dem Herd. „Und? Hast du etwas heraus gefunden?", beginnt Astrid ein Gespräch. „Leider nein. Ich habe das Gefühl immer noch ganz am Anfang zu stehen. Es scheint alles keine Verbindung zueinander zu haben. Zwar scheint alles zu dieser Wohngemeinschaft zu führen, aber ich sehe den Zusammenhang nicht", sage ich. Mittleidig sieht sie mich an. „Warst du gestern noch in dieser Gemeinschaft?", fragt sie. Ich nicke. „Erinnerst du dich noch an Nathan?", frage ich nach. Sie überlegt einen Moment, bevor sie sagt: „Wage. Der hat doch am Moray Firth seinen Geburtstag gefeiert, oder?" Ich bestätige ihre Aussage. „Er war auch in dieser Gemeinschaft", sage ich. Ungläubig sieht Astrid mich an. „Das meinst du doch nicht erst?", fragt sie mich mit weit aufgerissenen Augen. „Doch. Auch sein kleiner Bruder Bobby. Neben den beiden waren noch drei Mädchen da. Rieke, Roxana und Tabitha", sage ich und füge hinzu: „Angus war auch da. Zumindest heute morgen und er schien die Bewohner gut zu kennen." Immer noch ungläubig schüttelt Astrid den Kopf. Ich fülle drei Löffel Kakaopulver in einen Becher. In einen andere Tasse fülle ich den Kaffe. In beide Becher kippe ich die Milch. Astrid reiche ich den Kaffe. Selbst nippe ich an dem Kakao. Gleichzeitig lassen wir uns auf die Couch fallen. „Hast du etwas von deinem Vater gehört?", frage ich nach. Astrid verneint und sagt: „Er ist leider auf einen anderen Fall angesetzt. Er ist einem Fall von Vandalismus in der alten Heilanstalt beim Craig Dunain auf der Spur. Dort soll sich ein oder mehrere Obdachlose eingenistet haben und dort sein Unwesen treiben." „Ärgerlich, aber naja. Sollte wohl nicht so sein", sage ich und nehme erneut einen Schluck von meinem Getränk.
„Also zusammengefasst: Als dein Vater entführt wurde, war der Laden komplett verwüstet. Durch Erinnerungen deines Vaters hast du dich mit einem Bekannten getroffen, der dir verraten hat, dass er in dieser Wohngemeinschaft gelebt hat und deine Mutter kennengelernt. Angus kennt zufälligerweise einen alten Bekannten und fährt dich zu ihm. Nur damit du diesen Bekannten befragen kannst. Dieser ist der Vater von Nathan und hat dir wieder von dieser Gemeinschaft erzählt. Als du diese Aufgesucht hast, hast du erst Nathan dann Angus getroffen, die beide sehr vertraut mit den Leuten und dem Ort sind", sagt sie und macht eine kleine Atempause. „Habe ich irgendwas vergessen?", fragt sie. Ich schüttle den Kopf: „Das war sehr gut zusammengefasst." Eine angenehme Stille macht sich breit. Wir schlurfen unsere Getränke und sind in Gedanken versunken. Da ich ein schlechtes Gewissen habe, dass es die letzen Gespräche nur um mich ging, frage ich: „Was ist bei dir in letzter Zeit passiert?" Astrid schaut auf, sieht mich Geistesabwesend an und antwortet mir dann: „Nicht viel. Evan und ich sind zusammen. Mein Vater arbeitet wegen seines Falles sehr viel, weswegen wir eine Menge Zeit zu zweit haben..."Ich nicke und höre ihr aufmerksam zu. „Und sonst...ist es bei mir ereignislos geblieben", fügt sie hinzu. Erneut nicke ich.
Mein Smartphone vibriert. Hey, hier ist Roxana. In drei Tagen ist ja Halloween und ich wollte fragen, ob du Lust hast, mit uns bisschen umher zuziehen? Ein Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht. „Wer ist das?", fragt Astrid stirnrunzelnd. „Das ist Roxana. Eine aus der Wohngemeinschaft. Sie fragt, ob ich mit ihnen an Halloween etwas unternehmen möchte. Möchtest du auch mit?", frage ich. Astrid wehrt ab und sagt: „Ich habe schon etwas mit Evan ausgemacht. Wir machen uns einen entspannten Abend." „Oh", ist das einzige was ich dazu sagen kann und fühle ich sofort schlecht, weswegen ich noch hinzufüge: „Das freut mich für dich." Dann schreibe ich Roxana: Gerne komme ich mit. Wann genau? Wo treffen wir uns? Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten: Um 18:30 Uhr in der Gemeinschaft. Wir freuen uns auf dich. Nun gibt Astrid's einen Ton. „Das ist mein Vater... ich soll nach Hause kommen. Das Schwiegermonster kommt zum Abendessen", sagt sie genervt und steht vom Sofa auf. „Du tust mir jetzt schon leid", sage ich mitfühlend, stehe ebenfalls auf und begleite sie zur Tür. „Wir sollten das öfters machen", sagen wir wie aus einem Mund und fangen an zu lachen. „Melde dich, wenn du das Abendessen überstanden hast", sage ich. „Mache ich. Versprochen", sagt sie. Als sie im Treppenhaus verschwindet und ich kurz darauf die Eingangstür zuschlagen höre, fühle ich mich sehr leer und verlassen. Ich schließe die Tür.
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A mysterious Midsummer
AdventureSeit sie denken kann lebt Tori bei ihrem Vater. Durch eine mysteriösen Zufall verschwindet dieser. Allerdings scheint es keine Spur von ihm zu geben. Tori setzt ihr Vertrauen in die örtliche Polizisten. Doch da die Polizei nichts zu unternimmt schei...