7. Warten

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Songs: Yottabyte - Martin Garrix + Until the end (Acoustic version) - Henri PFR, Raphaella

Moritz:

Er hat mir die Sprache verschlagen. Den ganzen Abend bringe ich keinen Ton mehr über die Lippen. Zu Hause gehe ich sofort in mein Zimmer, meine Mitbewohner würden sofort merken, dass irgendwas anders ist mit mir. Aber ich kann ihnen nicht sagen, was los ist mit mir, wenn ich es selbst nicht wirklich weiß.
Ich will jetzt lieber alleine sein, über alles nachdenken und auf ihn warten. Darauf, dass er sich meldet.

Wie hypnotisiert schaue ich immer wieder zu meinem Handy, aber das Display bleibt schwarz.
Ich bin so verwirrt. Soetwas habe ich noch nie in meinem Leben erlebt. Habe noch nie so einen umwerfenden Jungen getroffen wie Vincent. Sein Name klingt in meinen Gedanken wundervoll.
Und wenn ich meine Augen schließe, spüre ich immer noch seinen Geruch in meiner Nase, seine Finger in meiner Hand, sein Lächeln, die Wärme zwischen uns. Ich kann einfach nicht aufhören, an ihn zu denken.

Denn jetzt ist bei der Sache noch was ganz anderes hinzugekommen. Bevor wir uns heute wieder gesehen hatten, hab ich nur immer an ihn gedacht. Aber wirklich Hoffnung hatte ich keine, um mich selbst vor der Enttäuschung zu schützen.
Ich wusste nicht, dass ich damit nicht alleine bin, damit konnte und wollte ich nicht rechnen.

Aber nach heute Abend ist die Situation eine völlig andere. Denn nun weiß ich, dass Vincent auch oft an mich gedacht hat, mich gesucht hat, mich vermisst hat.
Bisher war diese ganze Sache nur ein Traum gewesen, wenn ich Abends im Bett lag und nicht einschlafen konnte. Doch jetzt kann es Wirklichkeit werden.
Ich bin einfach nur glücklich verwirrt.

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Der nächste Morgen ist die reinste Hölle.
Nach gestern Abend ist Vincent mehr denn je in meinem Kopf und ich kann an nichts anderes denken. Nicht beim Frühstück, auf dem Weg zur Uni oder in den Vorlesungen am Vormittag.
Meine ganze Konzentration liegt auf meinen Händen, in denen ich mein Telefon halte. Ich will nicht verpassen, wenn er sich meldet.

'Hey, alles gut? Du starrst schon seit einer halben Stunde Löcher in die Luft!', flüstert Hannes mir zu. Ich zucke nur mit den Schultern. Das scheint ihm als Antwort vorerst auszureichen. Er wendet sich wieder dem Professor zu.
Der Hörsaal ist vollgestopft bis in die letzte Ecke, als würden sich die Studenten alle vorgenommen haben, wenigstens am Anfang des Semesters ihre Kurse zu besuchen. Ich bekomme von alldem nichts mit.

Als mein Handy vibriert, zucke ich vor Schreck zusammen. Hannes schaut mich fragend an, aber ich ignore ihn.
Plötzlich habe ich Angst. Was wenn Vincent mir geschrieben hat, dass er keine Lust mehr auf mich hat?
Schwachsinn, denke ich. Sonst hätte er sich gestern niemals so verhalten. Wäre niemals so rot geworden, als ich seine Wange berührt hatte.

Vorsichtig entsperre ich mein Smartphone, und als ich dir Nachricht lese, überkommt mich ein Gefühl, was ich nur allzugut kenne. Erst Gestern habe ich es gehabt, als ich aus der Bahn stieg und Vincent nirgendwo zu sehen war: Enttäuschung. All meine Anspannung verlässt meinen Körper. Ich lehne mich zurück, atme aus.
Wieso bin ich immer so ein Idiot?

Hannes beugt sich wieder zu mir. 'Ernsthaft, was ist mit dir?' Sein Blick fällt auf das Display meines Handys.
'Nichts! Linus hat nur gefragt, ob ich auf dem Rückweg Klopapier mitbringen kann. Er hats grade leer gemacht.' Neben mir fängt Hannes laut an zu lachen. Schnell senke ich den Blick, als sich einige Leute zu uns umdrehen, es ist mir unangenehm.
'Sei still. Es ist nicht lusitg!', zische ich, immer noch ein Nervenbündel. Ich kapiere einfach nicht, was grade passiert ist.

'Und ob es das ist! Es ist so typisch Linus!' Er ist mein Mitbewohner, seit ich vor anderthalb Jahren zum Studieren hier her gekommen war. Und der liebenswerteste Chaot, den ich kenne.

Vom Rest der Vorlesung bekomme ich nichts mehr mit. Es ist nicht so, als hätte ich vorher  richitg zugehört, aber jetzt bin ich mit meinen Gedanken wirklich völlig woanders.
Ich mache mich schon so verrückt, dass ich so krass enttäuscht war, als ich sah, dass es nur Linus war, der mir geschrieben hatte. Das kann nicht sein, ich will das nicht, und irgendwie doch...

Ich merke nicht mal, wie der Professor die Vorlesung beendet. Erst als Bewegung in die Studenten um mich herum kommt, sehe ich es.
'Gehen wir in die Mensa? Hab echt Hunger.', fragt Hannes zwischen den Lärm hindurch.
'Klar.', sage ich abwesend. 'Und dann erzählst du mir, was los ist.' Er stopft seine Unterlagen in seinen Rucksack und steht auf. 'Komm, sonst ist gleich kein Platz mehr frei!'

Ich packe mein Zeugs in die Tasche und schlurfe ihm hinterher. Nachdem, was eben passiert ist, fühle ich mich total kraftlos, so als würde ich jeden Moment umfallen, wenn ich mich nicht konzentriere.

In der Mensa ist tatsächlich schon ziemlich viel los, aber Hannes findet noch zwei Stühle an einem langen Tisch. Am anderen Ende sitzt eine Gruppe Mädels. Sie sehen uns an, als wir uns mit voll beladenen Tabletts setzen. Ich fange den Blick von einer auf. Sie lächelt mich an, aber als ich sie einfach nur emotionslos anstarre, schaut sie schnell weg.

Ich muss wieder an Vincent denken und auf einmal kommen mir erneut Zweifel. Was wenn ich, wenn das was gestern passiert ist, ihm egal ist?
Dieses mal kann ich den Gedanken nicht einfach so wegwischen wie vorhin. Er hat sich irgendwie in mein Gehirn eingenistet. Denn anders kann ich mir nicht erklären, wieso er sich bis jetzt immer noch nicht gemeldet hat. Womöglich hat er mich tatsächlich vergessen.

Schweigend essen wir eine Weile, bis Hannes mit einem Krachen seine Gabel auf seinen Teller fallen lässt.
Erschrocken reiße ich meinen Kopf hoch. Hannes' Augen ruhen auf mir, wer weiß wie lange schon. 'Was?', nuschele ich zwischen zwei Bissen von meiner Pasta.
'Das will ich von dir wissen! Seit drei Stunden beobachte ich dich jetzt schon und du siehst immer mehr aus wie ein Kartoffelsack.' Ich sehe genervt an. Er hebt abwehrend die Hände. 'Nicht böse gemeint! Ich frage mich nur, warum du dich so hängen lässt. So kenne ich dich nicht.'

Ich schlucke und trinke aus meiner Flasche ehe ich antworte. 'Ich will nicht drüber reden, ich muss das erstmal selber klar kriegen.' 'Moritz, du kannst-'
Ich nicke, weil ich weiß was jetzt kommt. Dass ich mit ihm über alles reden kann. Aber ich, und das ist schon immer so gewesen, erzähle nicht alles sofort, was in meinem Kopf vorgeht, an meine Freunde, egal wie sehr ich sie mag. Lieber behalte ich gewisse Dinge für mich.
Hannes seufzt. 'Wie du meinst. Dein Leben, deine Entscheidung.'

Den Rest der Mittagspause verbringen wir beide draußen. Über Nacht hat es noch mehr geschneit und wir liefern uns eine Schneeballschlacht.
Und dann, als ich es selbst schon fast wieder vergessen habe, ist es doch passiert. Ein Lächeln tritt auf mein Gesicht, als ich auf meinem Handy nachschaue, wo ich den nächsten Kurs habe.
Eine unbekannte Nummer hat mir geschrieben:
Tut mir leid, dass ich mich erst jetzt melde. Heute ist ein stressiger Tag, und trotzdem habe ich jede Minute an dich gedacht. Und dich vermisst.

Wie findet ihr das Kapitel? Ich muss erhlich sagen, dass es mir von allen bis jetzt wahrscheinlich am besten gefällt:)
Habt eine schöne Woche.

Vincent (boyxboy) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt