Kapitel 2

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Der eiskalte Wind schlägt uns wie eine Mauer entgegen und wir sind innerhalb weniger Sekunden pitsch nass vom vielen Schnee.
"Brr.. ist das kalt hier! So viel Schnee habe ich nicht mehr gesehen, seit ich 4 war!", beschwert sich Yaku.
"Oh ja. Erkältet euch bloß nicht! Ich brauche doch mein ganzes Blut gesund und vollzählig, damit genug Sauerstoff zu unserem Gehirn gelangen kann!", Stimme ich mit ein und sehe meinen Zuspieler, unser 'Gehirn', von der Seite an. Ja, natürlich meine ich, was ich immer sage. Jeder Einzelne des Teams ist wichtig, aber ich gebe zu, dass ich es dieses Mal gesagt habe, um Kenma auf andere Gedanken zu bringen. Doch dieser scheint komplett mit seinen Gedanken in einer anderen Welt untergetaucht zu sein. Er zittert immernoch. Es könnte auch an der Kälte liegen, doch das glaube ich nicht wirklich. Ich mache mir wirklich Sorgen und würde ihn am liebsten in den Arm nehmen, aber das Thema hatten wir ja schon.
"Keine Sorge, wir sind top fit!", ruft Yaku und klopft Kenma auf den Rücken, welcher daraufhin erschrocken zusammenzuckt.
"Nicht wahr, Kenma?"
Ohne auf das zögerliche Nicken des schüchternen Jungen einzugehen, wechselt er das Thema:
"Was macht ihr so am 25.? Habt ihr schon ein Date?"
"Ich kann mich vor Einladungen kaum retten, aber nein, ich habe noch keines. Ich kann doch nicht einfach alle anderen enttäuschen!", antworte ich, doch Yaku merkt gleich, dass das nicht der Wahrheit entspricht.
"Ja, natürlich doch, Kuroo! Was soll man auch sonst bei einem so gut aussehenden, freundlichen, selbstlosen und überhaupt nicht selbstverliebten Typen wie dir erwarten?"
Er trieft fast vor Ironie, doch ohne zu wissen, dass er damit teilweise sogar Recht hat. So selbstverliebt wie ich manchmal wirke bin ich eigentlich gar nicht. Da war vor mir schon eine andere Person schneller, die mein Herz eingenommen hat.
"Was ist mit dir, Kenma?", redet der 3. Klässler auf den jüngeren Zuspieler ein.
"Nö", antwortet dieser mit wenig Interesse, jedoch scheint er jetzt wenigstens zuzuhören und seinen Traum verarbeitet zu haben.
"Na, dann beeil dich mal!"
Kenma nickt zwar, aber ich weiß genau, dass er nie im Leben eines finden wird. Er ist ein toller Junge mit einem Herzen aus Gold, aber viel zu ruhig und schüchtern. Er ist sehr introvertiert und kommt mit anderen Menschen nicht so gut klar. Er tut alles dafür, dass er nicht auffällt. Für die Anderen ist er praktisch unsichtbar und die Wahrscheinlichkeit, dass er selbst auf diese zugeht, liegt bei 0%. Ich schaue ihn weiter von der Seite an. Er ist ein wundervoller Mensch, doch niemand sieht es. Doch, ich habe es gesehen und sehe es immernoch.
"Ist was?"
Mist! Er hat es bemerkt! Ich sehe kopfschüttelnd schnell in eine andere Richtung. Kenma zuckt mit den Schultern und beginnt im Laufen auf seinem Handy zu spielen. Ich hoffe sehr für ihn, dass es Wasserdicht ist, denn es schneit immernoch ziemlich stark. Ich weiß nicht, wie lange ich es noch verbergen kann. Ja, ich überspiele es schon seit vielen Jahren, doch irgendwann kommt jeder mal an seine Grenzen. Ich würde es ihm ja sagen. Ich würde es allen sagen. Ich würde es in die Welt hinausschreien! Wenn ich nur nicht so eine Angst vor der Reaktion des Teams, der Reaktion unserer Eltern und besonders der Reaktion von Kenma selbst hätte. Ich weiß: Kuroo, der große Kapitän der Nekoma High, hat Angst vor seinem eigenen Team! Sachen gibts! Ich selbst finde es in keinster Weise seltsam oder gar unmoralisch, schlecht oder falsch, wenn sich zwei Jungs ineinander verlieben. Aber ich weiß, dass leider nicht alle Menschen so denken. Eigentlich bin ich auch gar nicht Schwul, sondern Bisexuell, denn ich war im Kindergarten oft in Mädchen oder auch in die ein oder andere Erzieherin verliebt und hatte auch hin und wieder eine Freundin. Doch als ich Kenma das erste mal traf, war dies etwas völlig Anderes. Eigentlich glaube ich nicht an die Liebe auf den ersten Blick, aber ich weiß auch nicht, was es stattdessen gewesen sein könnte. Es war vom ersten Moment an, als ihn bei seinem Einzug in das Haus neben unserem sah, um mich geschehen. Damals wusste ich natürlich noch nicht, was diese plötzlichen Gefühle bedeuteten. Doch eines wusste ich genau: Ich musste mich einfach mit ihm anfreunden! Als er dann ein paar Tage später an meiner Grundschule eingeschult wurde, witterte ich meine Chance und sprach ihn an. Es stellte sich heraus, dass er keine Freunde oder Bekannte an unserer Schule hatte, also überredete ich ihn, dass ich ihm alles zeigen darf. Ich setzte mich beim Mittagessen neben ihn und wir verbrachten die Pausen zusammen, in denen wir uns über Anime unterhielten oder uns gegenseitig unsere neuesten Videospiele zeigten. Es dauerte zwar eine Weile, aber schließlich fasste er Vertrauen zu mir.  Undzwar nur zu mir und nicht zu irgendjemandem sonst. Nicht einmal zu den Lehrern! Wir wurden die besten Freunde. Es faszinierte mich alles an ihm. Sein Charakter, der so viel freundlicher und angenehmer war, als bei den anderen Menschen, die ich kannte. Sein Auftreten, es war so... ich kann es gar nicht richtig beschreiben... so besonders. Ich liebte seine zarten, goldenen Augen und seine schönen, halblangen Haare. Ich liebe alles bis heute. Seine Stimme war so sanft, als wenn sie von einem Engel käme und sein seltenes Lächeln haute mich einfach nur um. Bis ich verstanden hatte, was für eine Art von Gefühlen das ist, die ich von Anfang an mit ihm verband, waren wir beide schon über ein Jahr älter. Das eine Jahr an der Mittelschule und das eine Jahr an der Oberschule, die ich wegen meines einjährigen Altersvorsprungs ohne ihn überstehen musste, waren unerträglich. Ich wollte nur noch Zeit mit ihm verbringen, rund um die Uhr an seiner Seite sein und auch mein größtes Hobby mit ihm teilen. Also überredete ich ihn dazu, in den Volleyballclub einzutreten. Obwohl er wenig Interesse zeigte glaube ich bis heute, dass es ihn damals voll mit dem Volleyball-Fieber erwischt hat.
"Zeit mich zu verabschieden", reißt Yaku mich aus meinen Gedanken. Mir ist gar nicht aufgefallen, dass weder Kenma, noch ich ihn nach seinem Date gefragt hatten, doch das ist wohl auch unnötig, denn uns ist beiden klar, dass er mit Lev verabredet sein würde. Die Geschichte der Beiden gibt mir Hoffnung. Jeder weiß, dass die beiden inoffiziell zusammen sind und es scheint keinen zu stören, dass sie beide männlich sind. Vielleicht mache ich mir grundlos Sorgen wegen meinen Gefühlen für Kenma, doch ich möchte kein Risiko eingehen. Ich könnte mir nichts schlimmeres vorstellen, als sowohl die Freundschaft meiner Teamkollegen, als auch Kenmas wundervolle Freundschaft, welche er nur mit mir teilt, zu verlieren. Dass meine Gedanken wieder einmal abgeschweift sind bemerke ich erst, als meine beiden Freunde mich ansehen, als würden sie auf eine Antwort meinerseits warten.
"Äh.. was nochmal?", bringe ich verwirrt hervor.
"Yaku hat dich gefragt, ob an Weihnachten Training stattfindet.", wiederholt Kenma und wendet sich wieder seinem Handy zu.
"Nein, für ein richtiges Training sind wir zu wenige.", antworte ich. Kenma, Taketora und ich sind scheinbar die einzigen ohne Verabredung, es würde also keinen Sinn ergeben. Yaku nickt nur. Vermutlich ist er erleichtert, dass er so mehr Zeit mit seinem Freund verbringen kann. Ein leiser Stich schleicht sich in mein Herz.
"Na, dann sehen wir uns Montag!", ruft er noch und ist im nächsten Moment schon hinter einer Hausecke verschwunden. Seufzend drehe ich mich wieder zu Kenma.

KuroKen: Sakura Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt