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Warme Lippen treffen auf meine. Es dauert einen Augenblick, bis auch er den Kuss erwidert. Seine rauen und doch sanften Lippen spielen mit meinen und verstärken den Druck. Keiner von uns macht den Anschein, aufhören zu wollen. Also verstärke auch ich den Druck.

Es ist ungewohnt jemand Fremden zu küssen, ohne direkt mit ihm ins Bett zu steigen. Aber irgendwie fühlt es sich auch gut an. Ein wohliges Gefühl macht sich in meiner Magengegend breit. Ein Gefühl, dass ich nicht wirklich zuordnen kann.

Ich meine, ich habe ab und zu One Night Stands und küsse dabei auch meinen Partner. Aber es hat sich noch nie so angefühlt wie jetzt. Es ist der erste Kuss, bei dem ich ein leichtes Kribbeln fühle. Es ist kaum spürbar, aber vorhanden.

Lucas' Räuspern lässt mich wieder klar denken. Sofort trenne ich unsere Lippen und spüre die Kälte an den Stellen, wo vor einer Sekunde noch seine warmen Lippen lagen.

Erst jetzt realisiere ich, was ich wirklich getan habe.

Ein schlechtes Gefühl macht sich breit.

Der Kuss war falsch. Ich habe einen jungen geküsst, der eine Freundin hat. Sofort empfinde ich ein schlechtes Gewissen.

Wenn Jessica das hier erfährt bin ich einen Kopf kürzer.

Ohne ein Wort drehe ich die Glasflasche und setzte das Spiel somit fort.

Das laute Piepen meines Weckers zieht mich aus dem Schlaf. Würde ich einen richtigen Wecker und nicht mein Handy benutzen, wäre er schon längst gegen die Wand geflogen. Mein Handy brauche ich aber noch, weshalb ich mich einfach aufsetze und den Ton ausstelle.

Beim Aufstehen macht sich ein leichter Kater bemerkbar. Ich hätte gestern nicht trinken sollen. Allgemein sollte ich es lassen.

Meine Gedanken schweifen wieder zum Kuss. Widersprüchliche Gefühle sind in mir. Einerseits war der Kuss sehr schön, aber auf der anderen Seite war er falsch.

Ich kann nur hoffen, dass Jessica nichts erfährt.

Geschockt stelle ich fest, dass es schon 9 Uhr ist. Ich habe den Wecker gestern wohl falsch eingestellt. Eigentlich sollte ich schon um 8 in der Bibliothek sein.

Mein Chef wird mich umbringen. Oder feuern. Das kann ich nicht gebrauchen, weil ich diesen Job brauche. Wo soll ich sonst mein Geld her bekommen?

Sofort ziehe ich mich um, schlucke eine Tablette gegen die Kopfschmerzen und renne zur Bibliothek.

In der Bibliothek angekommen betrete ich schleunigst den Personalbereich und laufe in mein Büro, in der Hoffnung, meinem Arbeitgeber nicht zu begegnen. Das Schicksal hat natürlich andere Pläne.

Herr Smith steht an der grauen Wand neben seinem Büro angelehnt. Als er mich erblickt, kommt er mit großen Schritten auf mich zugelaufen.

,,Du bist zu spät. Mal wieder!" schimpft er mit einem strengen Blick. Mit verschränkten Armen blickt der übergewichtige Mann mich an und ich erwarte eine fette Standpauke. ,,Es tut mir -" setze ich an, doch er unterbricht mich. ,,Es ist mir egal ob es dir leid tut. Wenn du diese Arbeit wirklich brauchst, solltest du nicht noch einmal zu spät kommen."

Ohne ein weiteres Wort dreht er sich um und läuft in sein Büro. Seine lauten Schritte hallen noch einen kurzen Moment wider.

Ich sollte es eindeutig vermeiden, noch einmal zu spät zu kommen. Ich brauche diese Arbeit.

Sobald ich nach Toronto gezogen bin, habe ich mich auf die Suche nach einem Job gemacht. Erfreulicherweise gab es in derStadtbibliothek eine freie Stelle, für die ich mich sofort beworben habe. Schließlich wurde ich auch angenommen.

Patience [S.M. Fan-Fiction]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt