~ 4 ~

161 8 32
                                    

Wieder denke ich an unseren Kuss. Daran, wie seine perfekten Lippen mit meinen getanzt haben.

Ich empfinde ein leichtes Kribbeln in der Unterlippe und es ist, als lägen seine Lippen erneuert auf meinen. Natürlich ist das nur Einbildung.

Wie von selbst liegt mein Blick auf seinem Mund. Dabei kenne ich diesen Jungen erst seit einem Tag.

Na gut, wir haben uns geküsst. Aber er ist trotzdem ein Fremder.

Ich muss es ja richtig nötig haben. Vielleicht sollte ich mir einen Freund suchen, damit ich aufhöre anderen Frauen den Freund auszuspannen.

Davon abgesehen, dass Jessica mich zerfetzen würde, wenn sie erfahren würde, dass ich ihren Freund auch nur angesehen habe, fühle ich mich wegen dem Kuss schuldig.

Der Junge, der mich nach wie vor festhält, räuspert sich und zieht damit meine Aufmerksamkeit auf seine Augen.

Behutsam stellt er mich auf und lässt mich los.

Die Stelle an meinem Arm, an der gerade seine Hand war, fühlt sich auf einmal ganz kalt an.

,,Äh..." stottere ich und blicke zu Boden. ,,Tut mir... Tut mir leid" stottere ich.

Ich spüre, wie mir die Röte ins Gesicht steigt.

,,Ist doch kein Pro-" setzt er an, wird jedoch durch meine Worte unterbrochen. ,,Doch, es war dumm von mir. Ich hätte nach vorne gucken sollen anstatt den Boden zu begutachten."

Was rede ich eigentlich für dummes Zeug?

Einen kurzen Moment herrscht eine unangenehme Stille und ich beschließe wortlos zu gehen, als er wieder etwas sagt. ,,Also..." zieht er das O in die Länge. ,,Ich heiße Shawn. Shawn Mendes." sagt er und reicht mir seine Hand.

Die Hand beachte ich zunächst nicht. Zu sehr ziehen seine Augen meine Aufmerksamkeit auf sich.

Sie ziehen mich in einen Bann. Sie sehen denen von Nadir so ähnlich, doch der dunkle Schatten in ihnen fehlt. Nadir sah man in die Augen und man wusste sofort, man sollte sich distanzieren. Bei Shawn ist es das Gegenteil. Ich will ihn näher kennenlernen.

Erst jetzt realisiere ich, dass meine Therapeutin auch Mendes heißt. Ob die beiden verwandt sind? Das wäre echt ein riesiger Zufall.

Oder Schicksal. Aber daran glaube ich schon lange nicht mehr. Das Schicksal hat nie etwas Gutes im Sinne.

In Toronto angekommen, habe ich mich unmittelbar auf die Suche nach einem Psychotherapeuten gemacht, der Erfahrungen im Umgang mit Kindheitstraumata hat. Nach langer Recherche habe ich dann die Website von Dr. Karen Mendes gefunden.

Mittlerweile bin ich seit einem halben Jahr bei ihr in Therapie und habe schon große Fortschritte gemacht. Zu Beginn der Therapie bekam ich jedes Mal eine Panikattacke, wenn ich daran dachte, wie mein Vater mich als Kind ,,bestraft" hatte.

Als ich noch in New York gelebt hatte, lebte ich unter ständiger Angst vor meinem Vater.

Doch heute blicke ich zurück und empfinde pure Wut. Ich weiß es hört sich grauenhaft an, aber ich hasse meinen Vater.

Zögerlich ergreife ich seine Hand und sofort wird meine Hand von einer wohligen Wärme umgeben. ,,Ich bin Ra-" doch ich halte inne. ,,Ich bin Jasmin."

Niemand darf deinen echten Namen wissen. Ich bin Jasmin. Nicht Rania.

Er heißt also Shawn. Das passt zu ihm. Aber wie kann er mit so etwas wie Jessica zusammen sein?

,,Wir sind nicht zusammen..." erklärt er mit gerunzelter Stirn.

Habe ich das gerade laut gesagt? Ich wollte das doch gar nicht aussprechen.

Patience [S.M. Fan-Fiction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt