› 14 ‹ Von Zahnlückenlächeln und Lieblingseissorten

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Der Raum wird nur von wenig Licht, das den Weg über und durch das Tuch findet, erhellt. Leyan liegt neben mir, genau so wie am Abend davor. Wir sind uns nicht allzu nah, jedoch hat er einen Arm locker um meine Hüfte gelegt.

Ich lasse meinen Blick über sein Gesicht wandern, über die ausgeprägten Wangenknochen, die fein geschwungenen Lippen und die dunklen Haare, die ihm in sanften Wellen in die Stirn fallen. Er sieht so friedlich aus und ich wünsche mir, dass er das auch tagsüber wäre.

Plötzlich bewegt sich etwas hinter ihm und Leyan gibt ein lautes Schnaufen von sich, als sich eine kleine Gestalt auf ihn wirft. »Aufstehen!«

Seine Augen öffnen sich träge und er dreht sich auf den Rücken, damit er seine Schwester besser an der Hüfte packen und zu sich ziehen kann, um sie zu kitzeln. Sie versucht sich ihm zu entwinden, doch es scheint hoffnungslos.

Als er sie endlich loslässt, bleibt sie schwer atmend auf dem Rücken liegen und grinst ihn verschmitzt an.

Ich liege währenddessen immer noch still neben den beiden, bin aber ein Stück an den Rand gerutscht.

»Man, Emmy. Mach das nie wieder. Du wirst langsam schwer«, stöhnt er und hievt sich aus dem Bett, da es für drei Personen eindeutig zu klein ist.

»Duuu, Ley?«, fragt sie. Er brummt etwas Zustimmen des und streckt sich. Dabei rutscht sein T-Shirt ein Stück hoch und ich bekomme einen schmalen Streifen seiner Haut zu sehen.

Schnell beiße ich mir auf die Lippe und sehe nach oben in sein Gesicht. Er zwinkert mir schelmisch zu. Also hat er meinen Blick bemerkt. Ich spüre, wie meine Wangen sich röten und drehe den Kopf weg.

Jetzt denkt er sicher noch, dass ich was von ihm will. Hat ja toll geklappt.

»Ley, du hörst mir gar nicht zu!«, ruft seine kleine Schwester aufgebracht und schlägt ihm spielerisch gegen die Brust. Als sie sich sicher ist, dass sie seine Aufmerksamkeit hat, wirft sie mir einen schnellen Blick zu. »Wer ist das?«, fragt sie leise.

Leyan beugt sich verschwörerisch zu ihr runter und Emmy schaut ihn neugierig an. »Das … musst du sie wohl selber fragen.« Er lächelt. Warum ist sein Lächeln nur so schön?

Emmy dreht sich auf die andere Seite und richtet sich auf, sodass sie aufrecht im Bett sitzt. Erst da fällt mir auf, dass ich immer noch in die Decke gewickelt daliege und setze mich schnell auf.

»Wer bist du?« Aufmerksam betrachtet sie mich, was mich unwohl meinen Blick von ihr zu Leyan schweifen lässt. Doch auch er sieht mich mit durchdringenden dunkelgrauen Augen an.

»Siran.« Ich räuspere mich, als ich merke, wie dünn meine Stimme klingt und wende mich wieder Emmy zu. »Ich bin Siran. Ley und ich sind … befreundet?«

Unsicher werfe ich ihm einen kurzen Blick zu, ich weiß auch nicht, warum ich gerade so zurückhaltend bin. Doch Leyan schenkt mir nur ein aufmunterndes Lächeln.

»Hast du einen Freund?«, fragt Emmy, die unseren kurzen stummen Austausch wohl bemerkt hat, eifrig. Verwirrt blinzele ich. Wie kommt sie jetzt darauf?

»Oh nein nein nein«, fährt ihr großer Bruder dazwischen. »Nicht noch einmal. Du versuchst jetzt nicht uns zu verkuppeln. Das letzte Mal war erst letzte Woche!«

Ungewollt fährt ein schmerzhafter Stich durch mein Herz. Emmy wollte ihn mit jemandem verkuppeln? Vor einer Woche? Ich weiß, ich habe nicht den kleinsten Grund eifersüchtig zu sein, und auch kein Recht dazu. Leyan kann doch zusammensein mit wem er will.

Und doch kann ich das verräterische Stechen nicht ignorieren.

Oh Ley, was hat sich nur alles zwischen uns in der letzten Nacht geändert?

Absturznächte [abgebrochen]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt