Kapitel | 4

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Als ich wieder in die Halle trat, waren zwei weitere Frauen anwesend. Sie standen neben Margrethe und den drei Brüdern. Eine hatte kurzes dunkles Haar, während die andere blondes Haar trug, welches kunstvoll geflochten war. Sie wirkte ziemlich autoritär und bedachte die Brüder mit einem scharfen Blick.

Ihr bodenlanges Kleid war von einem Mitternachtsblau, welches die Farbe ihrer Augen hervorhob.
Als sie mich sah, hob sie eine Augenbraue und musterte mich eindringlich. Ich schluckte und stellte mich neben Ubbe und Margrethe. Ubbe und seine Brüder sahen auf das braune Kleid, das ich trug. Sie wirkten bestürzt.

"Margrethe was soll das? Das ist ein Sklavenkleid!", zischte Ubbe.
"Ich hatte nichts anderes, was ihr passt!", keifte diese zurück. Ich sah sie enttäuscht an. Sie hatte mir ein Sklavenkleid gegeben? Ich sah betroffen an mir herunter und bekam einen roten Kopf. Ich war in die Wikingerzeit gereist und alles was ich war, war eine Sklavin!?

"Eivor, das ist Königin Lagertha.", erklärte Hvitserk. Ich wusste nicht, ob ich mich verbeugen sollte oder so etwas, deshalb senkte ich nur kurz den Kopf.
Die blonde Frau erhob die Stimme. Sie klang majestätisch und gebieterisch. "Eivor, Willkommen in Kattegat. Was führt Euch zu uns?"

Ich atmete tief ein und entschied, bei meiner ersten Notlüge zu bleiben. "Ich komme aus Hedeby. Mein Vater nahm mich mit, wir wollten nach England. Ein Sturm hat unser Schiff erfasst und ich wurde hier angespült." Ich hoffte, dass ich nicht rot wurde, sonst würde sie sofort wissen, dass ich log.

Königin Lagertha runzelte leicht die Stirn.
"Und was wolltet ihr in England?"
Mir wurde heiß. "Äh.. Handelsreise."
Sogar Ivar und seine Brüder sahen mich überrascht an. "Seid wann treiben die Bürger Hedebys Handel mit den Sachsen?"

Ich starrte sie erschrocken an und wusste nicht, was ich sagen sollte. Zum Glück rettete mir Lagerthas Freundin die Haut. "Ich glaube nicht, dass sie die Wahrheit spricht!" Sie legte Lagertha eine Hand auf den Arm. "Die Angeln aus Hedeby sind seit Jahren mit England verfeindet."

"Ich weiß, Astrid. Ich habe selbst dort einmal gelebt." Lagertha sah in die Runde, und überlegte. Ihr Blick war kalt als sie sich wieder an mich wandte. "Deshalb glaube ich Euch die Geschichte ebensowenig."
"Sie ist keine Sklavin. Sie hat Schiffbruch erlitten!", beteuerte Hvitserk.

"Kann sie das beweisen?", fragte Königin Lagertha herausfordernd. "Wer weiß schon, ob sie nicht in Wahrheit eine Spionin der Sachsen ist? Oder der Dänen?" Ich fühlte mich wie im falschen Film. "Nein, ich-"

"Euch ist nicht gestattet zu sprechen, wenn die Königin es nicht erlaubt!", die dunkelhaarige Frau sah mich finster an. Lagertha hob beschwichtigend eine Hand. "Bis sie uns nicht die Wahrheit sagt, oder sich als eine der Unseren würdig erweist, wird sie als Sklavin an meinem Hofe dienen."

"Was?", Ubbe sprang von seinem Stuhl auf. Ich fühlte mich wie betäubt. Ich war eine Sklavin. Eine Gefangene.
"Du kannst sie doch nicht einfach zur Sklavin machen!", protestierte Hvitserk.

Ubbe nickte bekräftigend, während Margrethe Lagertha nur finstere Blicke zuwarf. Und sogar Ivar sah unwirsch drein. Lagerthas Blick ruhte streng auf mir. "Ich kann und ich werde. Sollte sie uns irgendwann doch die Wahrheit erzählen, werde ich mein Urteil überdenken. Bis dahin bleibt sie eine Thrall." Sie sah zu Hvitserk.

"Da du sie gefunden hast, Hvitserk, wirst du für sie verantwortlich sein. Sieh zu, dass sie ihre Pflichten ausführt und sollte sie versuchen uns zu hintergehen, wirst du mich sofort informieren!"
Hvitserk biss die Zähne zusammen und grummelte etwas. Lagertha sah mich noch einmal mahnend an. "Und nun geht! Ich habe etwas mit Astrid zu besprechen!"

Bedrückt verließ ich mit den anderen die Halle. Ubbe ballte die Fäuste. "Das kann doch nicht sein! Nur weil sie ein Sklavankleid trägt!"

"Lagertha vertraut ihr nicht.", sagte Ivar, er stürtzte sich auf Krücken und humpelte vorwärts. War er krank oder warum gehorchten ihm seine Beine nicht mehr?

"Und nicht ganz zu Unrecht, wenn ihr mich fragt. Wäre ich König, wäre ich auch misstrauisch wenn jemand plötzlich wie aus dem Nichts auftaucht und behauptet aus Hedeby zu sein."

Hvitserk unterbrach seinen Bruder: "Aber du bist nicht König! Und Eivor hat Schiffbruch erlitten, das ist doch etwas ganz anderes. Außerdem muss Lagertha sie dann nicht gleich zur Sklavin machen!"
"Da stimme ich zu.", nickte Ubbe. "Sie hätte zumindest mit ihrem Urteil warten können. Wäre Astrid nicht gewesen..."

Er ließ des Satz unausgesprochen, doch jeder wusste, was er meinte. Diese Astrid schien Lagertha ziemlich zu beeinflussen.

Ivar beschimpfte einen Jungen, der ihn mit einem Stein abgeworfen hatte und wechselte das Thema. "Ist ja auch egal. Wir wollten zu Floki! Wir müssen unseren Plan mit ihm besprechen."

Ich hatte keine Ahnung wovon er redete.
"Das machen wir morgen, Ivar. Wir müssen Eivor erst ihre Unterkunft zeigen."

Die drei brachten mich zu einer kleinen Hütte am Rande der Stadt. Ich sah ein paar Mädchen, die ähnlich Kleider trugen wie ich, einige von ihnen hatten Körbe in der Hand. Sie nickten den Brüdern zu und machten, dass sie davon kamen.
"Das sind die Sklavenunterkünfte.", erklärte Hvitserk.

"Manche Sklaven leben bei ihren Herren, aber Lagertha will, dass du hier wohnst." Ich spähte ins Innere. Die Hütte bestand aus einem einzigen länglichen Raum. In der Mitte war eine Feuerstelle und darum herum verteilten sich unzählige Schlafstätten.

Es sah alles andere als bequem vor und mir kamen sofort die ganzen Flöhe und Mücken in den Sinn, die es hier geben musste. Ich könnte Lagertha verfluchen. Ubbe schien meine Zurückhaltung zu bemerken.

"Sobald wir können, reden wir mit Lagertha, damit sie dich frei gibt. Und wenn du sie nicht verärgert wird sie schon sehen, dass du kein Spion aus England bist."

Ich nickte tapfer. Die drei verabschiedeten sich und Hvitserk lächelte mir noch einmal aufmunternd zu, ehe ich in mein neues Zuhause trat.

Between Two WorldsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt