› 24 ‹ Von Liebesgeständnissen und Geburtstagskindern

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Ich bin wieder zuhause, nicht bei meiner Tante, bei der ich eigentlich hätte sein sollen, wie jedes vierte Wochenende. Irgendwann gestern habe ich ihr abgesagt, obwohl ich es eigentlich früher machen sollte.

Einsam liege ich auf meinem Bett, starre zur Decke. Links von mir ist Platz, fast als würde Leyan gleich vorbeikommen und sich neben mich legen, meine Hand in seine nehmen. Wie lange ich schon so liege, kann ich nicht sagen, meine Gedanken schweifen umher und können doch kein Thema fassen. So ist es oft, wenn ich einfach mal eine Pause brauche, mich hinlege, nur nachdenke. Über alles und doch nichts.

Gerne wäre ich noch länger bei ihm geblieben, doch ich musste zurück nach Hause, wenn ich schon nicht bei meiner Tante bin. Vielleicht kommt Leyan nachher noch vorbei. Er konnte es mir nicht versprechen, hat es aber auch nicht ausgeschlossen.

Ich vermisse Leyan. Kaum dass ich wieder bei mir bin, vermisse ich ihn. Seine Nähe, seine Wärme, die er mir schenkte, als mein Traum mich frieren ließ. Überall nur Kälte. So unendlich viel Kälte, getränkt mit Blut, das meine Kehle hinunterrinnt, meine Atemwege blockiert. So viel Blut.

Die Träume wollten nicht aufhören, die ganze Nacht hindurch. Zu viel wurde gestern aufgerüttelt, zu viel Vergangenes, Verdrängtes. Aber bei jedem Aufschrecken war Leyan bei mir. Und ich bin ihm so dankbar, dass er meine Tränen erträgt.

Es klopft an meine Tür, mein Herz macht einen Satz. Kaum habe ich mich aufgerichtet, drückt jemand die Klinke herunter und ich sehe, wer meine Gedanken unterbricht.

Margo steht im Türspalt. »Hier möchte jemand zu dir.«

Fast schon vermute ich Leyan, dabei hätte ich gedacht, er nehme wieder den Weg über mein Fenster. Doch er ist es nicht, auch nicht Wala oder Julie. Eine der Personen, die ich am allerwenigsten hier vermutet habe, steht vor meiner Zimmertür.

Kim.

Still, beinahe schüchtern steht sie hinter Margo, als wolle sie nicht auffallen. Ich nicke Letzterer zu, als Zeichen, dass sie uns alleine lassen kann. Wir werden uns schon nicht die Köpfe abreißen.

Ohne ein Wort der Begrüßung betritt sie mein Zimmer, die Tür fällt ungeachtet ins Schloss.

Aus Mangel an mehreren Stühlen setzte ich mich einfach auf den Boden vor meinem Bett, Kim machte es mir immer noch stillschweigend nach.

»Warum bist du hier?« Meine Stimme ist nicht kühl, auch nicht freundlich, einfach neutral. Dennoch zuckt sie bei ihrem Klang zusammen.

Tief atmet sie ein, bereitet sich auf ihre Worte vor. »Ich ... ich wollte mich enschuldigen. Für alles, einfach alles.« Ihre Worte sind zittrig, leise, verwischt. Seit wann ist sie so unsicher?

»Es tut mir leid,« bricht es aus ihr heraus. »Dass ich die ganzen Jahre so scheiße zu dir war, dass ich mich nicht ändern wollte, dass ich versucht habe, dich zu küssen. Oder was auch immer das war. Es tut mir leid, dass ich in dich verliebt war.«

Es braucht einige Sekunden, einige langsame Sekunden, bis ich die neue Information verstehe, sie vollends erfasse. »Du ...« Ich habe nicht die Kraft, den Satz zu beenden, zu sehr bin ich noch damit beschäftigt, das Ausmaß zu begreifen. »Aber ... warum, warum warst du dann ... so zu mir?«

»Ich weiß es nicht.« Kaum mehr als ein Hauch, der ihre vollen Lippen verlässt. »Ich komme damit nicht klar, ich komme überhaupt nicht klar. Nichts ist in Ordnung.«

»Du kannst mit mir reden. Wenn du willst.« Hilflos sehe ich sie an, ich weiß nie, was ich tun soll, wenn es anderen nicht gut geht.

»Danke.« Sie hebt den Kopf gen Decke, ballt die Hände zu Fäusten. Still sitze ich daneben, sehe dabei zu wie sie verzweifelt die Tränen unterdrückt. Ich bin hilflos wie eh und je.

»Kennst du diese Therapien?«, beginnt sie. »Gegen Homosexualität.«

»Oh nein.« Ich ahne, was kommt, was sie mir offenbaren wird.

»Ich ... Als ich herausgefunden habe, dass ich nicht normal bin, habe ich es irgendwann meinen Eltern erzählt. Ich dachte, sie würden das verstehen. Und ehe ich es mir versah, da ... da fand ich mich in so einem Camp wieder.«

»Das ist schrecklich, Kim.«

»Ich weiß. Und ich kann dir sagen, dass es nicht geholfen hat,« fügt sie trocken hinzu. »Es gibt immer noch keinen Jungen, zu dem ich mich hingezogen fühle. Oder fühlen könnte.«

Aber zu mir. Diese drei Worte liegen mir ungesagt auf der Zunge, ich schlucke sie herunter. Sie auszusprechen wäre falsch, so bittersüß und falsch. In ihrem Gesicht kann ich sehen, dass sie das gleiche denkt, die gleichen Worte sich in ihren Kopf brennen.

»Auf der Party, auf der wir waren,« fährt sie mit gesenkter Stimme fort, »habe ich jemanden kennengelernt. Sie heißt Ivet, das Geburtstagskind. Ich war nur dort, weil eine Freundin mich mitgeschleppt hatte. Doch dann lernte ich sie kennen, wir haben geredet, so lange, so so lange.«

Ich kann kein Glück definieren, doch wenn ich es müsste, würde ich ihren Gesichtsausdruck als Vorbild nehmen und versuchen, ihn in Worte zu fassen.

»Das ist eigentlich auch der Grund, warum ich hier bin. Ich habe bemerkt, dass ich Gefühle für sie habe, ganz andere, intensivere als ich bei dir hatte. Und deswegen wollte ich mich bei dir entschuldigen, weil ich das alles an dir ausgelassen habe. Meine Unsicherheit, mein Hass auf mich selbst, all das.«

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und hier habe ich aufgehört zu schreiben. das ist das ende.

wer wissen möchte, wie das richtige ende gewesen wäre; ich lade noch ein kapitel damit hoch (sobald ich die bilder einfügen kann)

ich hoffe trotzdem, dass ihr mir als leser erhalten bleibt <3

Absturznächte [abgebrochen]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt