War Requiem

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Anmerkung: Dieses Kapitel ist eine Rückblende! Es spielt ein Jahr früher!

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»We choose to stay blindfolded,
in the dark as to the realities of death and dying.
But ignorance is not bliss,
only a deeper kind of terror.«
- Caitlin Doughty


5. KAPITEL – WAR REQUIEM
COVENTRY, 15.11.1940

Es war ein kalter, trostloser Novembermorgen.

Siebenundfünfzig Nächte in Folge war London das Ziel von heftigen, aber vereinzelten Bombenschauern gewesen, was die Zerstörung einigermaßen bewältigbar gemacht hatte. 

Muggel, die anders als Hexen und Zauberer nicht einfach beim Heulen der Sirenen disapparieren konnten, verschanzten sich bei Nacht in Bunkern und U-Bahn-Stationen, wo sie provisorische Schlafplätze errichteten: Decken und Kissen in stillstehenden Zügen, auf dem Boden, zwischen den Gleisen... 

Diejenigen, die keinen Schlaf finden konnten, machten es sich bequem, plauderten, strickten und sogar Tee wurde aus Metallgießkannen serviert, während deutsche Bomben mit einem unüberhörbaren Pfeifen auf sie niederregneten. Am Tag gingen sie dann wie gehabt dem Leben nach, so gut es eben möglich war. ›Öffnungszeiten wie üblich!‹ war mit Kreide auf jenen Brettern geschrieben, mit denen Ladenbesitzer ihre Fenster schützend zugenagelt hatten.

Doch vor einigen Tagen hatte der Nachrichtendienst der Wache Pläne für den bisher gewaltigsten Anschlag abgefangen. Allerdings hatte niemand mit Sicherheit bestätigen können, wo er stattfinden sollte. Alle hatten angenommen, dass es London erwischen würde, da es schlichtweg das Naheliegendste war – das, was am einleuchtendsten erschien: Nun, da die Flieger die Hauptstadt des Feindes zwei Monate lang studiert hatten, ihre Schwachstellen ausgetestet hatten, war es Zeit für die richtig große Nummer gewesen. Und so hatte sich die Wache, stationiert in der Krypta der St.-Pauls-Kathedrale in London, auf den Angriff vorbereitet.

Irene Atkins zog die Kapuze ihres Mantels tiefer in die Stirn und trat aus der Gasse in die Bayley Lane, bevor die Nächsten dort seit-an-seit apparieren konnten. Schmutziges braunes Wasser schwappte durch die Straßen von Coventry und sickerte durch die abgenutzten Sohlen ihrer Stiefel; eisigkalte Nässe fraß sich durch ihre Socken, bis Irene nicht mehr ihre Zehen spüren konnte.

Wobei Irene momentan sowieso nichts außer Fassungslosigkeit spüren konnte.

In Coventry hatte sich die St.-Michaels-Kathedrale über ein halbes Jahrtausend stolz in den Himmel gereckt und über jedes Gebäude gethront – eine unermüdliche Erinnerung an das mittelalterliche Städtchen, das Coventry einst gewesen war, bevor sich alles so schnell gewandelt hatte. Bevor Menschen immer innovativer geworden waren, immer mehr bahnbrechende technische Errungenschaften auf der Bühne der Welt präsentiert hatten und auf der Suche nach Arbeit und einem besseren Leben vom Land in die Städte aufgebrochen waren. 

Seit dem letzten Krieg hatte Coventry sich zu einem blühenden Industriezentrum entwickelt und rückblickend... rückblickend auch zu einem offensichtlichen Angriffsziel. Es waren Coventrys bescheidene Fabriken gewesen, die am laufenden Band jene Waffen ausgespuckt hatten, die die Muggel dringend benötigten, um ihren Teil im Krieg zu leisten und ihn zu gewinnen.

Oder so hatte es zumindest der Informant in der Einsatzbesprechung von Irenes Trupp berichtet.

Es war keineswegs ihr erster Einsatz als ›Trümmerkind‹, wie ihr Bruder die Novizen der Akademie nannte, die noch minderjährig waren: zu jung für den aktiven Dienst, aber anders als die Sieben- bis Elfjährigen der Junior Akademie alt genug, um bei den Aufräumarbeiten mitzuhelfen. 

Well Lived / Tom Riddle FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt