1. U-Bahn

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Song: Someone you loved-Lstn

Menschen kommen und gehen. Sie werden angeschwemmt wie die Flut und verschwinden wie die Ebbe. Jede Minute sind es Neue.
Ich sitze schon eine ganze Weile auf der grauen Bank und beobachte die Leute, die ein- und aussteigen, jeder mit einem anderen Ziel. Und doch haben sie alle was gemeinsam.

Ich brauche nicht lange, um darauf zu kommen, was das ist.
Niemand schenkt der Umwelt Beachtung. Die Menschen starren auf die hellen Bildschirme ihre Smartphones, hören Musik, sind in Gespräche vertieft und hetzen den Bahnsteig entlang zur Rolltreppe, weil sie immer in Eile sind, weil sie nie Zeit haben. Keiner sieht auf oder schaut sich neugierig um, und wenn sich doch ganz zufällig zwei Augenpaare treffen, wird schnell und schockiert der Blick gesenkt. Bloß keinem Beachtung schenken.
Alles ist so anonym, so einsam, egal ob grade die Massen aus den Zügen schwappen oder ob es der kurze Moment der Stille ist, wenn der Bahnsteig sich für einen Augenblick leert.

Aber es gefällt mir, irgendwie. Und ich bin oft hier, stelle mir vor, wohin die Leute gehen, woher sie kommen, denke mir Geschichten aus, wieso sie grade so wütend aussehen. Und es ist jedem egal, weil niemand mich beachtet.
Ich könnte auch nach Hause gehen. Aber was will ich da, wenn nur Pflichten auf mich warten, und niemand sonst da ist? Lieber bleibe ich noch für einen Moment hier, halte das Geschehen auf einem Blatt Papier fest, genieße es, ein winziger Teil einer riesigen Masse zu sein.

Wind streicht mir durch die Haare, als die Bahn anfährt und beschleunigt, es wird laut. Wenn man sich in diesen Augenblicken ganz nah an die Kante stellt und den Luftzug mit seinem ganzen Körper spürt, ist das wie in der Achterbahn. Es ist ein wunderschönes Gefühl, ich mache das immer wieder.
Der nächste Zug fährt ein, Türen werden zischend geöffnet, die Menschen strömen hinaus. Neugierig hebe ich den Kopf, um die Gesichter besser zu sehen. Es fasziniert mich jedes Mal, wie viele tausende verschiedene Personen ich schon in meinem Leben gesehen habe, aber von denen hier kenne ich niemanden, und werde ihnen außer heute auch nie wieder begegnen.

Plötzlich wird mein Blick erwidert. Und nicht nur eine Sekunde, weil diese Begegnung reiner Zufall war. Die Augen von dem Jungen sehen mich an, während er an mir vorbei geht. Es scheint, als ob die Welt stehen bleibt, alle Geräusche verstummen und ich sehe nur ihn. Er ist groß und trägt eine mitternachtsblaue Mütze, in seinen Ohren stecken Kopfhörer. Er hat einen schwarzen Pulli an, trägt einen roten Rucksack, der im Kontrast zu seiner Mütze steht. Er sieht wunderschön aus. Er hört nicht auf mich anzugucken, bis er vom Menschenstrom verschluckt wird. Er, den ich nie wieder sehen werde.

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Der erste Teil, ich freue mich, dass ihr ihn gelesen habt! Wie in der Beschreibung erwähnt, sind meine Kapitel nicht sehr lang, weil ich das einfach lieber mag, also wems nicht gefällt, sollte nicht unbedingt weiter lesen :D
Lasst gerne Kritik und Lob da und teilt die Geschichte mit anderen:)
Songs die zum Kapitel passen hab ich oben hingeschrieben.
Habt eine schöne Woche!

Vincent (boyxboy) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt