Well Lived / Tom Riddle FF

Point Blank

»I have seen your heart,
and it is mine.«
- J. K. Rowling

17. KAPITEL – POINT BLANK
HOGWARTS, 31.10.1941

Halloween 1941 war in mehreren Hinsichten ein ereignisreicher Tag.

Es war der Tag, an dem ein deutsches U-Boot die USS Reuben James, ein Schiff der US Navy, mit zwei Torpedos in die Versenkung schickte, was für einige amerikanische Matrosen den Beginn des zweiten Weltkriegs einläutete, Monate bevor die Vereinigten Staaten den Achsenmächten offiziell den Krieg erklärten – etwas, von dem Irene (noch) nichts wusste, aber das sich in naher Zukunft auf ihr Leben auswirken würde.

In Hogwarts war es der Tag, an dem Sir Nicholas de Mimsy-Porpington, besser bekannt als ›Fast Kopfloser Nick‹, vor 449 Jahren zum Tode verurteilt worden war und nach einer schlampigen Exekution (bei der die stumpfe Axt ganze 45-mal auf seinen Hals niedersausen musste, bis die Strafe vollstreckt war), seine neue Existenz als Hausgeist der Gryffindors begrüßt hatte – etwas, von dem Irene auch nichts wusste und höchstwahrscheinlich auch nichts wissen wollte.

In einem Hufflepuff-Schlafsaal in den Kellern von Hogwarts, war es der Tag, an dem Irene Atkins, besser bekannt als Irene Baker, und Zarina Fawley ihren allerersten Streit hatten – etwas, dessen Irene sich äußerst bewusst war angesichts der Tatsache, dass es in eben diesem Moment passierte und sie eine der involvierten Parteien war.

»Was meinst du mit ›Ich komme nicht mit nach Hogsmeade‹?!«

Allerdings war es vielleicht weniger ein Streit und vielmehr Verärgerung seitens Zarina darüber, dass Irene in ihren Augen mal wieder enttäuschende Arbeit als ein Teenager leistete, und ein Gefühl der Ausweglosigkeit seitens Irene, die wegen Tom Riddle mit dem Rücken zur Wand stand: Entweder sie akzeptierte seine ›helfende‹ Hand oder sie erklomm die Mauer aus verpasstem Stoff auf eigene Faust – und das am besten so schnell wie möglich. Besser noch, schneller als möglich.

»Ich meine damit, dass ich heute im Schloss bleiben werde, weil ich die zusätzliche Zeit wirklich gebrauchen kann«, erklärte Irene stoisch und packte weiterhin ihre Tasche für einen geschäftigen Tag in der Bibliothek.

»Aber– Aber es ist Hogsmeade!«, stammelte Zarina in einem Tonfall, der zwischen Entrüstung und Erzürnung hin- und herschwang. »Es ist Hogsmeade und es ist ein freier Freitag und– und es ist Halloween! Du kannst heute nicht zwischen irgendwelchen Büchern versauern! Das ist so, als würdest du an Weihnachten oder am ersten April oder– oder irgendeinem anderen wichtigen Nationalfeiertag lernen!« Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich dachte, der lautere Teil von dir will sehen, was ich vorhab'!«

Cordelia, die mit dem Kopf zwischen den Händen auf ihrem Bett saß, stöhnte auf und massierte ihre pochenden Schläfen. »Du bist die Einzige, die hier gerade laut ist, Zari...« Am Abend zuvor war sie mit einer mörderischen Migräne von Slughorns Abendessen zurückgekehrt und der unüberhörbare Disput zwischen ihren beiden Mitbewohnerinnen schien da nicht das effektivste Heilmittel zu sein. »Kannst du nicht einfach... bitte... ein bisschen leiser sein?«

»Du hörst schon wieder auf die falschen Stimmen, Irene!«, ignorierte Zarina Cordelias Beschwerde. »Du sollst doch auf die hören, die wissen, wie man Spaß hat! Sonst verpasst du alles!« Ihr Tonfall rutschte ins Quengeln ab und sie wandte sich zu Cordelia, die noch qualvoller aufstöhnte als davor. »Sag's ihr, Del! Sag ihr, dass sie mitkommen muss!«

»Warum soll ich–« Cordelia hievte sich von ihrem Bett hoch. »Vergiss es. Ich gehe zum Krankenflügel. Klärt das unter euch.« Sie schlurfte mit einem ungewöhnlich schleppenden Gang aus dem Schlafsaal. Aus dem Augenwinkel nahm Irene wahr, wie Olive am Türrahmen zum Badezimmer lehnte, während sie sich die Zähne putzte und das ganze Treiben mit kaum verhohlenem Vergnügen verfolgte – anders als Phyllis, die bereits beim ersten Anzeichen des verbalen Gefechts ins Gemeinschaftsraum geflüchtet war, wie ein Kaninchen, das Gefahr gewittert hatte.