9. Date

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Song: Sweet Apocalypse - Lambert

Moritz

Gestern dachte ich noch, wie soll ich die Zeit bis morgen halb Fünf rumkriegen, es waren immerhin noch über 24 Stunden. Aber jetzt ist es gleich schon vier Uhr und ich muss mich langsam auf den Weg machen. Je näher das Date rückt, desto aufgeregter bin ich. Vorhin habe ich schon geduscht und mich umgezogen. Ich ziehe nichts besonderes an, einfach weil ich sowas nicht besitze.

Grade mach ich mir meine Haare und benutze noch mein Parfum, dann ist es Zeit zu gehen.
Mit jedem Schritt werde ich nervöser, meine Hände werden ganz heiß und feucht, obwohl es draußen immer noch Minusgrade sind.
Das einzige was mich jetzt beruhigen könnte wäre Musik, aber ich habe natürlich vor Aufregung meine Kopfhörer vergessen.

Die Bahn kommt viel zu schnell und ist viel zu schnell an der Station angekommen. Ich fühle mich komplett überfordert und unvorbereitet. Ist das die richtige Entscheidung gewesen, sich mit ihm zu treffen? Oder ist das viel zu früh? Wir kennen uns ja nichtmal! Was wenn er- Ich kann den Gedanken nicht zu Ende führen, denn in diesem Moment sehe ich ihn und allein das macht mich so unbeschreiblich glücklich.

Er steigt aus der Bahn und schaut sich schüchtern um, die Hände in den Taschen. Als er mich entdeckt hebt er den Blick und auf seinem Gesicht breitet sich ein Strahlen aus, es gibt mir sofort eine Gänsehaut.

Ich gehe auf ihn zu und ziehe ihn in eine Umarmung. Ich drücke ihn so fest an mich, dass ich durch seine dicke Jacke trotzdem sein klopfendes Herz spüren kann. Es fühlt sich einfach an wie zuhause.
'Hallo', flüstere ich in sein Ohr. 'Hey', erwidert er nur und allein seine Stimme wieder zu hören, lässt mich lächeln. Immer noch ist das alles so surreal.

Als wir uns irgendwann lösen, ich habe keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen ist, nehme ich seine Hand.
'Komm, ich weiß wo wir hin gehen können', sagt Vincent. Wir verlassen die U-Bahnstation in Richtung eines Parkes. Außer uns ist niemand da. Die untergehende Sonne hängt müde in den Kronen der alten Eichen, ganz so, als würde sie selbst noch nicht untergehen wollen.

'Da hinter den Bäumen ist meine Schule.' Vincent zeigt nach links, wo kahle Äste in den rotgrauen Himmel ragen.
'Wirklich?', frage ich ungläubig.
'Ja, wieso?' Er schaut mich an, sein Blick ist wie die Sonne auf meiner Haut, warm und angenehm, wie an Orten, an denen ich mich besonders wohlfühle. Ich antworte schnell, bevor ich mich in seinen Augen verlieren kann.

'In der Halle habe ich jeden Dienstag und Freitag mein Handballtraining. Und trotzdem haben wir uns noch nie da gesehen.'
'Wahrscheinlich haben wir uns immer knapp verpasst.' Vincent grinst mich an, er ist so hübsch. 'Findest du auch, dass alles hier so unreal ist? Dass wir uns wieder gesehen haben, dass wir uns überhaupt getroffen haben, obwohl in dieser Stadt Millionen Menschen leben?'

Ich nicke nur, weiß nicht was ich darauf antworten soll und schaue ihm in seine wunderschönen grünen Augen. Es sind genau die Gedanken, die mich seit zwei Tagen nicht mehr loslassen. Und einmal mehr bin ich mir sicher, dass da mehr zwischen uns ist.
'Erzähl mal, was machst du so?', frage ich, unterbreche den magischen Moment. Ich weiß nicht, ob es die richtige Entscheidung ist. Aber ich hoffe einfach, dass es nicht der Letzte war.
'Was soll ich schon sagen?' Er lacht, wunderschöne weiße Zähne leuchten in der Dunkelheit, fast hätte ich ihn geküsst. 'Ich bin seit einem Monat 18, mache bald mein Abi und dann...' Er hört auf zu reden, drückt meine Hand.

'Und dann?'
'Und dann reise ich mit meinen Eltern nach Brasilien. Ein Traum seit ich denken kann.' Vincents Blick verliert sich in der Ferne.
'Urlaub? Hab ich nach meinem Abi auch gemacht.'
'Nein, meine Eltern-' Er stoppt mitten im Satz und dreht sich abrupt zu mir um. 'Warte, wie alt bist du eigentlich?'
Ich grinse, weil ich weiß, was jetzt in seinem Kopf vorgeht. '20, also nicht so alt wie du jetzt vielleicht denkst...'

'Ich denke gar nix!', verteidigt er sich, aber seine Augen leuchten verräterisch.
'Keine Angst, ich bin nicht zu alt für dich.' Das Lächeln auf meinem Gesicht ist ernst geworden. Nicht, dass er das nachher noch wirklich denkt.
Er lässt meine Hand los, sofort fühlt sie sich unangenehm kalt und leer an, aber dann umarmt er mich und seine Wärme umhüllt mich wie eine Wolke aus Sicherheit.
'Da bin ich aber froh. Ich schätze nämlich, dass es jetzt kein Zurück mehr gibt.', flüstert er in mein Ohr, sein warmer Atem streift meine Wange.

Mein Herz, was sich seit unserem Wiedersehen vorhin wieder beruhigt hat, fängt jetzt ganz schnell an zu schlagen. Denn er hat Recht. Ich habe mich ebenfalls total in ihn verliebt, innerhalb weniger Tage. Ohne ihn zu kennen. Und ein Zurück gibt's nicht mehr.

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Freue mich wie immer über Votes und Kommentare:)
Habt eine schöne Woche!

Vincent (boyxboy) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt