Stagnant

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»Even extreme grief may ultimately vent itself in violence—but more generally takes the form of apathy.«
- Joseph Conrad


4. KAPITEL – STAGNANT
HOGWARTS, 02.10.1941

»Bitte vergesst nicht, dass ich am Dienstag die Aufsätze zum Gebrauch des Aufrufe- und Verscheuchezaubers einsammeln werde, ich möchte danach mit etwas Neuem beginnen!«

Ein leises Stöhnen ging durch das Klassenzimmer, als Schüler ihre Tische freiräumten und ihre Bücher und Unterlagen in ihre Taschen packten.

»Oh, und Miss Baker?« Professor Pennifold blickte Irene freundlich an. »Auf ein Wort bitte?«

Irene schulterte ihre eigene Tasche und spielte am Verschluss herum, während die anderen Hufflepuffs und Gryffindors aus der Tür und in die Pause strömten. Sie schaute zu, wie sich das Klassenzimmer allmählich leerte, und Gespräche über dieses und jenes hallten aus den Gängen wider.

»Soll'n wir auf dich wart'n?«, fragte Phyllis mit ihrer leisen, zarten Stimme und einfühlsamen Rehaugen. »Das wär' überhaupt kein Prob–«

»Ist schon in Ordnung«, unterbrach Irene sie und sah die anderen Mädchen an. »Ich weiß nicht, wie lange das dauern wird. Geht ruhig vor.«

Zarina zuckte mit den Schultern und folgte Cordelia, die längst aus der Tür stolziert war, bevor Irene ihren ersten Satz beendet hatte.

»Oh...«, murmelte Phyllis und guckte ein wenig bedröppelt, wie bestellt und nicht abgeholt. »Okay, dann... seh'n wir uns in Verteidigung, ja?«

Irene nickte bloß und Phyllis schlurfte zu Olive, die ungeduldig am Türrahmen lehnte. Gemeinsam verließen die beiden Mädchen als Letzte den Raum.

»Keine Sorge, du steckst in keinen Schwierigkeiten oder so«, sagte Professor Pennifold und lachte leise über den bedächtigen, achtsamen Gang, mit dem Irene zum Pult schritt, auf dem die Lehrerin mit überschlagenen Beinen saß. »Ich wollte eigentlich nur fragen, wie es dir so geht? Ich hoffe, du hast dich seit letztem Monat gut eingelebt?«

»Mir geht es gut, danke«, antwortete Irene automatisch und verzog ihre Lippen zu einem höflichen Lächeln. »Es gefällt mir hier wirklich sehr, vor allem, weil ich mich nicht mehr ständig verlaufe, also... fühlt sich allmählich an, als wäre ich schon seit Jahren hier.« Seit. Jahren.

»Hmm...«, summte Professor Pennifold. »Ich muss zugeben, ich war etwas besorgt. Du hast dir ja am Anfang mit meinem Stoff ein wenig schwergetan, vor allem als wir noch den Kitzelzauber behandelt haben, und so etwas kann an einer neuen Schule sehr demotivierend sein. Aber seit letzter Woche sind deine Ausführungen in meinem Unterricht ja wirklich jedes Mal meisterhaft!« Ihre Augen sprühten regelrecht vor Stolz.

»Ja, ich war schon immer besser in... äh... Alltagszaubern. Wenn man sie so nennen kann.«

Davon abgesehen, dass Irene den Aufrufe- und den Verscheuchezauber bereits beherrschte, da diese in Duellen sehr nützlich waren, musste man eines klarstellen: Irene war kein geborenes Naturtalent. Zwar hatte sie schon immer ein gutes Gespür für Magie gehabt, doch die Zügel über sie wurden ihr nie einfach so ohne Umschweife in die Hand gelegt. Dafür musste man Irene zugutehalten, dass sie sich nicht davor scheute, die Ärmel hochzukrempeln und etwas anzupacken, egal wie unerreichbar das Ziel erschien. Selbst wenn es bedeutete, wieder und wieder, Stunde um Stunde dieselbe Armbewegung und denselben Zauber auszuführen.

Nur erkannte Irene in diesem Fall weder den Sinn darin, so etwas wie den Kitzelzauber zu üben, noch hatte sie die Zeit dafür. Ihre freien Stunden verbrachte sie damit, in der Bibliothek oder in alten leeren Klassenzimmern das zu lernen, was sie eines Tages wirklich gebrauchen könnte – Alltagszauber eben. Ihr Alltag würde bloß ein wenig anders aussehen als der mit den geregelten Arbeitszeiten eines Bürojobs.

Well Lived / Tom Riddle FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt