Kapitel | 5

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Diese Nacht tat ich kein Auge zu. Die anderen Sklaven hatten mich zwar herzlich empfangen und sagten, es sei eine Ehre für die Königin zu arbeiten, aber wohl fühlte ich mich trotzdem nicht.

Die Hütte war eng und die Betten bestanden nur aus Stroh und Fellen. Am Morgen war ich wie gerädert. Da half auch das kurze Bad im Fluss nicht, zu dem ich mit den anderen ging. Ein Mädchen mit langen roten Haaren zeigte mir, wie ich mich zu verhalten hatte.

Sie erklärte mir, was ich machen müsse und worauf ich achten solle. Die meisten Aufgaben bestanden darin Getränke und Essen zu bringen und die große Halle sauber zu halten. Ich sollte unauffällig sein und nur da sein, wenn jemand etwas wollte. Das klang eigentlich gar nicht so schwer. Trotzdem war ich ziemlich nervös als ich mit dem rothaarigen Mädchen in die große Halle kam.

Lagertha saß mit einigen Schildmaiden und Ragnars Söhnen an einem Tisch. Es duftete nach Essen und mein Magen knurrte. Wir Sklaven durften erst essen, nachdem die Hausherren bedient waren. Also erledigte ich meine Aufgaben so gut ich konnte.

Wir bereiteten die nächsten Tage alles für das kommende Midsommerfest vor. Unzählige Sklaven wuselten in der großen Halle umher, schmückten sie und bereiteten das Essen vor. Ich hatte mich in den letzten Tagen einigermaßen gut eingelebt. Solange man das Leben einer Sklavin im Skandinavien des 9 Jahrhundert als 'gut' bezeichnen konnte.

Aber ich verstand mich mit den anderen Sklaven und Königin Lagertha ignorierte mich weitestgehend, worüber ich echt froh war. Ich freundete mich mit Ragnars Söhnen an und verbrachte in meiner Freizeit viel Zeit mit ihnen. Besonders Hvitserk war nett zu mir, doch das lag wohl eher daran, dass Lagertha ihn für mich verantwortlich gemacht hatte. Das Leben als Wikingersklavin war so anders als mein früheres.

Ich hing meinen Gedanken nach und suchte nach einem Weg zurück in mein altes Leben. Wie konnte es passieren, dass ich in die Vergangenheit geraten war?

Noch vor ein paar Tagen hatte ich es für einen Traum gehalten, doch nun gab es keine Zweifel mehr: Ich war im 9 Jahrhundert und ich steckte hier fest.

Ich musste irgendwie einen Weg zurück finden. Einen Weg zurück in die Zukunft. Aber wie sollte ich das bitte anstellen? Seit ich hier war kreisten meine Gedanken um das was passiert war: Um den Besuch im Museum und das Messer, das genauso aussah wie das von Ivar.

Ob es wohl das Selbe war? Und hatte es etwas mit meiner Reise zu tun? Womöglich konnte es mir helfen. Doch egal wie oft ich versuchte an sein Messer zu gelangen, ich traute mich nicht näher als wenige Schritte an ihn heran.

Und so verbrachte ich die Tage damit Essen zu servieren, aufzupassen dass nichts zu Bruch ging und mir den Kopf darüber zu zerbrechen, ob ich je wieder zurück in meine Zeit konnte.

Diesen Abend war das Mitsommerfest, an dem die Sommersonnenwende und die Rückkehr des Gottes Balders aus dem Totenreich. Ich wusste nicht mehr genau, was es damit auf sich hatte. Ich wusste nur, dass der Gott Balder von allen geliebt wurde und er irgendwann trügerisch von Loki umgebracht wurde.

Die Häuser ächzten unter der Last von unzähligen Blumenkränzen. Überall duftete es nach Speisen wie frisch gebackenem Brot oder gesalzenen Fisch. Die Tische in der Halle wurden zu einer langen Tafel zusammengeschrieben und die Metfässer frisch aufgefüllt.

Am frühen Abend begann dann endlich das Fest, auf das ganz Kattegat schon Wochen wartete. Königin Lagertha sprach eine Rede, doch sie benutzte so altertümliche Wörter, dass ich sie mit meinem Schul-Isländisch kaum verstand. Danach wurde win weißes Pferd geschlachtet, als Opfergabe für die Sonnengöttin Sunna.

Ich fand es ziemlich Sünde ein Tier einfach so zu töten, aber weil Astrids strenger Blick auf mir lag, wagte ich nicht wegzuschauen. Es gab noch einige Gebete und Reden und dann schlenderte die Gruppe hinter der Königin her zur großen Halle. Ich lief schnell zu den anderen Sklaven und schnappte mir so viele Krüge Met wie ich tragen konnte.

Die Halle war schon nach wenigen Minuten überfüllt und ich hatte Schwierigkeiten mich durch die Menge zu kämpfen, ohne den Met zu verschütten. Ich füllte Krüge auf, brachte essen, und lief hin und her. Meine Beine taten bald weh, aber ich wagte nicht mich ausruhen.

An diesem Abend war es noch schlimmer als sonst. Die Männer geöhlten so laut, dass man sein eigenes Wort nicht mehr hören konnte und ich spürte ihre bohrenden Blicke auf mir, wenn ich ihren Met einschenkte.

Einer packte mich grob am Arm und schrie mich an, ich solle mich gefälligst beeilen. Dann schubste er mich davon und lachte mit seinen Kumpanen um die Wette.

Gerade als ich zu dem nächsten Schreihals rennen wollte, hörte ich eine vertraute Stimme. Ich hielt inne und sah mich um. Ivar winkte zu mir herüber. Er saß zusammen mit seinen Brüdern an einem der Tische, die etwas entfernt von Lagerthas Tafel standen.

"Hey Schwester! Füll mir noch mehr Met ein. Ich muss betrunkener werden als Ubbe!" Ubbe lachte und schlug ihm auf die Schulter. Die beiden waren sichtlich angeschlagen. Ich folgte seiner Aufforderung und fragte: "Wieso nennst du mich so?"

"Was, Schwester?" Er nickte nach links. Ich folgte seinem Blick und sah einen Mann mit kurzen Haaren und dunkel umrandet Augen. Er legte einen Arm um eine blonde Frau und kicherte. "Wir haben Floki da von dir erzählt. Und er meinte, du könntest glatt unsere Schwester sein."

Ich sah ihn entgeistert an, mein Blick wanderte zwischen Floki und Ivar hin und her. Die hatten wohl echt zu tief ins Glas geschaut. "Hey Eivor!"
Hvitserk, der Ivar gegenüber saß rutschte zur Seite und klopfte auf die Bank. "Setzt dich zu uns."
Ich öffnete den Mund, um zu widersprechen. "Aber ich darf nicht-"

"Doch darfst du! Komm schon, du musst am verhungern sein!" Er nahm meinen Arm und zog mich auf die Bank neben ihn. Ein Mann namens Halfdan beugte sich zu uns herüber. "Wenn Lagertha das mitkriegt, köpft sie euch." Doch Hvitserk zuckte nur mit den Schultern und fülte mir von dem Fleisch auf.

Nach einer Weile standen Halfdan und Harald auf und liefen zu den Bierfässern, die am Rand standen. Eine kleine Meute hatte sich darum verteilt und die Mäner tranken direkt aus dem Fass während die Sklaven versuchten, neuen Met für die Gäste einzuschenken. Harald gab einen Trinksprüch zum Besten.

Ubbe stand auf und ging davon, er murmelte etwas von wegen Margrethe suchen. Ich sah ihm nachdenklich hinterher und hatte das ungute Gefühl, dass da etwas nicht stimmte...

Between Two WorldsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt