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Er bemerkt meinen Blick und wendet sich sofort seiner Freundin zu. Diese scheint seine Blicke an mich gar nicht bemerkt zu haben. Ansonsten hätte sie mir bestimmt schon längst den Kopf abgerissen. Oder sie würde in der Universität ihre Gefolgschaft auf mich hetzen, damit diese mich zum Gespött der Schule machen. Und darauf kann ich definitiv verzichten.

Jessica hat tatsächlich einmal Naomi ,,gemobbt", weil sie mit Jessica Freund geredet hat.

,,Wir sollten langsam in den Saal. Der Film beginnt in einer viertel Stunde.", unterbricht Naomi die Stille. Ein Blick auf mein Handy verrät mir, dass es schon neunzehn Uhr ist. Deshalb machen wir uns auf den Weg in den Kinosaal.

Drinnen setzen wir uns auf die uns zugewiesenen Plätze in der mittleren Reihe. Unsere Plätze sind auch dort wieder in der Mitte, sodass wir den perfekten Ausblick auf die Leinwand haben. Ich sitze auf dem Platz links von Naomi und rechts von ihr sitzt Lucas.

Wenige Augenblicke später senkt sich der Platz neben mir. Dort sitzt jetzt der Junge von vorhin. Der Freund von Barbie, denke ich jedenfalls.

Hoffentlich spricht Jessica mich nicht an. Ich habe besseres zu tun, als ihre nervige Stimme zu hören.

Er schaut zu mir rüber und lächelt mich an, was ich direkt erwidere. Von Nahem sieht er echt gut aus. Seine langen, dunklen Locken lassen ihn jünger wirken, als er vermutlicht ist. Eine kleine Narbe auf seiner Wange sticht mir ins Auge. Irgendwie sieht das niedlich aus...

Sofort schüttele ich den Kopf. Ich sollte eindeutig weniger nachdenken. Er ist mit Jessica zusammen. Sie würde mich umbringen, wenn ich auch nur mit ihm rede.

Als ich unauffällig auf den Platz neben ihn gucke, sehe ich, dass er leer ist. Ist er vielleicht doch nicht mit Jessica hier?

Den Gedanken verwerfe ich wieder. Es geht mich nichts an, mit wem er hier ist.

Meine Vermutung wird wenige Augenblicke später sowieso widerlegt, als Jessica sich auf den freien Platz neben ihn setzt.

,,Es geht los." freut sich Naomi wie ein kleines Kind. Ich bin auch ziemlich aufgeregt, obwohl es nur ein Film ist. Wobei, das letzte Mal habe ich den Film als kleines Kind geguckt, als ich noch bei meinen Eltern gewohnt habe. Damals war es noch die Zeichentrickversion.

Unwillkürlich muss ich an meine Familie denken. Die Menschen, die für immer für einen da sein sollten. Die Menschen, die einen scheinbar mehr lieben, als alles andere. Was für eine Lüge das doch ist.

Ich hatte noch nie eine richtige Familie. Meine Eltern haben fast jeden Tag gestritten und meine Schwester ist verschwunden als sie 17 war. Damals war ich 12. Auch heute, acht Jahre später, versetzt es mir einen Stich ins Herz wenn ich an sie denke.

Ich muss nicht mehr jedes Mal weinen, wie am Anfang als sie neu weg war, aber es tut weh. Wir waren unzertrennlich. Wir haben das selbe gesagt. Wir haben das selbe gedacht. Und wir haben gleich ausgesehen. Genau wie ich hat sie dunkelbraune Wellen und braune Augen. Oder sollte ich sagen, sie hatte? Ich weiß nämlich nicht, wie sie heute aussieht.

In Gedanken versunken habe ich nicht bemerkt, dass ich die ersten Minuten des Filmes verpasst habe. Um nicht noch mehr zu verpassen verdränge ich die quälenden Gedanken an meine Schwester aus meinem Kopf und konzentriere mich auf den Film.

Sobald der Film geendet hat, verlassen wir das Kino und fahren gemeinsam zu einem Club. Wie erwartet, hat Jessica während des Filmes immer wieder angefangen, laut zu gackern. Nach einigen Malen hat es so sehr gestört, dass sie tatsächlich aus der hinteren Reihe gefragt wurde, ob wie leiser lachen könne.

Nachdem ich mir ein neues Glas Wasser bestellt habe, sehe ich Jessica und ihr neues Anhängsel den Club betreten. ,,Was macht sie denn hier?", spricht Naomi meine Gedanken aus. Wegen der Musik, die in meinem Kopf dröhnt, verstehe ich sie nur schwer. Da ich keine Lust habe gegen die Musik anzuschreien, zucke ich nur mit den Schultern.

Patience [S.M. Fan-Fiction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt