15. Kapitel

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Ein lautes Heulen, lässt mich hochschrecken. Vier Arme ziehen mich auf die Beine. Roxana und Tabitha stehen nun neben mir. "Wa..wa..was ist da....", ich bringe den Satz nicht zu ende. „Wir erklären es dir, aber beruhige dich erst einmal", sagt Tabitha sanft. Ich kann nicht anders als sie in den Arm zu schließen. Sofort erwidert sie diese. Roxana umarmt uns zusammen. Zu dritt stehen wir eine Weile in dem Wald und umarmen uns schweigend. „Lasst uns zurück zur Gemeinschaft gehen", schlägt Roxana vor und fügt hinzu: „Ich fühle mich hier nicht wohl." Zustimmend nicken Tabitha und ich.

Hand in Hand gehen wir schnellen Schrittes aus dem Wald heraus. Hinter den Hügeln geht die Sonne langsam wieder auf und taucht das nebelige Land in die unterschiedlichsten Farben. Seufzend bleibe ich stehen und drehe mich um. „Was ist?", fragt Tanita besorgt. „Was ist gerade im Wald passiert?", frage ich mit zittriger Stimme. „Sie haben sich verwandelt. Wir sind Werwölfe", erklärt Roxana. Ungläubig sehe ich sie an. „Es stimmt, aber alles was in Märchen oder angeblichen Überlieferungen des Werwolfes steht, ist quatsch. Wir sind friedliebende Lebewesen, mit einer veränderten DNA", mischt sich Tabitha ein. „Wir? Seid ihr auch welche?", frage ich. Angst macht sich in mir breit. „Ja. Hab keine Angst, wir werden dir nichts antun", beschwichtig mich Roxana. „Diese ganzen neumodischen Bücher und Filme sind auch nicht gerade das, was man realistisch nennen kann", erklärt Tabitha, „man kann nicht durch einen Biss oder Kratzer zum Werwolf werden. Wie schon gesagt, liegt es an unserer DNA. Das Gen wird weitergegeben." „Könnt ihr mir mehr erzählen?", frage ich, da ich noch immer nicht alles verstehe. „Selbstverständlich. Was möchtest du denn wissen?", sagen Tabitha und Roxana wie aus einem Mund. „Was hat das mit meinem Vater zu tun?", frage ich. Ein Lächeln huscht über deren Gesichter. „Dein Vater ist auch ein Werwolf...", sagt Roxana. „Ist? Woher weißt du ob er noch am Leben ist?", frage ich stutzig. „Ich weiß es nicht mit Sicherheit, aber Wölfe haben diesen Instinkt. Das ist sehr schwierig zu erklären...", versucht Roxana sich zu erklären. „Wie ist es als Werwolf zu sterben?", frage ich. „Laut einer uralten Legende sollen Werwölfe unsterblich sein", sagt Tabitha verschwörerisch. „Aber das ist totaler Humbug. Sonst würde die Welt nur so von Wölfen wimmeln", versucht Roxana mich zu beschwichtigen, da sie meinen schockierten Gesichtsausdruck bemerkt. „Woher willst du das den wissen?", fragt Tabitha empört. „Denkt doch mal logisch. Schon allein wegen der Weltpopulation kann das nicht stimmen, sonst würde die Welt aus allen Fugen platzen", lässt sich Roxana auf die Diskussion ein. „Und wie kann dann Eileen so alt werden?", entgegnet Tabitha aggressiv. „Na vielleicht, weil sie eine gutes Immunsystem hat und nie krank wird", verteidigt Roxana ihren Standpunkt: „oder sie braut sich einen Trank zusammen, der sie unsterblich macht." „An Zaubertränke glaubst du, aber nicht an die Unsterblichkeit?", entgegnet Tabitha. 

„Die Jungs von vorhin.., gehören die auch zu euch?", unterbreche ich die Diskussion, da ich Angst habe, dass diese aus dem Ruder läuft. „Hier in Inverness gibt es zwei Rudel. Die Wohngemeinschaft und die bei Culloden", erwidert Tabitha: „Wobei das Rudel bei Culloden ein recht aggressives ist. Zudem sind dort viele Jugendlichen mit Problemen in Bereichen wie Alkohol oder Drogen." Einige Minuten gehen wir schweigend neben einander her, doch ich brauche die Stille um das Gesehene zu verdauen. In der Ferne erkenne ich schon die Wohngemeinschaft. „Erklärt mir, wie das mit der Verwandlung abläuft. Wann merkt man, ob man ein Werwolf ist?", frage ich nach, da diese Welt so neu und surreal für mich ist. „Das ist von Wolf zu Wolf unterschiedlich. Roxana und ich wissen schon von Geburt an, dass wir dieses Gen in uns tragen, da unsere Eltern ebenfalls Wölfe sind. Angus zum Beispiel weiß es erst seit er dreizehn ist. Wenn deine Eltern nicht mit dir darüber reden oder es nicht können, dann erfährt man es meisten mit dreizehn. Natürlich gibt es dabei auch Ausnahmen", sagt Tabitha. An diese Stelle übernimmt Roxana: „Die erste Verwandlung tritt am ersten Vollmond nach deinem vierzehnten Geburtstag ein. Sie ist äußerst Qualvoll und schmerzhaft. Du hast das Gefühl, dass deine Knochen in deinem Inneren zerbersten. In deinem ganzen Körper hast du das Gefühl zu brennen. Je öfter du dich verwandelst, desto weniger schmerzt es. Meistens spürst du keine Veränderung mehr, sobald du dich vier oder fünf mal verwandelt hast. Und dann kannst du die Verwandlung auch schneller herbeiführen." Allerdings verstehe ich noch nicht alles: „Wenn mein Vater ein Wolf war, warum habe ich mich noch nicht verwandelt. Ich bin schon sechzehn." Roxana runzelt die Stirn. „Das ist in der Tat seltsam", sagt sie. „In einem Buch von Eileen habe ich gelesen, dass man die Verwandlung mit einem speziellen Kräutertrank herauszögen kann", erinnert sich Tabitha laut. „Wer ist Eileen?", frage ich. „Eileen Steward, deine Nachbarin. Sie ist die Älteste im Rudel", klärt mich Tabitha auf. Ich nicke nur. „Aber ich habe nie einen Trank genommen", widerspreche ich. Stirnrunzelnd sehen mich die beiden an. Tabitha scheint einen Geistesblitz zu haben: „Dein Vater hat dir wahrscheinlich den Trank ins Essen gemischt." „Aber warum?", frage ich mich laut. „Er scheint etwas verbergen zu wollen", überlegt Roxana. Ich kann in ihren Gesichtern sehen, dass wir uns die selbe Frage stellen. „Was möchte er vor mir verbergen?", spreche ich die Frage aus. 

A mysterious MidsummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt