A River in Egypt

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»Do not go gentle into that good night.
Rage, rage against the dying of the light.«
- Dylan Thomas


1. KAPITEL – A RIVER IN EGYPT
GREAT HANGLETON, 22.02.1941

Irene Atkins schrie sich selbst wach.

Ihr Erwachen verstummte jedoch nicht den markerschütternden Schrei, der sich irgendwo tief aus ihrem Inneren zu lösen schien. Irene schrie – schrie mit einer schieren Panik, bei der einem Amateur auf dem Feld der Angst das Blut in den Adern gefroren wäre. In der Dunkelheit ihres Schlafzimmers wütete ein Inferno vor ihren Augen. Der Geschmack von Rauch brannte auf ihrer Zunge. Irene schrie auch noch, als ihre Zimmertür aufsprang und mit einem ohrenbetäubenden Knall gegen die Wand donnerte.

Ein Mann stürmte ins Zimmer, dicht gefolgt von einer weiteren, weiblichen Gestalt. Durch den Schleier aus Tränen konnte Irene bloß verschwommene Umrisse erkennen, aber der Arm des Mannes war eindeutig zum Angriff bereit ausgestreckt, der Zauberstab fest in seiner Hand. Die Frau schob ihn unwirsch beiseite. Er versuchte, sie am Handgelenk zu packen – »Maude!« –, doch sie wich ihm geschickt aus und hastete zu dem Bett, in dem Irene lag und sich nach wie vor die Seele aus dem Leib schrie. Die Arme der Frau schlangen sich um Irenes eigene umherschlagenden Gliedmaßen.

»Sssschhh«, flüsterte ihr eine sanfte Stimme ins Ohr und Irene griff nach den Armen ihrer Mutter wie eine Ertrinkende nach einer Rettungsleine. Wenige Meter entfernt zerbarst eine Fensterscheibe mit einem lauten Klirren; das zersplitterte Glas regnete in einem Meer aus Scherben nieder und keine Sekunde später schloss sich das zweite Fenster im Zimmer seinem Nachbarn an. »Sssschhh, es ist okay«, sprach Irenes Mutter weiterhin beruhigend auf sie ein, bis die Schreie zu heiseren Schluchzern verebbten. »Es war nur ein Albtraum, es ist okay, alles ist okay, du bist in Sicherheit, es war nur ein Albtraum«, wiederholte ihre Mutter die Worte wie ein Mantra, während sie sich gemeinsam vor- und zurückwiegten. »Es ist okay.«

Unwissend, dass es genau diese Worte waren, die Irenes Träume heimsuchten.

»Es ist okay...«

Irene verharrte auf der letzten Treppenstufe, die sie vom Flur trennte

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Irene verharrte auf der letzten Treppenstufe, die sie vom Flur trennte. Der schwache Duft von gebratenen Würstchen und Spiegeleiern waberte durch die offene Küchentür, begleitet von einer peppigen Melodie, die blechern aus einem Radio schallte. Irenes Hand schoss blitzschnell zum Bund ihrer Schlafhose, wo ihr Zauberstab gegen ihren Hüftknochen drückte. Wachsam setzte sie ihren rechten Fuß auf den kühlen Holzdielenboden, dann den linken und vermied dabei gezielt die knarzende Stelle. Ihr Körper nahm instinktiv eine Verteidigungshaltung an, doch kurz darauf ertönte das vertraute helle Lachen ihrer Mutter und jede Anspannung löste sich aus ihren Muskeln. Leisen Schrittes näherte Irene sich der Küchentür und erstarrte zum zweiten Mal an diesem Morgen.

Es war lediglich das Bild eines lang verheirateten und immer noch wie-frisch-verliebten Ehepaars, das sich gemeinsam zu einem fröhlichen Lied wiegte, versunken in ihrer eigenen kleinen Welt. Ihre Mutter löste sich aus den Armen ihres Vaters und drehte sich einmal um sich selbst, wobei sie seine Hand nie losließ. Ihr Vater zog sie wieder zurück an seine Brust und umfasste ihre Taille. Irene war zwar beileibe keine Romantikerin, aber selbst ihr hätte dieses Bild das Herz erwärmen sollen – wie ihre Eltern sich da tief in die Augen schauten und unbekümmert zur Musik schaukelten...

Well Lived / Tom Riddle FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt