Die Bedingung

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Die Bedingung

„Wie siehst du denn aus?", Jack sprang auf und umarmte sie stürmisch, ganz untypisch gegenüber seinem üblichen Verhalten. Sie lachte erfreut auf.
„Wie eine waschechte Piratin, aye?", Elise grinste und sah zu Gibbs, der sich allmählich auch aufrappelte.
„Aye", erwiderte der ältere Mann, dann fiel sein Blick auf Elises Begleiter, „Barbossa? Was...?"
„Lange ist es her, Jack. Nun, ich dachte mir, ich bringe deine kleine Freundin wieder zu dir. Und jetzt frage ich mich: Was genau ist hier bitte passiert? Diese... Metrala oder wie sie heißt... was hat das alles zu bedeuten?"
„Lange Geschichte", gab Elise zurück und verzog das Gesicht. Irgendwas stimmte nicht.
„Ich habe Zeit", erwiderte der Pirat und musterte sie. Elise stieß schmerzerfüllt die Luft aus, hielt sich den Bauch und setzte sich auf einen der Holzstühle.

„Elise, was ist los?", Jack ging zu ihr hinüber und sah sie besorgt an. Sie atmete nur heftig und kramte in ihrer Handtasche herum. Eine aus schwarzem Leder, von Calvin Klein. Ihre Mutter hatte sie ihr zum achtzehnten Geburtstag geschenkt. Sie holte eine kleine weiße Schachtel zum Vorschein, zog ein dünnes Stück eines Jack unbekannten Stoffes heraus und drückte auf eine der Beulen. Ein weißes kugelartiges Ding landete in ihrer Hand, dann in ihrem Mund. Elise holte eine durchsichtige Fasche mit Wasser heraus und spülte das Ding damit hinunter. Minutenlang herrschte Schweigen. Dann hatte Elise sich beruhigt und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
„Moderne Medizin", sie hatte die fragenden Blicke natürlich bemerkt.
„Aber was ist denn nur los? Wieso hast du solche Schmerzen?"

Und Elise erzählte davon, wie sie im Krankenhaus aufgewacht war, die Sache mit Félicitas' Fehlgeburt, wie sie sich gegen den Rat der Ärzte selbst entlassen hatte, sobald sie die Geburtsurkunde erhalten hatte – gut, sie war abgehauen – und wie sie schließlich hier her gekommen war – dank Barbossa.
„Wahrscheinlich sind das noch Schmerzen von der OP... aber mir geht's gut. Ich bin froh, ins Schwesternzimmer eingebrochen zu sein. Sonst hätte ich jetzt keine Schmerzmittel oder Aufbaupräparate zur Verfügung."
„Und so wurde die Polizistin kriminell", murmelte Jack belustigt.

„Also... wenn ich das richtig verstanden habe, hat Jack diese Metrala nicht gut behandelt, weswegen sie ihn gut 250 Jahre in die Zukunft geschickt hat. Dort hat er Elise getroffen, ist ihr auf die Nerven gegangen und durch ein mysteriöses Rettungsboot mit ihr wieder her gekommen. Dann kam dieser... Harrisson oder wie er hieß, schließlich hat Jack sie ausgesetzt und ich kam dazu. Als Elise fast gestorben wäre, hat Metrala ihr Gedächtnis gelöscht und sie zurück in ihre Zeit geschickt. Dann ist da dieser Julien, mit dem sie sich verlobt hatte, der jetzt auch hier ist und Sparrow töten wollte, wobei Elise wieder weggeschickt wurde und ihr Kind verlor? Ganz ehrlich: Ich komm nicht ganz mit...", Barbossa sah sie nach der schnellen Zusammenfassung verwirrt an und Elise nickte.

„Ich habe schon lange aufgehört, zu verstehen, wie das alles abläuft", mischte sich nun auch Gibbs ein.
„Aber wartet... wenn das alles aufhören soll, dann muss doch sicher ein Gleichgewicht zwischen den beiden Welten herrschen, nicht wahr?", Barbossa überlegte nur laut, doch es war sehr realistisch.
„Das ist gut möglich", stimmte Jack zu.
„Aber ich kann mit Julien doch nicht wieder nach Nantes!", rief Elise aus und wollte aufstehen, doch ein stechender Schmerz hinderte sie daran.
„Natürlich kannst du das nicht", Jacks Hand wog schwer auf ihrer rechten Schulter, „Aber irgendwie müssen wir es hinbekommen, dass in beiden Welten genauso viele Menschen sind wie vorher."
„Das heißt, egal wer, es müssen nur zwei Personen hinüber?", fragte Gibbs.
„Aber selbst wenn: Wer?", nach Barbossas Frage herrschte erneut Stille im Raum.
„Wäre es denn auch möglich, dass eine dieser Personen... ich weiß nicht... rein zufällig stirbt?", fragte Jack nach, und auch wenn er es nicht ausgesprochen hatte, wusste Elise doch, dass er von Julien sprach. Und diese Lösung wäre ihr selbst auch am liebsten.
„Dann müsste wahrscheinlich eine andere Person an deren Stelle rüber", gab Gibbs zu bedenken und es ergab Sinn. Zuzutrauen wäre diese Bedingung Metrala. Sie hörten Schritte auf der Leiter zur Dachkammer. Alle Blicke richteten sich gebannt auf die Bodenklappe, und als sie sich öffnete, waren alle bereit, sich in kürzester Zeit verteidigen zu können.
„Nicht angreifen", sagte eine allzu bekannte Stimme durch den Spalt der Klappe, dann erschienen blonde Haare und schließlich saß Julien Mathieu zu ihren Füßen und rappelte sich auf.
„Julien, was machst du hier? Noch bessere Frage: Wie bist du hergekommen?", fragte Elise und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Ich bin hier, weil ich dich gesehen habe, Elise, und wissen wollte, wie du es wieder hier her geschafft hast. Metrala meinte, das Kind..."
„Ja, es stimmt", sie schluckte schwer und sah zu Boden. Er nickte.
„Nun, nach der einen oder anderen Flasche Rum bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich erneut mit Metrala reden muss. Und das tat ich auch. Sie nannte mir die Bedingung, um diesen Wahnsinn zu stoppen", er machte eine Pause und sah jeden in der Runde kurz an, „Elise und ich müssen zurück nach Nantes."
„Niemals werde ich mit dir wieder heimkehren!", erwiderte Elise sofort. Der Rest war noch überrascht, dass Barbossa mit seiner vagen Vermutung Recht gehabt hatte.
„Sieh doch ein, dass es so sein muss! Ich verlange ja nicht, dass wir noch zusammen sind oder Ähnliches, aber ich möchte, dass niemand mehr in Zeit und Ort reist", wild gestikulierte er mit den Händen, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.
„Julien, in der anderen Welt wird man dir den Prozess machen, dafür werde ich sorgen. Willst du das wirklich?"
„Lieber drüben im Gefängnis als hier in Freiheit. Komm mit mir, Elise. Dieses Leben gehört nicht zu dir. Du bist der Inbegriff von Emanzipation, und das hier ist das Gegenteil."
„Julien, ich bin nicht bereit, schon wieder hin und her zu reisen. Ich habe eine Fehlgeburt hinter mir, ich kann nicht mehr."
„Ich verstehe dich. Wie hieß es? Und was wäre es geworden?"
„Félicitas", erwiderte sie und beobachtete dann mit Schrecken, wie sich Blut auf Höhe seines Herzens ausbreitete, „Was passiert hier?"
„Elise...", er stöhnte schmerzerfüllt auf, „Pardon...", dann fiel er nach hinten und die Gravitation zog ihm durch die Bodenklappe. Geschockt sah Elise ihm nach.
„Ups", sie wirbelte herum und sah Metrala hinter sich stehen, ein blutiges Messer in der Hand, „Ich nannte ihm zwar die Bedingung, aber das heißt nicht automatisch, dass ich möchte, dass sie erfüllt wird."
Ein letztes Lachen, dann war sie wieder verschwunden.
„Niemand ist mehr sicher. Sie taucht aus dem Nichts auf und muss nicht einmal sichtbar werden, um jemanden zu ermorden. Metrala ist eine Göttin", Barbossas Stimme war nichts weiter als ein Murmeln, und trotzdem hörte und verstand ihn jeder der Anwesenden.

Reddonksboudt of Doom / Ein Pirat im 21. JahrhundertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt